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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch - italienischer Verkehr im Mittelalter

Berufe ganz aufgingen ; aber gerade solche, die das thun, sind der Gefahr, in
Pedanterie zu verfallen, leichter allsgesetzt als andre. Sicher ist: die neue
Zukunft unsrer humanistischen Gymnasien hängt viel mehr als von Verordn
nungen von der verständnisvollen Hingebung und der geistigen Frische ihres
Lehrerstands ab. Darum muß alles geschehn, diese zu fördern und zu sichern.
Was für sie geschieht, geschieht doch auch für die Jugend und um der Jugend
willen, also für die Zukunft der Nation.




Deutsch-italienischer Verkehr im Mittelalter
(Schluß)

le anziehendsten Abschnitte in Schuttes Buch sind die über die
Alpenpässe; ans ihnen ersieht man, wie Lage, Bodengestalt,
Volkstum, Handel und Politik aufeinander eingewirkt haben.
Die Römer haben die Alpen so lange wie möglich umgangen,
dann die Wege über den großen Se. Bernhard und über den
Splügcn, vielleicht auch über deu Septimer gebant. Der Se. Gotthard blieb
eine unzugängliche Wildnis; darauf führt Schulte den Umstand zurück, daß
die Römer nicht eine die heutige Schweiz umfassende Provinz eingerichtet,
sondern den Nordnbhang der Zentralalpen zu Gallien, die beiden großen süd¬
lichen Lüngsthäler zu Nhütien geschlagen haben. Die Verbindung von Wallis
und Graubiinden zu einem Verwaltungsbezirk beweist, daß der Weg aus dem
westlichen Thal ins östliche über die Furka schon offen gestanden haben muß.
Mit dem Handel ging beim Zerfall des Reichs auch dessen großartiges Straßen¬
system ein. Die Straßen wurden nicht allein "verlündert," sondern ihre Unter¬
haltung hing fortan von den Anwohner" ab; kein Staat kümmerte sich darum,
sofern man nicht die Schwcizerkantone sowie einige Bistümer und Klosterver-
waltungen als Staaten gelten lassen will.

Mit dem Handel verschwand keineswegs der Verkehr über die Alpen;
Kriegsheere zogen oft, Pilger und die der Kircheuvermaltung dienenden Boten
fortwährend hinüber und herüber; nicht wenig Klöster hatten Grundbesitz auf
beiden Seiten des Gebirges. Darum wurden früh Hospize angelegt. Die ersten
Werden von den Sarazene" zerstört, die um 889 als Räuber einfallen und
sich auf ein halbes Jahrhundert in den Bergen festsetzen. Die Chorherren,
die Bernhard von Menthon ans dem nach ihm genannten Passe über den
frühern Acus ^ovis angesiedelt hat, widmen sich der Beherbergung der Alpen¬
reisenden als eiuer besondern Form der den Klöstern im allgemeinen zur
Pflicht gemachten Gastfreundschaft. Reiche Schenkungen an Grundbesitz, die


Deutsch - italienischer Verkehr im Mittelalter

Berufe ganz aufgingen ; aber gerade solche, die das thun, sind der Gefahr, in
Pedanterie zu verfallen, leichter allsgesetzt als andre. Sicher ist: die neue
Zukunft unsrer humanistischen Gymnasien hängt viel mehr als von Verordn
nungen von der verständnisvollen Hingebung und der geistigen Frische ihres
Lehrerstands ab. Darum muß alles geschehn, diese zu fördern und zu sichern.
Was für sie geschieht, geschieht doch auch für die Jugend und um der Jugend
willen, also für die Zukunft der Nation.




Deutsch-italienischer Verkehr im Mittelalter
(Schluß)

le anziehendsten Abschnitte in Schuttes Buch sind die über die
Alpenpässe; ans ihnen ersieht man, wie Lage, Bodengestalt,
Volkstum, Handel und Politik aufeinander eingewirkt haben.
Die Römer haben die Alpen so lange wie möglich umgangen,
dann die Wege über den großen Se. Bernhard und über den
Splügcn, vielleicht auch über deu Septimer gebant. Der Se. Gotthard blieb
eine unzugängliche Wildnis; darauf führt Schulte den Umstand zurück, daß
die Römer nicht eine die heutige Schweiz umfassende Provinz eingerichtet,
sondern den Nordnbhang der Zentralalpen zu Gallien, die beiden großen süd¬
lichen Lüngsthäler zu Nhütien geschlagen haben. Die Verbindung von Wallis
und Graubiinden zu einem Verwaltungsbezirk beweist, daß der Weg aus dem
westlichen Thal ins östliche über die Furka schon offen gestanden haben muß.
Mit dem Handel ging beim Zerfall des Reichs auch dessen großartiges Straßen¬
system ein. Die Straßen wurden nicht allein „verlündert," sondern ihre Unter¬
haltung hing fortan von den Anwohner» ab; kein Staat kümmerte sich darum,
sofern man nicht die Schwcizerkantone sowie einige Bistümer und Klosterver-
waltungen als Staaten gelten lassen will.

