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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Neformgedmiken und Reformanscitze im heutigen Italien

helfen. Die heutigen Hilfsmittel der Zeit und Raum aufhebenden Technik
würden hinreichen, die Ungunst der Lage und die Hindernisse der weiten Ent¬
fernungen vollständig zu überwinden. Hätten die Deutschen im fünfzehnten
und sechzehnten Jahrhundert, anstatt angeblich um der Religion willen, in
Wirklichkeit im Dienste des Auslands und einiger einheimischen Dynasten,
einander gegenseitig zu morden, das im elften Jahrhundert begonnene Koloni-
sationswcrk nach Osten hin fortgesetzt, so würde Rußland heute haben, was
ihm fehlt, und die Deutschen brauchten nicht müßig zuzusehen, wie die ihnen
von der Vorsehung bestimmte Kornkammer elend zu Grunde geht.




Reformgedanken und Resormansätze im heutigenItalien
Gelo Raemmel von "Fortsetzung)

Mleichwohl lassen sich Fortschritte gar nicht verkennen. Zu einem
der "Unwichtigsten, der Aufforstung der kahlen Felshänge, von
denen das Regenwasser die letzten Reste der Fruchterde weg¬
spülend reißend herabstürzt und die Thäler unten weithin über-
I schwemmt, hat die Regierung erst schwache Anfänge gemacht.
Auch diesen widersetzen sich auf Sizilien die Großgrundbesitzer, weil sie das
dort ohnehin spärlich vorhandne Wasser für ihre einträgliche" Agrnmen-
pslauzungen brauchen, ohne zu bedenken, daß sie so daran mit arbeiten, die
Wasserarmut zu verewigen oder gar zu steigern. Die Gewöhnung, in den
Waldungen das Vieh weiden zu lassen, und die romanische Feindschaft gegen
den Wald, überhaupt gegen schattigen Baumwuchs kommt hinzu. Hat doch
z. B. der Stadtrat des schattenlosen Syrakus eine schöne Allee nur deshalb
wieder umschlagen lassen, weil die Wurzeln der Bäume die Grundfesten der
Gebäude schädigen sollten! So entbehren denn auch die an sich vorzüglichen
und gut unterhaltnen Landstraßen fast durchweg der bei uns überall selbstver¬
ständlichen Baumreihen.

Um dieser tief eingewurzelten Volksanschauung entgegen zu arbeiten, ist
der Minister Guido Bciccelli auf den Gedanken gekommen, nach dem Vorbilde
des nordamerikanischen ^.rhor's <Za^ in der Schuljugend das Interesse für
Bäume und Wald zu erwecken und so die Wiederbewaldnng (it riiubosolü-
msnto) des entwaldeten Landes zu fördern. Er führte deshalb die tsstg, deM
allxzri ein und ließ an diesem Tage nach dem Beginn des neuen Schuljahrs
(Ende Oktober) überall Bäume von. der Schuljugend pflanzen. In Rom fand


Neformgedmiken und Reformanscitze im heutigen Italien

helfen. Die heutigen Hilfsmittel der Zeit und Raum aufhebenden Technik
würden hinreichen, die Ungunst der Lage und die Hindernisse der weiten Ent¬
fernungen vollständig zu überwinden. Hätten die Deutschen im fünfzehnten
und sechzehnten Jahrhundert, anstatt angeblich um der Religion willen, in
Wirklichkeit im Dienste des Auslands und einiger einheimischen Dynasten,
einander gegenseitig zu morden, das im elften Jahrhundert begonnene Koloni-
sationswcrk nach Osten hin fortgesetzt, so würde Rußland heute haben, was
ihm fehlt, und die Deutschen brauchten nicht müßig zuzusehen, wie die ihnen
von der Vorsehung bestimmte Kornkammer elend zu Grunde geht.




