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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Über die Bemannung der deutsche,: Kauffahrteischiffe
L. Meier, Kapitän a. D. von (Schluß)
2. Die Offiziere
l") Die Dampfschiffsoffiziere

le Bedingungen, unter denen die Steuerleute auf den Dampf-
fen angestellt wurden und noch werden, sind je nach dem
! Zweige der Seefahrt, dem die Linien dienen, außerordentlich
verschieden. Die großen Passagierfahrtlinien verlangten früher,
I daß der sich meldende Offizieraspirant die Prüfung zum Schiffer
auf großer Fahrt bestanden und das Befühigungszenguis als solcher in Händen
hatte. Waren sie Reserveoffiziere der Kaiserlichen Marine, oder hatten sie
die Qualifikation dazu, desto besser. Junge Leute mit dem Befähigungs-
zengnis als Steuermann fanden nur ganz ausnahmsweise Anstellung, uümlich
wenn sie mächtige Fürsprache hatten. Man verlangte im allgemeinen eine
gute gesellschaftliche Bildung und eine tadellose Figur; meistens waren die
anfgenommncn Herren in einem Alter von 26 bis 30 Jahren und wurden
dann als vierte Offiziere eingestellt. Auf den Linien, die vorzugsweise
transatlantische und ostindische Frachtfnhrt mit größern Dampfern treiben,
wurden sie als dritte Offiziere, auf Linien in europäischer Fahrt als zweite
und in der Küstenfahrt als Einzelsteuermann eingestellt. Man verlangte die
Befähigung zum Schiffer auf großer Fahrt, weil diese jungen Leute größere
seemännische Erfahrungen gesammelt hatten und gefestigten Charakter hatten
als die Steuerleute. Beides suchten sie sich auf Segelschiffen, die mau auch
für die Dampfer immer noch als die hohe Schule der Seefahrt ansieht, zu
erwerben. Solange die niedergehende Segelschiffahrt ausgebildete Offiziere
genug an die Dampfschiffe abgeben konnte, konnte jede dieser Gesellschaften
ihre Anforderungen so hoch schrauben, wie sie wollte, sie erhielt Offiziere
genug; die großen Linien hatten nicht selten so viele Offizieraspiranten vor¬
notiert, daß sie ihren Bedarf auf Jahre hinaus daraus decken konnten.

Nachdem jedoch die Segelschiffahrt in den letzten 25 Jahren um rund
1660 Schiffe zurückgegangen war, und sich die Zahl der Dampfer auf großer
Fahrt von 200 auf 1000 vermehrt hatte, konnten jene nicht mehr die ge¬
nügende Zahl von befcchrnen Offizieren an diese abgeben, und es trat für die
Dampfer gegen früher ein Mangel an Offizieren ein, und sogar die größten




Über die Bemannung der deutsche,: Kauffahrteischiffe
L. Meier, Kapitän a. D. von (Schluß)
2. Die Offiziere
l») Die Dampfschiffsoffiziere

le Bedingungen, unter denen die Steuerleute auf den Dampf-
fen angestellt wurden und noch werden, sind je nach dem
! Zweige der Seefahrt, dem die Linien dienen, außerordentlich
verschieden. Die großen Passagierfahrtlinien verlangten früher,
I daß der sich meldende Offizieraspirant die Prüfung zum Schiffer
auf großer Fahrt bestanden und das Befühigungszenguis als solcher in Händen
hatte. Waren sie Reserveoffiziere der Kaiserlichen Marine, oder hatten sie
die Qualifikation dazu, desto besser. Junge Leute mit dem Befähigungs-
zengnis als Steuermann fanden nur ganz ausnahmsweise Anstellung, uümlich
wenn sie mächtige Fürsprache hatten. Man verlangte im allgemeinen eine
gute gesellschaftliche Bildung und eine tadellose Figur; meistens waren die
anfgenommncn Herren in einem Alter von 26 bis 30 Jahren und wurden
dann als vierte Offiziere eingestellt. Auf den Linien, die vorzugsweise
transatlantische und ostindische Frachtfnhrt mit größern Dampfern treiben,
wurden sie als dritte Offiziere, auf Linien in europäischer Fahrt als zweite
und in der Küstenfahrt als Einzelsteuermann eingestellt. Man verlangte die
Befähigung zum Schiffer auf großer Fahrt, weil diese jungen Leute größere
seemännische Erfahrungen gesammelt hatten und gefestigten Charakter hatten
als die Steuerleute. Beides suchten sie sich auf Segelschiffen, die mau auch
für die Dampfer immer noch als die hohe Schule der Seefahrt ansieht, zu
erwerben. Solange die niedergehende Segelschiffahrt ausgebildete Offiziere
genug an die Dampfschiffe abgeben konnte, konnte jede dieser Gesellschaften
ihre Anforderungen so hoch schrauben, wie sie wollte, sie erhielt Offiziere
genug; die großen Linien hatten nicht selten so viele Offizieraspiranten vor¬
notiert, daß sie ihren Bedarf auf Jahre hinaus daraus decken konnten.

