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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Biographische Litteratur

Georg von Carlowitz eine selbständigere Stellung zu gewinnen; als der Schmal-
kaldische Krieg herannaht, will er die Neutralität behaupten, da zwar die Bürger¬
schaften seines kleinen Landes lutherisch, der Adel aber größtenteils noch katholisch
und durch die Säkularisation der Kirchengüter tief erbittert ist. Nicht aus eignem
Willen, nicht in verschlagner Berechnung nimmt er dann doch am Schmalkaldischen
Kriege teil, sondern er wird erst von den überlegnen Künsten der kaiserlichen Diplo¬
matie hineingezogen, und er hat dabei zunächst verhüten wollen, daß im Falle eines
kaiserlichen Sieges der Besitz des geächteten ernestinischeu Kurfürsten dem ganzen
Wettinischeu Hanse entfremdet würde, wie es mit dem Vogtlande dann doch geschah.
Den Sieg des Kaisers in Süddentschland 1546 hat nicht sein Einfall in Kur¬
sachsen herbeigeführt, sondern die elende Kriegführung und die Geldnot der Schinal-
kaldner. Den Schimpfnamen eines "Judas von Meißen," den ihm damals das
protestantische Volk anheftete, hat also Moritz nicht verdient. Mit der Erwerbung
der Kurwürde und des Kurlandes, und erst mit dieser, begründete Moritz ein ge¬
schlossenes, haltbares wettinisches Staatswesen, was die aus der Leipziger Teilung
von 1485 hervorgegangnen Länderfetzen niemals gewesen waren, und er hat als
Ordner einer straff monarchischen, die Stunde möglichst beiseite schiebenden Ver¬
waltung, als Vollender der kursächsischen Landeskirche und als Gründer des kur-
sächsischen Gelehrtenschulmesens nicht weniger geleistet als als Diplomat und Soldat.
Die ansehnliche, ja leitende Stellung, die nachmals Kursachsen in Norddeutschland
eingenommen hat, beruht auf Moritz. Da Brandenburg es verstanden hat, mit
wissenschaftlicher Gründlichkeit eine sehr lesbare Darstellung zu vereinigen, so ist
sein Buch für jeden Gebildeten eine anziehende Lektüre. Mit Zitaten, die mciucheu
abschrecken, ist er sehr sparsam, und er kounte es sein, denn er hat einen großen
Teil des Quelleumatericils, auf dem er fußt, tu einem besondern Werke streng wissen¬
schaftlichen Charakters veröffentlicht:


23. Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz
von Sachsen, herausgegeben von Erich Brandenburg. Erster Band (1529 bis
1543). Leipzig. B. G. Teubner, 1900. XXIV u. 762 Seiten.

Dieses auf vier Bände berechnete vorzüglich ausgestattete Werk gehört zu den
Publikationen der neu gebildeten Königlich sächsischen Kommission für Geschichte.
Der vorliegende Band enthält 556 Stücke, jedes mit kurzer Inhaltsangabe, manches
auch mit erläuternden Bemerkungen versehen, eine Anzahl auch mir im Auszuge
mitgeteilt, wo es ohne Schaden für den Inhalt geschehen konnte. Die Orthographie
und die Interpunktion sind soweit modernisiert, daß zwar die Vokalisation, nicht
aber die oft ganz willkürliche und schwankende Schreibung der Konsonanten bei¬
behalten worden ist. Beigegeben ist ein Namenregister.




Biographische Litteratur

Georg von Carlowitz eine selbständigere Stellung zu gewinnen; als der Schmal-
kaldische Krieg herannaht, will er die Neutralität behaupten, da zwar die Bürger¬
schaften seines kleinen Landes lutherisch, der Adel aber größtenteils noch katholisch
und durch die Säkularisation der Kirchengüter tief erbittert ist. Nicht aus eignem
Willen, nicht in verschlagner Berechnung nimmt er dann doch am Schmalkaldischen
Kriege teil, sondern er wird erst von den überlegnen Künsten der kaiserlichen Diplo¬
matie hineingezogen, und er hat dabei zunächst verhüten wollen, daß im Falle eines
kaiserlichen Sieges der Besitz des geächteten ernestinischeu Kurfürsten dem ganzen
Wettinischeu Hanse entfremdet würde, wie es mit dem Vogtlande dann doch geschah.
Den Sieg des Kaisers in Süddentschland 1546 hat nicht sein Einfall in Kur¬
sachsen herbeigeführt, sondern die elende Kriegführung und die Geldnot der Schinal-
kaldner. Den Schimpfnamen eines „Judas von Meißen," den ihm damals das
protestantische Volk anheftete, hat also Moritz nicht verdient. Mit der Erwerbung
der Kurwürde und des Kurlandes, und erst mit dieser, begründete Moritz ein ge¬
schlossenes, haltbares wettinisches Staatswesen, was die aus der Leipziger Teilung
von 1485 hervorgegangnen Länderfetzen niemals gewesen waren, und er hat als
Ordner einer straff monarchischen, die Stunde möglichst beiseite schiebenden Ver¬
waltung, als Vollender der kursächsischen Landeskirche und als Gründer des kur-
sächsischen Gelehrtenschulmesens nicht weniger geleistet als als Diplomat und Soldat.
Die ansehnliche, ja leitende Stellung, die nachmals Kursachsen in Norddeutschland
eingenommen hat, beruht auf Moritz. Da Brandenburg es verstanden hat, mit
wissenschaftlicher Gründlichkeit eine sehr lesbare Darstellung zu vereinigen, so ist
sein Buch für jeden Gebildeten eine anziehende Lektüre. Mit Zitaten, die mciucheu
abschrecken, ist er sehr sparsam, und er kounte es sein, denn er hat einen großen
Teil des Quelleumatericils, auf dem er fußt, tu einem besondern Werke streng wissen¬
schaftlichen Charakters veröffentlicht:


23. Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz
von Sachsen, herausgegeben von Erich Brandenburg. Erster Band (1529 bis
1543). Leipzig. B. G. Teubner, 1900. XXIV u. 762 Seiten.

Dieses auf vier Bände berechnete vorzüglich ausgestattete Werk gehört zu den
Publikationen der neu gebildeten Königlich sächsischen Kommission für Geschichte.
Der vorliegende Band enthält 556 Stücke, jedes mit kurzer Inhaltsangabe, manches
auch mit erläuternden Bemerkungen versehen, eine Anzahl auch mir im Auszuge
mitgeteilt, wo es ohne Schaden für den Inhalt geschehen konnte. Die Orthographie
und die Interpunktion sind soweit modernisiert, daß zwar die Vokalisation, nicht
aber die oft ganz willkürliche und schwankende Schreibung der Konsonanten bei¬
behalten worden ist. Beigegeben ist ein Namenregister.




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[0214] Biographische Litteratur Georg von Carlowitz eine selbständigere Stellung zu gewinnen; als der Schmal- kaldische Krieg herannaht, will er die Neutralität behaupten, da zwar die Bürger¬ schaften seines kleinen Landes lutherisch, der Adel aber größtenteils noch katholisch und durch die Säkularisation der Kirchengüter tief erbittert ist. Nicht aus eignem Willen, nicht in verschlagner Berechnung nimmt er dann doch am Schmalkaldischen Kriege teil, sondern er wird erst von den überlegnen Künsten der kaiserlichen Diplo¬ matie hineingezogen, und er hat dabei zunächst verhüten wollen, daß im Falle eines kaiserlichen Sieges der Besitz des geächteten ernestinischeu Kurfürsten dem ganzen Wettinischeu Hanse entfremdet würde, wie es mit dem Vogtlande dann doch geschah. Den Sieg des Kaisers in Süddentschland 1546 hat nicht sein Einfall in Kur¬ sachsen herbeigeführt, sondern die elende Kriegführung und die Geldnot der Schinal- kaldner. Den Schimpfnamen eines „Judas von Meißen," den ihm damals das protestantische Volk anheftete, hat also Moritz nicht verdient. Mit der Erwerbung der Kurwürde und des Kurlandes, und erst mit dieser, begründete Moritz ein ge¬ schlossenes, haltbares wettinisches Staatswesen, was die aus der Leipziger Teilung von 1485 hervorgegangnen Länderfetzen niemals gewesen waren, und er hat als Ordner einer straff monarchischen, die Stunde möglichst beiseite schiebenden Ver¬ waltung, als Vollender der kursächsischen Landeskirche und als Gründer des kur- sächsischen Gelehrtenschulmesens nicht weniger geleistet als als Diplomat und Soldat. Die ansehnliche, ja leitende Stellung, die nachmals Kursachsen in Norddeutschland eingenommen hat, beruht auf Moritz. Da Brandenburg es verstanden hat, mit wissenschaftlicher Gründlichkeit eine sehr lesbare Darstellung zu vereinigen, so ist sein Buch für jeden Gebildeten eine anziehende Lektüre. Mit Zitaten, die mciucheu abschrecken, ist er sehr sparsam, und er kounte es sein, denn er hat einen großen Teil des Quelleumatericils, auf dem er fußt, tu einem besondern Werke streng wissen¬ schaftlichen Charakters veröffentlicht: 23. Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen, herausgegeben von Erich Brandenburg. Erster Band (1529 bis 1543). Leipzig. B. G. Teubner, 1900. XXIV u. 762 Seiten. Dieses auf vier Bände berechnete vorzüglich ausgestattete Werk gehört zu den Publikationen der neu gebildeten Königlich sächsischen Kommission für Geschichte. Der vorliegende Band enthält 556 Stücke, jedes mit kurzer Inhaltsangabe, manches auch mit erläuternden Bemerkungen versehen, eine Anzahl auch mir im Auszuge mitgeteilt, wo es ohne Schaden für den Inhalt geschehen konnte. Die Orthographie und die Interpunktion sind soweit modernisiert, daß zwar die Vokalisation, nicht aber die oft ganz willkürliche und schwankende Schreibung der Konsonanten bei¬ behalten worden ist. Beigegeben ist ein Namenregister.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/214>, abgerufen am 24.05.2024.