Reformgedanken und Resormansätze im heutigenItalien
Gelo Raemmel von «Fortsetzung)

Mleichwohl lassen sich Fortschritte gar nicht verkennen. Zu einem
der «Unwichtigsten, der Aufforstung der kahlen Felshänge, von
denen das Regenwasser die letzten Reste der Fruchterde weg¬
spülend reißend herabstürzt und die Thäler unten weithin über-
I schwemmt, hat die Regierung erst schwache Anfänge gemacht.
Auch diesen widersetzen sich auf Sizilien die Großgrundbesitzer, weil sie das
dort ohnehin spärlich vorhandne Wasser für ihre einträgliche« Agrnmen-
pslauzungen brauchen, ohne zu bedenken, daß sie so daran mit arbeiten, die
Wasserarmut zu verewigen oder gar zu steigern. Die Gewöhnung, in den
Waldungen das Vieh weiden zu lassen, und die romanische Feindschaft gegen
den Wald, überhaupt gegen schattigen Baumwuchs kommt hinzu. Hat doch
z. B. der Stadtrat des schattenlosen Syrakus eine schöne Allee nur deshalb
wieder umschlagen lassen, weil die Wurzeln der Bäume die Grundfesten der
Gebäude schädigen sollten! So entbehren denn auch die an sich vorzüglichen
und gut unterhaltnen Landstraßen fast durchweg der bei uns überall selbstver¬
ständlichen Baumreihen.

Um dieser tief eingewurzelten Volksanschauung entgegen zu arbeiten, ist
der Minister Guido Bciccelli auf den Gedanken gekommen, nach dem Vorbilde
des nordamerikanischen ^.rhor's <Za^ in der Schuljugend das Interesse für
Bäume und Wald zu erwecken und so die Wiederbewaldnng (it riiubosolü-
msnto) des entwaldeten Landes zu fördern. Er führte deshalb die tsstg, deM
allxzri ein und ließ an diesem Tage nach dem Beginn des neuen Schuljahrs
(Ende Oktober) überall Bäume von. der Schuljugend pflanzen. In Rom fand


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[0554] Neformgedmiken und Reformanscitze im heutigen Italien helfen. Die heutigen Hilfsmittel der Zeit und Raum aufhebenden Technik würden hinreichen, die Ungunst der Lage und die Hindernisse der weiten Ent¬ fernungen vollständig zu überwinden. Hätten die Deutschen im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert, anstatt angeblich um der Religion willen, in Wirklichkeit im Dienste des Auslands und einiger einheimischen Dynasten, einander gegenseitig zu morden, das im elften Jahrhundert begonnene Koloni- sationswcrk nach Osten hin fortgesetzt, so würde Rußland heute haben, was ihm fehlt, und die Deutschen brauchten nicht müßig zuzusehen, wie die ihnen von der Vorsehung bestimmte Kornkammer elend zu Grunde geht. Reformgedanken und Resormansätze im heutigenItalien Gelo Raemmel von «Fortsetzung) Mleichwohl lassen sich Fortschritte gar nicht verkennen. Zu einem der «Unwichtigsten, der Aufforstung der kahlen Felshänge, von denen das Regenwasser die letzten Reste der Fruchterde weg¬ spülend reißend herabstürzt und die Thäler unten weithin über- I schwemmt, hat die Regierung erst schwache Anfänge gemacht. Auch diesen widersetzen sich auf Sizilien die Großgrundbesitzer, weil sie das dort ohnehin spärlich vorhandne Wasser für ihre einträgliche« Agrnmen- pslauzungen brauchen, ohne zu bedenken, daß sie so daran mit arbeiten, die Wasserarmut zu verewigen oder gar zu steigern. Die Gewöhnung, in den Waldungen das Vieh weiden zu lassen, und die romanische Feindschaft gegen den Wald, überhaupt gegen schattigen Baumwuchs kommt hinzu. Hat doch z. B. der Stadtrat des schattenlosen Syrakus eine schöne Allee nur deshalb wieder umschlagen lassen, weil die Wurzeln der Bäume die Grundfesten der Gebäude schädigen sollten! So entbehren denn auch die an sich vorzüglichen und gut unterhaltnen Landstraßen fast durchweg der bei uns überall selbstver¬ ständlichen Baumreihen. Um dieser tief eingewurzelten Volksanschauung entgegen zu arbeiten, ist der Minister Guido Bciccelli auf den Gedanken gekommen, nach dem Vorbilde des nordamerikanischen ^.rhor's <Za^ in der Schuljugend das Interesse für Bäume und Wald zu erwecken und so die Wiederbewaldnng (it riiubosolü- msnto) des entwaldeten Landes zu fördern. Er führte deshalb die tsstg, deM allxzri ein und ließ an diesem Tage nach dem Beginn des neuen Schuljahrs (Ende Oktober) überall Bäume von. der Schuljugend pflanzen. In Rom fand

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/554>, abgerufen am 04.06.2024.