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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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sind die Folgen der Verurteilung schwerer, unter Umständen recht schwer sogar.
Dem bedeutendem Zweck entspricht ein Mehraufwand von Mitteln, sodaß die
Verpflichtung um Eidesstatt mit ihren erhöhten Straffolgen die Regel sei"
könnte, und die förmliche Beeidigung der Zeugen in das Ermessen des Gerichts
zu stellen wäre, als Ergänzung, also nachträglich, oder von vornherein als
feierlichstes Versprechen, die Wahrheit zu sagen; je nach Lage der Sache. Da
jedoch die Vergehensrubrik unter Umständen etwas Formalistisches hat, es bei
der Beleidigung z. B. neben sehr schweren Fällen auch solche giebt, die weniger
wiegen als manche Übertretungen, so wäre das Gericht zu ermächtigen, sogar
von der eidesstattlichen Verpflichtung abzusehen. Denn die Regel aller Regeln
für die ganze Frage bleibt die Verhältnismäßigkeit von Zweck und Mittel,
und nur das richterliche Ermessen ist bei der unendlichen Mannigfaltigkeit der
Möglichkeiten imstande, das zweckentsprechende Mittel zu treffen. Und die Ab¬
stufungen, die hier vorgeschlagen werden, sind eine Schule des richterlichen
Ermessens, das jetzt durch das nicht bloß unwürdige und gefahrvolle, sondern
auch öde und geistlose Einerlei von Eid, Eid und abermals Eid abgetötet
wird. Es würde sich in der Praxis auf diese Weise auch allmählich ein Damm
bilden gegen das Hineinziehn von Zeilgeu, die zur Sache nichts wissen und
dein Angeklagten bloß dazu dienen, als eine Art von Eideshelfern andre
Zeugen schlecht zu machen oder dein Geschädigten noch mehr wehzuthuu.
Selbstverständlich müßte auch hier bei den formlos vernommnen Zeugen das
Lügen in der vorhin erwähnten Art strafbar sein. Und auch dies wäre ein
Fortschritt gegen den jetzigen Zustand, wo sich die nnbeeidigt vernommnen Zeugen
vor der Obrigkeit ohne jede Strafe gegen die Wahrheit vergehn dürfen.

Bei der höchsten Stufe der Verbrechen, die in unserm Strafgesetzbuch
allein noch diesen Namen führt, sind die' angedrohten Strafen so hoch und
meistens auch der Art nach so schwer, daß der Zeugeneid die Regel bleiben
muß. Aber auch bei ihnen müssen die andern Mittel, die Glaubhaftigkeit der
Zeugen zu verstärken, in jedem Fall, wo Meineid zu befürchten ist, als Ersatz-
und Notmittel ins richterliche Ermessen gestellt sein, und auch als Mittel, der
Prostituiernng des Eides entgegenzutreten. Seiner Heilighaltung dienen diese
Ausführungen, die absichtlich kurz gehalten sind, um das punvtnm Mugils
x gegenwärtig zu halten.




Religion in der schule

er Religionsunterricht an höhern Lehranstalten ist in dem nun
fast vollendeten Jahr an den verschiedensten Stellen Gegenstand
der Erörterung gewesen. Zum Teil war das jedenfalls dadurch
veranlaßt worden, daß er bei der Eisenacher Kirchenkonferenz im
Mittelpunkt der Beratungen stand.

Der "Reichsbote" begleitete diese Beratungen mit einigen polternde"


sind die Folgen der Verurteilung schwerer, unter Umständen recht schwer sogar.
Dem bedeutendem Zweck entspricht ein Mehraufwand von Mitteln, sodaß die
Verpflichtung um Eidesstatt mit ihren erhöhten Straffolgen die Regel sei»
könnte, und die förmliche Beeidigung der Zeugen in das Ermessen des Gerichts
zu stellen wäre, als Ergänzung, also nachträglich, oder von vornherein als
feierlichstes Versprechen, die Wahrheit zu sagen; je nach Lage der Sache. Da
jedoch die Vergehensrubrik unter Umständen etwas Formalistisches hat, es bei
der Beleidigung z. B. neben sehr schweren Fällen auch solche giebt, die weniger
wiegen als manche Übertretungen, so wäre das Gericht zu ermächtigen, sogar
von der eidesstattlichen Verpflichtung abzusehen. Denn die Regel aller Regeln
für die ganze Frage bleibt die Verhältnismäßigkeit von Zweck und Mittel,
und nur das richterliche Ermessen ist bei der unendlichen Mannigfaltigkeit der
Möglichkeiten imstande, das zweckentsprechende Mittel zu treffen. Und die Ab¬
stufungen, die hier vorgeschlagen werden, sind eine Schule des richterlichen
Ermessens, das jetzt durch das nicht bloß unwürdige und gefahrvolle, sondern
auch öde und geistlose Einerlei von Eid, Eid und abermals Eid abgetötet
wird. Es würde sich in der Praxis auf diese Weise auch allmählich ein Damm
bilden gegen das Hineinziehn von Zeilgeu, die zur Sache nichts wissen und
dein Angeklagten bloß dazu dienen, als eine Art von Eideshelfern andre
Zeugen schlecht zu machen oder dein Geschädigten noch mehr wehzuthuu.
Selbstverständlich müßte auch hier bei den formlos vernommnen Zeugen das
Lügen in der vorhin erwähnten Art strafbar sein. Und auch dies wäre ein
Fortschritt gegen den jetzigen Zustand, wo sich die nnbeeidigt vernommnen Zeugen
vor der Obrigkeit ohne jede Strafe gegen die Wahrheit vergehn dürfen.

