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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Mißgeschick, das sie getroffen hat. Beim Besprechen der Ereignisse des
Novembers 1640 gesteht er in dem Essay über Haupten, es sei nicht leicht,
die Kränkungen und Demütigungen, die der Tyrann -- Karl I. ist gemeint --
jetzt zu erdulden hatte, zu berichten vntbout g. ksölivZ ok vincliotivs xlsasuro.
Und dieselbe Wendung braucht er auch in seiner Geschichte, in der er sich sonst
viel zurückhaltender mit seiner persönlichen Teilnahme an dem Berichteten zeigt,
als in den Essays, Von der Festnahme des Oberrichters Jeffreys, der das
Werkzeug Jakobs II, bei so vielen Justizmorden gewesen war, spricht er als
von einem Ereignis viiion, Sohn kek this clistanoo 0k tiinö vim na-rät^ be
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(Schluß folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Von der religiösen Gärung.

Unzählige edle Geister arbeiten daran,
das religiöse Bedürfnis mit dem wissenschaftlichen Bewußtsein zu versöhnen und
eine neue Kirchenform zu finden, die den Massen und den Hochgebildeten gleicher¬
weise genügen könnte. Zu den besten Schriften dieser Art gehört Der Weg zu
Gott für unser Geschlecht von Dr. Adolf Völliger, den wir im dritten Bande
des Jahrgangs 1899, Seite 238 empfohlen haben. Wenn man auch nicht in dem
Grade wie er der Entwicklungstheorie huldigt und über den Gang der Entwicklung
der Menschheit, die seiner Ansicht nach zum Gottesreich führt, weniger optimistisch
denkt, so bleibt doch seine Hauptleistung: daß er Gottes Walten in Natur und
Menschheit sozusagen evident macht, unanfechtbar. Und in der vorliegenden zweiten,
neu bearbeiteten Auflage des Buchs (Frauenfeld, I. Huber, 1900) wirken seine
Erfahrungsbeweise noch stärker. Bei der großen Zahl verwandter Erscheinungen
darf man als das vorläufige Ergebnis der Gärung bezeichnen: Die Gefahr, die
um die Mitte des vorigen Jahrhunderts zu drohen schien, daß die Wissenschaft den
Glauben unmöglich machen, und die Masse der Gebildeten dem Atheismus verfallen
werde, ist vorüber; wir sind zu den Anschauungen der rationalistischen Theisten des
achtzehnten Jahrhunderts zurückgekehrt, die wir mit den wissenschaftlichen Errungen¬
schaften des neunzehnten bereichern und ausgestalten. Es entspricht diesem Stande
der Dinge, daß auch ältere Schriften dieser Richtung wieder Beachtung finden. So
ist (bei Leopold Voß, Hamburg und Leipzig, 1900) eine neue, die vierte Auflage
des Büchleins vom Leben nach dem Tode erschienen, das Gustav Theodor
Fechner 1836 unter dem Pseudonym Mises veröffentlicht hat. Für Fechner ist
das Jenseits eine naturwissenschaftlich erwiesene Thatsache: das Sterben entspricht
dem Geborenwerden; der Leib ist für den Geist, was die Placenta für den Embryo,
und muß deshalb selbstverständlich, nachdem er seine Bestimmung erfüllt hat, bei
der zweiten Geburt, der Geburt des Geistes, zerfallen.

Sind wir also in Beziehung auf Gott, Weltregierung und Unsterblichkeit so
ziemlich im reinen, so ist dafür die Verwirrung auf dem Gebiete der Christologie
und der Lehre von der Kirche und der Erlösung desto ärger. Die Orthodoxen


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Mißgeschick, das sie getroffen hat. Beim Besprechen der Ereignisse des
Novembers 1640 gesteht er in dem Essay über Haupten, es sei nicht leicht,
die Kränkungen und Demütigungen, die der Tyrann — Karl I. ist gemeint —
jetzt zu erdulden hatte, zu berichten vntbout g. ksölivZ ok vincliotivs xlsasuro.
Und dieselbe Wendung braucht er auch in seiner Geschichte, in der er sich sonst
viel zurückhaltender mit seiner persönlichen Teilnahme an dem Berichteten zeigt,
als in den Essays, Von der Festnahme des Oberrichters Jeffreys, der das
Werkzeug Jakobs II, bei so vielen Justizmorden gewesen war, spricht er als
von einem Ereignis viiion, Sohn kek this clistanoo 0k tiinö vim na-rät^ be
rkliltöä vvitlrout g. löölinA ot' vinäiotivo plss-fürs.

(Schluß folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Von der religiösen Gärung.

