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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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nur ein veraltetes Kruppgeschütz für rnuchstarkes Pulver, sodaß es beinahe
unverwendbar war, und eine Maximkanone. Schoß es einmal, dann kon¬
zentrierte sich das feindliche Artilleriefeuer sofort nach der Stelle, wo der
Rauch aufstieg, und machte eine Bedienung des Geschützes unmöglich. Am
siebenten Tage unsrer Beschießung, einem Sonntage, wurde das Artilleriefeuer
furchtbar. Von einem Ballon aus wurde es geleitet und konzentrierte sich
hauptsächlich auf die Gipfel der Kopses, wo wir zu unsrer größten Über¬
raschung -- denn wir hatten strengen Befehl, erst auf das Zeichen unsers
Kommandanten zu schießen -- ein schwaches Schützeufeuer der Unsrigen mit
rauchstarkem Pulver wahrnahmen. Später hörten wir, Cronje habe dieses an¬
geordnet, und es war zweifellos eine glückliche Idee -- vielleicht die einzige
glückliche, die er gehabt hat --, so den Feind über Stärke und Stellung zu
täuschen. Gegen Abend hörte das Feuer auf, und wir eilten, unsre Pferde zu
tränken, was die Engländer wohl für Flucht halten mochten. Die Artillerie
hatte furchtbar gewirkt; war auch im Schützengraben kein einziger Manu ge¬
troffen worden, so war die Verwüstung hinter den Kopjes unter den Pferden
um so schlimmer. Eine einzige Granate hatte z. B. fünfunddreißig Pferde,
darunter meine beiden, zerrissen, merkwürdigerweise ohne den Pferdejungen im
mindesten zu verletzen. Unsre Lebensmittel, besonders aber unsre Wassersäcke aus
Leinwand, waren mit einem grüngelben, mißfarbnen Niederschlag, der von dem
Lyddite der Geschosse.herrührte, überzogen, und alles ungenießbar geworden.

Bei den großen Verlusten an Pferden fiel es mir schwer, noch an dem¬
selben Abend den dringend notwendigen Ersatz zu erhalten; nach langem Be¬
mühen erstand ich einen Braunen für zehn Pfund Sterling, den ich unser",
Boy, der sich uach dem Verlust der ihm anvertrauten fünfunddreißig Pferde
fortgemacht hatte, jetzt aber zurück war, zur Wartung übergab. Dann kehrten
wir in die Stellung zurück.

(Fortsetzung folgt)




Altes und Neues aus der Normandie
(Fortsetzung)

Se. Waudrille

ährend des Kriegs war uns der Name Se. Waudrille unzähligemal
zu Ohren gekommen, aber gesehen hatte es niemand. Unsre Dragoner
rekognoszierten nur bis zur jetzigen Eiscnbahnhaltestelle Jmnieges,
weiter nach Ccmdebec hinunter konnten sie sich nicht wagen, weil sie
hier auf dem Wege eine Stunde lang zwischen senkrecht abfallenden
Felsen und dem breiten Fluß hätten reiten müssen und zwei Kanonen¬
ote", die dort lagen, zur ungedeckten Zielscheibe gedient hätten. Jetzt nach dreißig


nur ein veraltetes Kruppgeschütz für rnuchstarkes Pulver, sodaß es beinahe
unverwendbar war, und eine Maximkanone. Schoß es einmal, dann kon¬
zentrierte sich das feindliche Artilleriefeuer sofort nach der Stelle, wo der
Rauch aufstieg, und machte eine Bedienung des Geschützes unmöglich. Am
siebenten Tage unsrer Beschießung, einem Sonntage, wurde das Artilleriefeuer
furchtbar. Von einem Ballon aus wurde es geleitet und konzentrierte sich
hauptsächlich auf die Gipfel der Kopses, wo wir zu unsrer größten Über¬
raschung — denn wir hatten strengen Befehl, erst auf das Zeichen unsers
Kommandanten zu schießen — ein schwaches Schützeufeuer der Unsrigen mit
rauchstarkem Pulver wahrnahmen. Später hörten wir, Cronje habe dieses an¬
geordnet, und es war zweifellos eine glückliche Idee — vielleicht die einzige
glückliche, die er gehabt hat —, so den Feind über Stärke und Stellung zu
täuschen. Gegen Abend hörte das Feuer auf, und wir eilten, unsre Pferde zu
tränken, was die Engländer wohl für Flucht halten mochten. Die Artillerie
hatte furchtbar gewirkt; war auch im Schützengraben kein einziger Manu ge¬
troffen worden, so war die Verwüstung hinter den Kopjes unter den Pferden
um so schlimmer. Eine einzige Granate hatte z. B. fünfunddreißig Pferde,
darunter meine beiden, zerrissen, merkwürdigerweise ohne den Pferdejungen im
mindesten zu verletzen. Unsre Lebensmittel, besonders aber unsre Wassersäcke aus
Leinwand, waren mit einem grüngelben, mißfarbnen Niederschlag, der von dem
Lyddite der Geschosse.herrührte, überzogen, und alles ungenießbar geworden.

Bei den großen Verlusten an Pferden fiel es mir schwer, noch an dem¬
selben Abend den dringend notwendigen Ersatz zu erhalten; nach langem Be¬
mühen erstand ich einen Braunen für zehn Pfund Sterling, den ich unser»,
Boy, der sich uach dem Verlust der ihm anvertrauten fünfunddreißig Pferde
fortgemacht hatte, jetzt aber zurück war, zur Wartung übergab. Dann kehrten
wir in die Stellung zurück.

(Fortsetzung folgt)




Altes und Neues aus der Normandie
(Fortsetzung)

Se. Waudrille

ährend des Kriegs war uns der Name Se. Waudrille unzähligemal
zu Ohren gekommen, aber gesehen hatte es niemand. Unsre Dragoner
rekognoszierten nur bis zur jetzigen Eiscnbahnhaltestelle Jmnieges,
weiter nach Ccmdebec hinunter konnten sie sich nicht wagen, weil sie
hier auf dem Wege eine Stunde lang zwischen senkrecht abfallenden
Felsen und dem breiten Fluß hätten reiten müssen und zwei Kanonen¬
ote», die dort lagen, zur ungedeckten Zielscheibe gedient hätten. Jetzt nach dreißig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/231>, abgerufen am 05.05.2024.