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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Trumpf gewesen wie zur Ottonenzeit. Am königlichen Hofe wimmelte es von
Prälaten, Die Bischöfe wurden die vornehmsten Inhaber der Grafenrechte,
Eine Heeresmatrikel aus der Zeit Ottos II,, die ein Zufall erhalten hat,
beweist, daß die deutscheu Könige fast ausschließlich mit Kontingenten geist¬
licher Großen nach Italien gezogen sind. Auf die Dauer konnte dieser Bund
bei der innern Wesensverschiedenhcit von Staat und Kirche doch nicht ersprießlich
sein. Als unter Gregor VII. die innerlich erstarkte Kirche die staatliche Be¬
vormundung abzuschütteln suchte, da sah sich mit einemmal das Königtum eiuer
zwiefachen Front gegenüber: das Papsttum schloß seinen Blind mit den auf¬
rührerischen Großen des Reichs. In diesem ungleichen Kampfe sind die mittel¬
alterlichen Könige unterlegen. -- Friedrich I. unternahm noch einmal den
Versuch, das schon wankende Königtum zu befestigen. Er zerlegte, soweit er
es vermochte, die großen Herzogtümer, insbesondre das umfangreiche sächsische,
in eine Anzahl von Territorien, hoffend, daß die Könige mit einer Menge
von kleinen Gewalten besser fertig werden würden als mit wenigen großen.
Aber es ging ihn? wie dem Goethischen Zauberlehrling, der durch das Zer¬
schlagen des Besens das Unheil nur verschlimmert. Schon Friedrich it. -- der¬
selbe Herrscher, der im süditalischen Normannenreiche den modernen absolu¬
tistischen Beamtenstaat vorbildlich geschaffen hat ^ hat durch die oonstiwtio
in tavorein xrinoipunr die staatliche Zerrissenheit Deutschlands urkundlich
sanktioniert. Es ist ein Akt bewußter Resignation,

(Schluß folgt)




Regierungspräsident und Oberregierungsrat

le Organisation der Regierungen in Preußen hat durch das
Landesverwaltungsgesetz vom 30. Juli 1883 eine Änderung er¬
fahren, die die bis dahin klar festgestellte Kompetenz und die
dienstliche Stellung der Regierungspräsidenten ins Schwanken
gebracht und verschiednen Auffassungen über die Stellung des
ihm nach diesem Gesetz beigegebnen Oberregierungsrats hervorgerufen hat. Die
Meinungsverschiedenheiten äußern ihren Einfluß nicht nur auf den Dienst¬
betrieb, sondern auch auf das kollegialische Verhältnis, insofern sie bedauer¬
licherweise zu Friktiouen unter den Mitgliedern der Regierung Veranlassung
geben, die bis dcchiu nicht entstehn konnten. Das frühere, durch Ncmg-
verhültnisse nicht getrübte kollegiale Zusammenwirken der Regierungsmitglieder
hat infolgedessen gelitten, ein Mißstand, der auch nach außen hin das Ansehen
und die Autorität der Behörde zu schädigen geeignet ist. Wir möchten hier
die Ansicht vertreten, daß zu einer verschiednen Auslegung deS neuen Gesetzes


Grenzboten N 1901 8

Trumpf gewesen wie zur Ottonenzeit. Am königlichen Hofe wimmelte es von
Prälaten, Die Bischöfe wurden die vornehmsten Inhaber der Grafenrechte,
Eine Heeresmatrikel aus der Zeit Ottos II,, die ein Zufall erhalten hat,
beweist, daß die deutscheu Könige fast ausschließlich mit Kontingenten geist¬
licher Großen nach Italien gezogen sind. Auf die Dauer konnte dieser Bund
bei der innern Wesensverschiedenhcit von Staat und Kirche doch nicht ersprießlich
sein. Als unter Gregor VII. die innerlich erstarkte Kirche die staatliche Be¬
vormundung abzuschütteln suchte, da sah sich mit einemmal das Königtum eiuer
zwiefachen Front gegenüber: das Papsttum schloß seinen Blind mit den auf¬
rührerischen Großen des Reichs. In diesem ungleichen Kampfe sind die mittel¬
alterlichen Könige unterlegen. — Friedrich I. unternahm noch einmal den
Versuch, das schon wankende Königtum zu befestigen. Er zerlegte, soweit er
es vermochte, die großen Herzogtümer, insbesondre das umfangreiche sächsische,
in eine Anzahl von Territorien, hoffend, daß die Könige mit einer Menge
von kleinen Gewalten besser fertig werden würden als mit wenigen großen.
Aber es ging ihn? wie dem Goethischen Zauberlehrling, der durch das Zer¬
schlagen des Besens das Unheil nur verschlimmert. Schon Friedrich it. — der¬
selbe Herrscher, der im süditalischen Normannenreiche den modernen absolu¬
tistischen Beamtenstaat vorbildlich geschaffen hat ^ hat durch die oonstiwtio
in tavorein xrinoipunr die staatliche Zerrissenheit Deutschlands urkundlich
sanktioniert. Es ist ein Akt bewußter Resignation,

(Schluß folgt)




Regierungspräsident und Oberregierungsrat

le Organisation der Regierungen in Preußen hat durch das
Landesverwaltungsgesetz vom 30. Juli 1883 eine Änderung er¬
fahren, die die bis dahin klar festgestellte Kompetenz und die
dienstliche Stellung der Regierungspräsidenten ins Schwanken
gebracht und verschiednen Auffassungen über die Stellung des
ihm nach diesem Gesetz beigegebnen Oberregierungsrats hervorgerufen hat. Die
Meinungsverschiedenheiten äußern ihren Einfluß nicht nur auf den Dienst¬
betrieb, sondern auch auf das kollegialische Verhältnis, insofern sie bedauer¬
licherweise zu Friktiouen unter den Mitgliedern der Regierung Veranlassung
geben, die bis dcchiu nicht entstehn konnten. Das frühere, durch Ncmg-
verhültnisse nicht getrübte kollegiale Zusammenwirken der Regierungsmitglieder
hat infolgedessen gelitten, ein Mißstand, der auch nach außen hin das Ansehen
und die Autorität der Behörde zu schädigen geeignet ist. Wir möchten hier
die Ansicht vertreten, daß zu einer verschiednen Auslegung deS neuen Gesetzes


Grenzboten N 1901 8
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/65>, abgerufen am 05.05.2024.