Nachdem jedoch die Segelschiffahrt in den letzten 25 Jahren um rund
1660 Schiffe zurückgegangen war, und sich die Zahl der Dampfer auf großer
Fahrt von 200 auf 1000 vermehrt hatte, konnten jene nicht mehr die ge¬
nügende Zahl von befcchrnen Offizieren an diese abgeben, und es trat für die
Dampfer gegen früher ein Mangel an Offizieren ein, und sogar die größten


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[0403] [Abbildung] Über die Bemannung der deutsche,: Kauffahrteischiffe L. Meier, Kapitän a. D. von (Schluß) 2. Die Offiziere l») Die Dampfschiffsoffiziere le Bedingungen, unter denen die Steuerleute auf den Dampf- fen angestellt wurden und noch werden, sind je nach dem ! Zweige der Seefahrt, dem die Linien dienen, außerordentlich verschieden. Die großen Passagierfahrtlinien verlangten früher, I daß der sich meldende Offizieraspirant die Prüfung zum Schiffer auf großer Fahrt bestanden und das Befühigungszenguis als solcher in Händen hatte. Waren sie Reserveoffiziere der Kaiserlichen Marine, oder hatten sie die Qualifikation dazu, desto besser. Junge Leute mit dem Befähigungs- zengnis als Steuermann fanden nur ganz ausnahmsweise Anstellung, uümlich wenn sie mächtige Fürsprache hatten. Man verlangte im allgemeinen eine gute gesellschaftliche Bildung und eine tadellose Figur; meistens waren die anfgenommncn Herren in einem Alter von 26 bis 30 Jahren und wurden dann als vierte Offiziere eingestellt. Auf den Linien, die vorzugsweise transatlantische und ostindische Frachtfnhrt mit größern Dampfern treiben, wurden sie als dritte Offiziere, auf Linien in europäischer Fahrt als zweite und in der Küstenfahrt als Einzelsteuermann eingestellt. Man verlangte die Befähigung zum Schiffer auf großer Fahrt, weil diese jungen Leute größere seemännische Erfahrungen gesammelt hatten und gefestigten Charakter hatten als die Steuerleute. Beides suchten sie sich auf Segelschiffen, die mau auch für die Dampfer immer noch als die hohe Schule der Seefahrt ansieht, zu erwerben. Solange die niedergehende Segelschiffahrt ausgebildete Offiziere genug an die Dampfschiffe abgeben konnte, konnte jede dieser Gesellschaften ihre Anforderungen so hoch schrauben, wie sie wollte, sie erhielt Offiziere genug; die großen Linien hatten nicht selten so viele Offizieraspiranten vor¬ notiert, daß sie ihren Bedarf auf Jahre hinaus daraus decken konnten. Nachdem jedoch die Segelschiffahrt in den letzten 25 Jahren um rund 1660 Schiffe zurückgegangen war, und sich die Zahl der Dampfer auf großer Fahrt von 200 auf 1000 vermehrt hatte, konnten jene nicht mehr die ge¬ nügende Zahl von befcchrnen Offizieren an diese abgeben, und es trat für die Dampfer gegen früher ein Mangel an Offizieren ein, und sogar die größten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/403>, abgerufen am 04.06.2024.