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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches una Unmaßgebliches

thuend wirkte die Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit der deutschen Beamten
im Vergleich mit den Beamten des Auslands, In Köln hatte ich mehrstündigen
Ausenthalt, den ich dazu benutzte, mein noch sehr lmreuhaftes Äußere, das
mehr als billig die Aufmerksamkeit meiner Umgebung auf sich zog, beseitigen
zu lassen. Auch mochte ich meinen Angehörigen keinen Schreck einjagen. So
vertraute ich mich einem Friseur und einem Kleiderhändler an und bestieg,
hochmodern aussehend, den Schnellzug in meine Heimat, In Mainz leistete
ich mir wahrend des Aufenthalts in der Bahnhofrestauration einen vorzüglichen
Hasenbraten, den ersten seit vielen Jahren, O deutscher Hase, was bist du für
ein edles Tier, du edelster deiner Sippe, dn Hase der Heimat, Noch drei
Stationen, und ich war zu Hause, bei der Mutter geborgen.

Damit hat meine Geschichte ihr Ende erreicht; aber noch lange nicht hat
es die Geschichte des südafrikanischen Freiheitskampfes gethan. Möge" auch die
Republiken im Kampfe gegen die zwanzigfache englische Überlegenheit untergehn;
gewiß ist, daß der Gedanke "frei Südafrika" nicht nilsgelöscht werden kann,
und daß die Kolonie, die England zuerst vor allen verlieren wird, die ist, die
sie eben nnter riesigen Menschen- und Geldopfern kumm hat erobern können.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die unbezahlten Assessoren.

Der preußische Justizminister hob jüngst in
seinen Reden im Abgeordnetenhause hervor, daß die Assessoren jetzt durchschnittlich
über fünf Jahre auf Anstellung warten müßten. Er beklagte dies im Sinne der
Assessoren, Gewiß mit Recht. Aber in noch höherm Maße ist dies im Interesse
der Justizpflege zu beklagen. Das unbezahlte Assessorentmn ist der größte Krebs¬
schaden der Justizpflege, der an ihr frißt, nagt und sie schädigt, wenn er sie auch
nicht gerade töten kann und wird.

Wenn ein Jurist die Schwierigkeiten der Assessorprüfuug, also der großen
Staatsprüfung überstanden hat und glücklich Assessor geworden ist, so hat er ein
gewisses Bedürfnis nach Ruhe und Erholung, Ans Anstellung oder Bezahlung
seiner Thätigkeit als Hilfskraft (kommissarischer Assessor) kann er zunächst nicht
rechnen. Es wird ihm nun bei den Gerichten irgend eine unbedeutende wenig
Arbeitskraft erfordernde Thätigkeit übertrage", die einem Richter als dem ange¬
stellten Beamten abgenommen und dem Assessor "zu seiner weitern Ausbildung"
übertrage" wird. Der Assessor findet, daß dies eigentlich noch viel zu viel Arbeit
ist, da ja seine Thätigkeit vom Staate nicht entschädigt wird, und entweder der
Staat sich diese Bezahlung erspart -- was früher häufig zutraf --, oder seine
Thätigkeit einen bezahlten Beamten, einen Richter, zum Überfluß entlastet, was heute
häufiger zutrifft. Mau kann es ihm nicht gerade verdenken, daß er nicht sonder¬
lich bemüht ist, diesem Beamten, der gewissermaßen für ihn den Gehalt einstreicht,
"och mehr freie Zeit zu verschaffen und diesen noch mehr zu entlasten. Er denkt


Maßgebliches una Unmaßgebliches

thuend wirkte die Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit der deutschen Beamten
im Vergleich mit den Beamten des Auslands, In Köln hatte ich mehrstündigen
Ausenthalt, den ich dazu benutzte, mein noch sehr lmreuhaftes Äußere, das
mehr als billig die Aufmerksamkeit meiner Umgebung auf sich zog, beseitigen
zu lassen. Auch mochte ich meinen Angehörigen keinen Schreck einjagen. So
vertraute ich mich einem Friseur und einem Kleiderhändler an und bestieg,
hochmodern aussehend, den Schnellzug in meine Heimat, In Mainz leistete
ich mir wahrend des Aufenthalts in der Bahnhofrestauration einen vorzüglichen
Hasenbraten, den ersten seit vielen Jahren, O deutscher Hase, was bist du für
ein edles Tier, du edelster deiner Sippe, dn Hase der Heimat, Noch drei
Stationen, und ich war zu Hause, bei der Mutter geborgen.

Damit hat meine Geschichte ihr Ende erreicht; aber noch lange nicht hat
es die Geschichte des südafrikanischen Freiheitskampfes gethan. Möge» auch die
Republiken im Kampfe gegen die zwanzigfache englische Überlegenheit untergehn;
gewiß ist, daß der Gedanke „frei Südafrika" nicht nilsgelöscht werden kann,
und daß die Kolonie, die England zuerst vor allen verlieren wird, die ist, die
sie eben nnter riesigen Menschen- und Geldopfern kumm hat erobern können.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die unbezahlten Assessoren.

