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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Wohnungsinspektion
Ludwig Ziehen von

s geht ein frischer Zug durch die Wohnungsreform; überall regt
sich die Thätigkeit von Privaten und Gemeinden, auch die preu¬
ßische Regierung ist bereit, gesetzgeberisch in dieser Frage vor-
zugehn. Freilich der von vielen erhofften reichsgesetzlichen Rege¬
lung steht sie anscheinend nach wie vor ablehnend gegenüber,
und auch die Stimmung des Reichstags selbst ist noch zweifelhaft. Jedenfalls
aber wird die nächste Zeit für die zukünftige Gestaltung der Wohnuugsreform
entscheidend sein. Man muß es deshalb freudig begrüßen, daß der Verein "Reichs¬
wohnungsgesetz," der sich schon manches Verdienst um diese Sache erworben
hat, gerade jetzt mit einem großangelegteu Werke vor die Öffentlichkeit tritt,
worin die einzelnen Teile dieser weitverzweigten Frage noch einmal von be¬
währten Fachleuten einer gründlichen, wissenschaftlichen Untersuchung unter¬
zogen werden.

Vor mir liegt das erste Heft dieser Publikation, worin der Straßburger
Beigeordnete v. d. Goltz die Wohnungsinspektion behandelt.*) Die Schrift
verdient die größte Aufmerksamkeit aller sozialpolitisch thätigen Kreise. Schon
der erste Teil, der eine Zusammenstellung über die bisherigen rechtlichen
Grundlagen der Wohnungsinspektion in den verschiednen Bundesstaaten giebt
und den Wortlaut aller wichtigen Gesetze und Verordnungen im Anhang ent¬
hält, ist eine willkommne Gabe, wie jeder bestätigen wird, der bisher müh¬
sam das zerstreute und oft schwer zugängliche Material zusammensuchen mußte.
Mancher wird zu seiner Überraschung daraus ersehen, wie mannigfach sich schon
die Einrichtung der Wohnungsinspektion in Deutschland gestaltet hat. Denn
wenn in Preußen und Hessen die Polizei, in Baden, Elsaß-Lothringen, Ham¬
burg besondre Wohnungskommissionen die Träger der Inspektion sind, so heißt
das doch keineswegs, daß nun in der Praxis dem einen System das andre
schroff gegenübersteht. Nicht nur das hessische Gesetz spricht ueben den Orts¬
polizeibehörden auch den Gesundheitsbeamten des Staats oder den von der
Ortspolizei beauftragten die Befugnis der Inspektion zu, sondern auch die
Anweisung zur Ausführung der Wohnungspolizeiverordnung, die der Regie¬
rungspräsident von Düsseldorf erlassen hat, empfiehlt geradezu, für die größern



*) Die Wohnungsinspektion und ihre Ausgestaltung durch das Reich. Von Hans Frei¬
herrn ". d. Goltz, Göttingen, Vcmdcnhocck und Ruprecht, 1900. 104 Seiten. Preis 1 Mark
50 Pfennige.


Wohnungsinspektion
Ludwig Ziehen von

s geht ein frischer Zug durch die Wohnungsreform; überall regt
sich die Thätigkeit von Privaten und Gemeinden, auch die preu¬
ßische Regierung ist bereit, gesetzgeberisch in dieser Frage vor-
zugehn. Freilich der von vielen erhofften reichsgesetzlichen Rege¬
lung steht sie anscheinend nach wie vor ablehnend gegenüber,
und auch die Stimmung des Reichstags selbst ist noch zweifelhaft. Jedenfalls
aber wird die nächste Zeit für die zukünftige Gestaltung der Wohnuugsreform
entscheidend sein. Man muß es deshalb freudig begrüßen, daß der Verein „Reichs¬
wohnungsgesetz," der sich schon manches Verdienst um diese Sache erworben
hat, gerade jetzt mit einem großangelegteu Werke vor die Öffentlichkeit tritt,
worin die einzelnen Teile dieser weitverzweigten Frage noch einmal von be¬
währten Fachleuten einer gründlichen, wissenschaftlichen Untersuchung unter¬
zogen werden.

Vor mir liegt das erste Heft dieser Publikation, worin der Straßburger
Beigeordnete v. d. Goltz die Wohnungsinspektion behandelt.*) Die Schrift
verdient die größte Aufmerksamkeit aller sozialpolitisch thätigen Kreise. Schon
der erste Teil, der eine Zusammenstellung über die bisherigen rechtlichen
Grundlagen der Wohnungsinspektion in den verschiednen Bundesstaaten giebt
und den Wortlaut aller wichtigen Gesetze und Verordnungen im Anhang ent¬
hält, ist eine willkommne Gabe, wie jeder bestätigen wird, der bisher müh¬
sam das zerstreute und oft schwer zugängliche Material zusammensuchen mußte.
Mancher wird zu seiner Überraschung daraus ersehen, wie mannigfach sich schon
die Einrichtung der Wohnungsinspektion in Deutschland gestaltet hat. Denn
wenn in Preußen und Hessen die Polizei, in Baden, Elsaß-Lothringen, Ham¬
burg besondre Wohnungskommissionen die Träger der Inspektion sind, so heißt
das doch keineswegs, daß nun in der Praxis dem einen System das andre
schroff gegenübersteht. Nicht nur das hessische Gesetz spricht ueben den Orts¬
polizeibehörden auch den Gesundheitsbeamten des Staats oder den von der
Ortspolizei beauftragten die Befugnis der Inspektion zu, sondern auch die
Anweisung zur Ausführung der Wohnungspolizeiverordnung, die der Regie¬
rungspräsident von Düsseldorf erlassen hat, empfiehlt geradezu, für die größern



*) Die Wohnungsinspektion und ihre Ausgestaltung durch das Reich. Von Hans Frei¬
herrn ». d. Goltz, Göttingen, Vcmdcnhocck und Ruprecht, 1900. 104 Seiten. Preis 1 Mark
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/126>, abgerufen am 05.05.2024.