Mit dem Handel verschwand keineswegs der Verkehr über die Alpen;
Kriegsheere zogen oft, Pilger und die der Kircheuvermaltung dienenden Boten
fortwährend hinüber und herüber; nicht wenig Klöster hatten Grundbesitz auf
beiden Seiten des Gebirges. Darum wurden früh Hospize angelegt. Die ersten
Werden von den Sarazene» zerstört, die um 889 als Räuber einfallen und
sich auf ein halbes Jahrhundert in den Bergen festsetzen. Die Chorherren,
die Bernhard von Menthon ans dem nach ihm genannten Passe über den
frühern Acus ^ovis angesiedelt hat, widmen sich der Beherbergung der Alpen¬
reisenden als eiuer besondern Form der den Klöstern im allgemeinen zur
Pflicht gemachten Gastfreundschaft. Reiche Schenkungen an Grundbesitz, die


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[0171] Deutsch - italienischer Verkehr im Mittelalter Berufe ganz aufgingen ; aber gerade solche, die das thun, sind der Gefahr, in Pedanterie zu verfallen, leichter allsgesetzt als andre. Sicher ist: die neue Zukunft unsrer humanistischen Gymnasien hängt viel mehr als von Verordn nungen von der verständnisvollen Hingebung und der geistigen Frische ihres Lehrerstands ab. Darum muß alles geschehn, diese zu fördern und zu sichern. Was für sie geschieht, geschieht doch auch für die Jugend und um der Jugend willen, also für die Zukunft der Nation. Deutsch-italienischer Verkehr im Mittelalter (Schluß) le anziehendsten Abschnitte in Schuttes Buch sind die über die Alpenpässe; ans ihnen ersieht man, wie Lage, Bodengestalt, Volkstum, Handel und Politik aufeinander eingewirkt haben. Die Römer haben die Alpen so lange wie möglich umgangen, dann die Wege über den großen Se. Bernhard und über den Splügcn, vielleicht auch über deu Septimer gebant. Der Se. Gotthard blieb eine unzugängliche Wildnis; darauf führt Schulte den Umstand zurück, daß die Römer nicht eine die heutige Schweiz umfassende Provinz eingerichtet, sondern den Nordnbhang der Zentralalpen zu Gallien, die beiden großen süd¬ lichen Lüngsthäler zu Nhütien geschlagen haben. Die Verbindung von Wallis und Graubiinden zu einem Verwaltungsbezirk beweist, daß der Weg aus dem westlichen Thal ins östliche über die Furka schon offen gestanden haben muß. Mit dem Handel ging beim Zerfall des Reichs auch dessen großartiges Straßen¬ system ein. Die Straßen wurden nicht allein „verlündert," sondern ihre Unter¬ haltung hing fortan von den Anwohner» ab; kein Staat kümmerte sich darum, sofern man nicht die Schwcizerkantone sowie einige Bistümer und Klosterver- waltungen als Staaten gelten lassen will. Mit dem Handel verschwand keineswegs der Verkehr über die Alpen; Kriegsheere zogen oft, Pilger und die der Kircheuvermaltung dienenden Boten fortwährend hinüber und herüber; nicht wenig Klöster hatten Grundbesitz auf beiden Seiten des Gebirges. Darum wurden früh Hospize angelegt. Die ersten Werden von den Sarazene» zerstört, die um 889 als Räuber einfallen und sich auf ein halbes Jahrhundert in den Bergen festsetzen. Die Chorherren, die Bernhard von Menthon ans dem nach ihm genannten Passe über den frühern Acus ^ovis angesiedelt hat, widmen sich der Beherbergung der Alpen¬ reisenden als eiuer besondern Form der den Klöstern im allgemeinen zur Pflicht gemachten Gastfreundschaft. Reiche Schenkungen an Grundbesitz, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/171>, abgerufen am 02.05.2024.