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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Mit den Buren im Felde Lügen Ulagner Nach dein Tagebuche eines Mitkämpfers wiedergegeben von
in

!och im Frühjahr 1899 glaubte niemand bei uns im Norden der
Kapkolonie ernstlich um Krieg. Mit Engländern und Kapburen
saß ich manchmal des Abends nach vollbrachten, Tagewerk vor
unserm Häuschen, und das Gespräch wandte sich oft der Politik
!zu und den Beschwerden der Uitlander. Diese Fragen wurden
unes der Buren Art in einer für europäische Begriffe fast mehr als schleppenden
Unterhaltung behandelt, ohne Erregtheit und ohne eine Spur von Leidenschaft.
Dein Lärm der von uns gelesenen englischen Presse legten wir nicht mehr Be¬
deutung bei als dem Geschrei der Schakale, wenn diese sich nach einem von
uns beendeten Jagdzuge des Nachts abseits von unserm Wachtfeuer um ein
verendetes Wild oder um ein gefallncs Schaf stritten. Man sah in den
Klagen über wirtschaftliche Erschwernisse nur das Geschrei vou Finanzlenten,
die darüber ärgerlich sind, daß sie nicht rasch genug reich werdeu können. So
wenig dachte ich selbst an Krieg, daß ich noch im Monat Juni 1899 einen
auf drei Mounte berechneten Jagdausflug in die Kalahariwiiste unternahm.
Wie verändert fand ich die Verhältnisse bei meiner Rückkehr! Der Krieg war
unvermeidlich geworden, und ich stand nun vor einer schweren Entscheidung.
Mein Freund G., ein Kapbure, und ich hatten erst kürzlich einen eignen störe,
ein Handlungshaus, das im besten Gedeihen war, in der südafrikanischen
Republik eröffnet. Wegen des gefährdeten Anlagekapitals erschien mein persön¬
liches Eingreifen während des zu erwartenden Kriegs dort notwendiger als
hier auf englischem Gebiet, das nach unsrer aller Ansicht unberührt bleiben
würde. Ich bat darum meinen Chef, einen Engländer, mich nach der süd¬
afrikanischen Republik entlassen zu wollen. Dringend riet er mir davon ab,
mich in unsichere Verhältnisse zu begeben, und dieses nicht etwa aus Gegner¬
schaft für die Sache der Buren, mit denen ich, wie er wohl wußte, sympathi¬
sierte. Die materiellen Interessen waren schließlich ausschlaggebend. Am
25. September 1899 wurde ich von meinem Chef entlassen. Mit seinem
Wagen ließ er mich auf die Eisenbahnstation bringen, rechtzeitig zum nächsten
Zuge nach Norden. Wir schieden als Freunde, obgleich er wohl wußte, daß
ich kaum nur ein Zuschauer des Kriegs bleiben würde. Er verstand den
Charakter der Buren und meine Zuneigung zu diesem Volte sehr gut, und
unsre Freundschaft hat durch den Krieg keinen Riß erlitten. Ich verdanke ihm




Mit den Buren im Felde Lügen Ulagner Nach dein Tagebuche eines Mitkämpfers wiedergegeben von
in