Bei der höchsten Stufe der Verbrechen, die in unserm Strafgesetzbuch
allein noch diesen Namen führt, sind die' angedrohten Strafen so hoch und
meistens auch der Art nach so schwer, daß der Zeugeneid die Regel bleiben
muß. Aber auch bei ihnen müssen die andern Mittel, die Glaubhaftigkeit der
Zeugen zu verstärken, in jedem Fall, wo Meineid zu befürchten ist, als Ersatz-
und Notmittel ins richterliche Ermessen gestellt sein, und auch als Mittel, der
Prostituiernng des Eides entgegenzutreten. Seiner Heilighaltung dienen diese
Ausführungen, die absichtlich kurz gehalten sind, um das punvtnm Mugils
x gegenwärtig zu halten.




Religion in der schule

er Religionsunterricht an höhern Lehranstalten ist in dem nun
fast vollendeten Jahr an den verschiedensten Stellen Gegenstand
der Erörterung gewesen. Zum Teil war das jedenfalls dadurch
veranlaßt worden, daß er bei der Eisenacher Kirchenkonferenz im
Mittelpunkt der Beratungen stand.

Der „Reichsbote" begleitete diese Beratungen mit einigen polternde»


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[0616] sind die Folgen der Verurteilung schwerer, unter Umständen recht schwer sogar. Dem bedeutendem Zweck entspricht ein Mehraufwand von Mitteln, sodaß die Verpflichtung um Eidesstatt mit ihren erhöhten Straffolgen die Regel sei» könnte, und die förmliche Beeidigung der Zeugen in das Ermessen des Gerichts zu stellen wäre, als Ergänzung, also nachträglich, oder von vornherein als feierlichstes Versprechen, die Wahrheit zu sagen; je nach Lage der Sache. Da jedoch die Vergehensrubrik unter Umständen etwas Formalistisches hat, es bei der Beleidigung z. B. neben sehr schweren Fällen auch solche giebt, die weniger wiegen als manche Übertretungen, so wäre das Gericht zu ermächtigen, sogar von der eidesstattlichen Verpflichtung abzusehen. Denn die Regel aller Regeln für die ganze Frage bleibt die Verhältnismäßigkeit von Zweck und Mittel, und nur das richterliche Ermessen ist bei der unendlichen Mannigfaltigkeit der Möglichkeiten imstande, das zweckentsprechende Mittel zu treffen. Und die Ab¬ stufungen, die hier vorgeschlagen werden, sind eine Schule des richterlichen Ermessens, das jetzt durch das nicht bloß unwürdige und gefahrvolle, sondern auch öde und geistlose Einerlei von Eid, Eid und abermals Eid abgetötet wird. Es würde sich in der Praxis auf diese Weise auch allmählich ein Damm bilden gegen das Hineinziehn von Zeilgeu, die zur Sache nichts wissen und dein Angeklagten bloß dazu dienen, als eine Art von Eideshelfern andre Zeugen schlecht zu machen oder dein Geschädigten noch mehr wehzuthuu. Selbstverständlich müßte auch hier bei den formlos vernommnen Zeugen das Lügen in der vorhin erwähnten Art strafbar sein. Und auch dies wäre ein Fortschritt gegen den jetzigen Zustand, wo sich die nnbeeidigt vernommnen Zeugen vor der Obrigkeit ohne jede Strafe gegen die Wahrheit vergehn dürfen. Bei der höchsten Stufe der Verbrechen, die in unserm Strafgesetzbuch allein noch diesen Namen führt, sind die' angedrohten Strafen so hoch und meistens auch der Art nach so schwer, daß der Zeugeneid die Regel bleiben muß. Aber auch bei ihnen müssen die andern Mittel, die Glaubhaftigkeit der Zeugen zu verstärken, in jedem Fall, wo Meineid zu befürchten ist, als Ersatz- und Notmittel ins richterliche Ermessen gestellt sein, und auch als Mittel, der Prostituiernng des Eides entgegenzutreten. Seiner Heilighaltung dienen diese Ausführungen, die absichtlich kurz gehalten sind, um das punvtnm Mugils x gegenwärtig zu halten. Religion in der schule er Religionsunterricht an höhern Lehranstalten ist in dem nun fast vollendeten Jahr an den verschiedensten Stellen Gegenstand der Erörterung gewesen. Zum Teil war das jedenfalls dadurch veranlaßt worden, daß er bei der Eisenacher Kirchenkonferenz im Mittelpunkt der Beratungen stand. Der „Reichsbote" begleitete diese Beratungen mit einigen polternde»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/616>, abgerufen am 04.06.2024.