Der preußische Justizminister hob jüngst in
seinen Reden im Abgeordnetenhause hervor, daß die Assessoren jetzt durchschnittlich
über fünf Jahre auf Anstellung warten müßten. Er beklagte dies im Sinne der
Assessoren, Gewiß mit Recht. Aber in noch höherm Maße ist dies im Interesse
der Justizpflege zu beklagen. Das unbezahlte Assessorentmn ist der größte Krebs¬
schaden der Justizpflege, der an ihr frißt, nagt und sie schädigt, wenn er sie auch
nicht gerade töten kann und wird.

Wenn ein Jurist die Schwierigkeiten der Assessorprüfuug, also der großen
Staatsprüfung überstanden hat und glücklich Assessor geworden ist, so hat er ein
gewisses Bedürfnis nach Ruhe und Erholung, Ans Anstellung oder Bezahlung
seiner Thätigkeit als Hilfskraft (kommissarischer Assessor) kann er zunächst nicht
rechnen. Es wird ihm nun bei den Gerichten irgend eine unbedeutende wenig
Arbeitskraft erfordernde Thätigkeit übertrage», die einem Richter als dem ange¬
stellten Beamten abgenommen und dem Assessor „zu seiner weitern Ausbildung"
übertrage» wird. Der Assessor findet, daß dies eigentlich noch viel zu viel Arbeit
ist, da ja seine Thätigkeit vom Staate nicht entschädigt wird, und entweder der
Staat sich diese Bezahlung erspart — was früher häufig zutraf —, oder seine
Thätigkeit einen bezahlten Beamten, einen Richter, zum Überfluß entlastet, was heute
häufiger zutrifft. Mau kann es ihm nicht gerade verdenken, daß er nicht sonder¬
lich bemüht ist, diesem Beamten, der gewissermaßen für ihn den Gehalt einstreicht,
»och mehr freie Zeit zu verschaffen und diesen noch mehr zu entlasten. Er denkt


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[0341] Maßgebliches una Unmaßgebliches thuend wirkte die Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit der deutschen Beamten im Vergleich mit den Beamten des Auslands, In Köln hatte ich mehrstündigen Ausenthalt, den ich dazu benutzte, mein noch sehr lmreuhaftes Äußere, das mehr als billig die Aufmerksamkeit meiner Umgebung auf sich zog, beseitigen zu lassen. Auch mochte ich meinen Angehörigen keinen Schreck einjagen. So vertraute ich mich einem Friseur und einem Kleiderhändler an und bestieg, hochmodern aussehend, den Schnellzug in meine Heimat, In Mainz leistete ich mir wahrend des Aufenthalts in der Bahnhofrestauration einen vorzüglichen Hasenbraten, den ersten seit vielen Jahren, O deutscher Hase, was bist du für ein edles Tier, du edelster deiner Sippe, dn Hase der Heimat, Noch drei Stationen, und ich war zu Hause, bei der Mutter geborgen. Damit hat meine Geschichte ihr Ende erreicht; aber noch lange nicht hat es die Geschichte des südafrikanischen Freiheitskampfes gethan. Möge» auch die Republiken im Kampfe gegen die zwanzigfache englische Überlegenheit untergehn; gewiß ist, daß der Gedanke „frei Südafrika" nicht nilsgelöscht werden kann, und daß die Kolonie, die England zuerst vor allen verlieren wird, die ist, die sie eben nnter riesigen Menschen- und Geldopfern kumm hat erobern können. Maßgebliches und Unmaßgebliches Die unbezahlten Assessoren. Der preußische Justizminister hob jüngst in seinen Reden im Abgeordnetenhause hervor, daß die Assessoren jetzt durchschnittlich über fünf Jahre auf Anstellung warten müßten. Er beklagte dies im Sinne der Assessoren, Gewiß mit Recht. Aber in noch höherm Maße ist dies im Interesse der Justizpflege zu beklagen. Das unbezahlte Assessorentmn ist der größte Krebs¬ schaden der Justizpflege, der an ihr frißt, nagt und sie schädigt, wenn er sie auch nicht gerade töten kann und wird. Wenn ein Jurist die Schwierigkeiten der Assessorprüfuug, also der großen Staatsprüfung überstanden hat und glücklich Assessor geworden ist, so hat er ein gewisses Bedürfnis nach Ruhe und Erholung, Ans Anstellung oder Bezahlung seiner Thätigkeit als Hilfskraft (kommissarischer Assessor) kann er zunächst nicht rechnen. Es wird ihm nun bei den Gerichten irgend eine unbedeutende wenig Arbeitskraft erfordernde Thätigkeit übertrage», die einem Richter als dem ange¬ stellten Beamten abgenommen und dem Assessor „zu seiner weitern Ausbildung" übertrage» wird. Der Assessor findet, daß dies eigentlich noch viel zu viel Arbeit ist, da ja seine Thätigkeit vom Staate nicht entschädigt wird, und entweder der Staat sich diese Bezahlung erspart — was früher häufig zutraf —, oder seine Thätigkeit einen bezahlten Beamten, einen Richter, zum Überfluß entlastet, was heute häufiger zutrifft. Mau kann es ihm nicht gerade verdenken, daß er nicht sonder¬ lich bemüht ist, diesem Beamten, der gewissermaßen für ihn den Gehalt einstreicht, »och mehr freie Zeit zu verschaffen und diesen noch mehr zu entlasten. Er denkt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/341>, abgerufen am 05.05.2024.