Unzählige edle Geister arbeiten daran,
das religiöse Bedürfnis mit dem wissenschaftlichen Bewußtsein zu versöhnen und
eine neue Kirchenform zu finden, die den Massen und den Hochgebildeten gleicher¬
weise genügen könnte. Zu den besten Schriften dieser Art gehört Der Weg zu
Gott für unser Geschlecht von Dr. Adolf Völliger, den wir im dritten Bande
des Jahrgangs 1899, Seite 238 empfohlen haben. Wenn man auch nicht in dem
Grade wie er der Entwicklungstheorie huldigt und über den Gang der Entwicklung
der Menschheit, die seiner Ansicht nach zum Gottesreich führt, weniger optimistisch
denkt, so bleibt doch seine Hauptleistung: daß er Gottes Walten in Natur und
Menschheit sozusagen evident macht, unanfechtbar. Und in der vorliegenden zweiten,
neu bearbeiteten Auflage des Buchs (Frauenfeld, I. Huber, 1900) wirken seine
Erfahrungsbeweise noch stärker. Bei der großen Zahl verwandter Erscheinungen
darf man als das vorläufige Ergebnis der Gärung bezeichnen: Die Gefahr, die
um die Mitte des vorigen Jahrhunderts zu drohen schien, daß die Wissenschaft den
Glauben unmöglich machen, und die Masse der Gebildeten dem Atheismus verfallen
werde, ist vorüber; wir sind zu den Anschauungen der rationalistischen Theisten des
achtzehnten Jahrhunderts zurückgekehrt, die wir mit den wissenschaftlichen Errungen¬
schaften des neunzehnten bereichern und ausgestalten. Es entspricht diesem Stande
der Dinge, daß auch ältere Schriften dieser Richtung wieder Beachtung finden. So
ist (bei Leopold Voß, Hamburg und Leipzig, 1900) eine neue, die vierte Auflage
des Büchleins vom Leben nach dem Tode erschienen, das Gustav Theodor
Fechner 1836 unter dem Pseudonym Mises veröffentlicht hat. Für Fechner ist
das Jenseits eine naturwissenschaftlich erwiesene Thatsache: das Sterben entspricht
dem Geborenwerden; der Leib ist für den Geist, was die Placenta für den Embryo,
und muß deshalb selbstverständlich, nachdem er seine Bestimmung erfüllt hat, bei
der zweiten Geburt, der Geburt des Geistes, zerfallen.

Sind wir also in Beziehung auf Gott, Weltregierung und Unsterblichkeit so
ziemlich im reinen, so ist dafür die Verwirrung auf dem Gebiete der Christologie
und der Lehre von der Kirche und der Erlösung desto ärger. Die Orthodoxen


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[0094] Maßgebliches und Unmaßgebliches Mißgeschick, das sie getroffen hat. Beim Besprechen der Ereignisse des Novembers 1640 gesteht er in dem Essay über Haupten, es sei nicht leicht, die Kränkungen und Demütigungen, die der Tyrann — Karl I. ist gemeint — jetzt zu erdulden hatte, zu berichten vntbout g. ksölivZ ok vincliotivs xlsasuro. Und dieselbe Wendung braucht er auch in seiner Geschichte, in der er sich sonst viel zurückhaltender mit seiner persönlichen Teilnahme an dem Berichteten zeigt, als in den Essays, Von der Festnahme des Oberrichters Jeffreys, der das Werkzeug Jakobs II, bei so vielen Justizmorden gewesen war, spricht er als von einem Ereignis viiion, Sohn kek this clistanoo 0k tiinö vim na-rät^ be rkliltöä vvitlrout g. löölinA ot' vinäiotivo plss-fürs. (Schluß folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Von der religiösen Gärung. Unzählige edle Geister arbeiten daran, das religiöse Bedürfnis mit dem wissenschaftlichen Bewußtsein zu versöhnen und eine neue Kirchenform zu finden, die den Massen und den Hochgebildeten gleicher¬ weise genügen könnte. Zu den besten Schriften dieser Art gehört Der Weg zu Gott für unser Geschlecht von Dr. Adolf Völliger, den wir im dritten Bande des Jahrgangs 1899, Seite 238 empfohlen haben. Wenn man auch nicht in dem Grade wie er der Entwicklungstheorie huldigt und über den Gang der Entwicklung der Menschheit, die seiner Ansicht nach zum Gottesreich führt, weniger optimistisch denkt, so bleibt doch seine Hauptleistung: daß er Gottes Walten in Natur und Menschheit sozusagen evident macht, unanfechtbar. Und in der vorliegenden zweiten, neu bearbeiteten Auflage des Buchs (Frauenfeld, I. Huber, 1900) wirken seine Erfahrungsbeweise noch stärker. Bei der großen Zahl verwandter Erscheinungen darf man als das vorläufige Ergebnis der Gärung bezeichnen: Die Gefahr, die um die Mitte des vorigen Jahrhunderts zu drohen schien, daß die Wissenschaft den Glauben unmöglich machen, und die Masse der Gebildeten dem Atheismus verfallen werde, ist vorüber; wir sind zu den Anschauungen der rationalistischen Theisten des achtzehnten Jahrhunderts zurückgekehrt, die wir mit den wissenschaftlichen Errungen¬ schaften des neunzehnten bereichern und ausgestalten. Es entspricht diesem Stande der Dinge, daß auch ältere Schriften dieser Richtung wieder Beachtung finden. So ist (bei Leopold Voß, Hamburg und Leipzig, 1900) eine neue, die vierte Auflage des Büchleins vom Leben nach dem Tode erschienen, das Gustav Theodor Fechner 1836 unter dem Pseudonym Mises veröffentlicht hat. Für Fechner ist das Jenseits eine naturwissenschaftlich erwiesene Thatsache: das Sterben entspricht dem Geborenwerden; der Leib ist für den Geist, was die Placenta für den Embryo, und muß deshalb selbstverständlich, nachdem er seine Bestimmung erfüllt hat, bei der zweiten Geburt, der Geburt des Geistes, zerfallen. Sind wir also in Beziehung auf Gott, Weltregierung und Unsterblichkeit so ziemlich im reinen, so ist dafür die Verwirrung auf dem Gebiete der Christologie und der Lehre von der Kirche und der Erlösung desto ärger. Die Orthodoxen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/94>, abgerufen am 05.05.2024.