!och im Frühjahr 1899 glaubte niemand bei uns im Norden der
Kapkolonie ernstlich um Krieg. Mit Engländern und Kapburen
saß ich manchmal des Abends nach vollbrachten, Tagewerk vor
unserm Häuschen, und das Gespräch wandte sich oft der Politik
!zu und den Beschwerden der Uitlander. Diese Fragen wurden
unes der Buren Art in einer für europäische Begriffe fast mehr als schleppenden
Unterhaltung behandelt, ohne Erregtheit und ohne eine Spur von Leidenschaft.
Dein Lärm der von uns gelesenen englischen Presse legten wir nicht mehr Be¬
deutung bei als dem Geschrei der Schakale, wenn diese sich nach einem von
uns beendeten Jagdzuge des Nachts abseits von unserm Wachtfeuer um ein
verendetes Wild oder um ein gefallncs Schaf stritten. Man sah in den
Klagen über wirtschaftliche Erschwernisse nur das Geschrei vou Finanzlenten,
die darüber ärgerlich sind, daß sie nicht rasch genug reich werdeu können. So
wenig dachte ich selbst an Krieg, daß ich noch im Monat Juni 1899 einen
auf drei Mounte berechneten Jagdausflug in die Kalahariwiiste unternahm.
Wie verändert fand ich die Verhältnisse bei meiner Rückkehr! Der Krieg war
unvermeidlich geworden, und ich stand nun vor einer schweren Entscheidung.
Mein Freund G., ein Kapbure, und ich hatten erst kürzlich einen eignen störe,
ein Handlungshaus, das im besten Gedeihen war, in der südafrikanischen
Republik eröffnet. Wegen des gefährdeten Anlagekapitals erschien mein persön¬
liches Eingreifen während des zu erwartenden Kriegs dort notwendiger als
hier auf englischem Gebiet, das nach unsrer aller Ansicht unberührt bleiben
würde. Ich bat darum meinen Chef, einen Engländer, mich nach der süd¬
afrikanischen Republik entlassen zu wollen. Dringend riet er mir davon ab,
mich in unsichere Verhältnisse zu begeben, und dieses nicht etwa aus Gegner¬
schaft für die Sache der Buren, mit denen ich, wie er wohl wußte, sympathi¬
sierte. Die materiellen Interessen waren schließlich ausschlaggebend. Am
25. September 1899 wurde ich von meinem Chef entlassen. Mit seinem
Wagen ließ er mich auf die Eisenbahnstation bringen, rechtzeitig zum nächsten
Zuge nach Norden. Wir schieden als Freunde, obgleich er wohl wußte, daß
ich kaum nur ein Zuschauer des Kriegs bleiben würde. Er verstand den
Charakter der Buren und meine Zuneigung zu diesem Volte sehr gut, und
unsre Freundschaft hat durch den Krieg keinen Riß erlitten. Ich verdanke ihm


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[0224] [Abbildung] Mit den Buren im Felde Lügen Ulagner Nach dein Tagebuche eines Mitkämpfers wiedergegeben von in !och im Frühjahr 1899 glaubte niemand bei uns im Norden der Kapkolonie ernstlich um Krieg. Mit Engländern und Kapburen saß ich manchmal des Abends nach vollbrachten, Tagewerk vor unserm Häuschen, und das Gespräch wandte sich oft der Politik !zu und den Beschwerden der Uitlander. Diese Fragen wurden unes der Buren Art in einer für europäische Begriffe fast mehr als schleppenden Unterhaltung behandelt, ohne Erregtheit und ohne eine Spur von Leidenschaft. Dein Lärm der von uns gelesenen englischen Presse legten wir nicht mehr Be¬ deutung bei als dem Geschrei der Schakale, wenn diese sich nach einem von uns beendeten Jagdzuge des Nachts abseits von unserm Wachtfeuer um ein verendetes Wild oder um ein gefallncs Schaf stritten. Man sah in den Klagen über wirtschaftliche Erschwernisse nur das Geschrei vou Finanzlenten, die darüber ärgerlich sind, daß sie nicht rasch genug reich werdeu können. So wenig dachte ich selbst an Krieg, daß ich noch im Monat Juni 1899 einen auf drei Mounte berechneten Jagdausflug in die Kalahariwiiste unternahm. Wie verändert fand ich die Verhältnisse bei meiner Rückkehr! Der Krieg war unvermeidlich geworden, und ich stand nun vor einer schweren Entscheidung. Mein Freund G., ein Kapbure, und ich hatten erst kürzlich einen eignen störe, ein Handlungshaus, das im besten Gedeihen war, in der südafrikanischen Republik eröffnet. Wegen des gefährdeten Anlagekapitals erschien mein persön¬ liches Eingreifen während des zu erwartenden Kriegs dort notwendiger als hier auf englischem Gebiet, das nach unsrer aller Ansicht unberührt bleiben würde. Ich bat darum meinen Chef, einen Engländer, mich nach der süd¬ afrikanischen Republik entlassen zu wollen. Dringend riet er mir davon ab, mich in unsichere Verhältnisse zu begeben, und dieses nicht etwa aus Gegner¬ schaft für die Sache der Buren, mit denen ich, wie er wohl wußte, sympathi¬ sierte. Die materiellen Interessen waren schließlich ausschlaggebend. Am 25. September 1899 wurde ich von meinem Chef entlassen. Mit seinem Wagen ließ er mich auf die Eisenbahnstation bringen, rechtzeitig zum nächsten Zuge nach Norden. Wir schieden als Freunde, obgleich er wohl wußte, daß ich kaum nur ein Zuschauer des Kriegs bleiben würde. Er verstand den Charakter der Buren und meine Zuneigung zu diesem Volte sehr gut, und unsre Freundschaft hat durch den Krieg keinen Riß erlitten. Ich verdanke ihm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/224>, abgerufen am 05.05.2024.