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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Während sie dies sagte, schaute ich zufällig nach der öffnen Thüre nud sah
den Büttel den Burgweg herunter kommen, aber ich sah auch, wie Valentin bei
Knnigundens Worten todesblaß wurde.

Der Büttel tappte jetzt über die Schwelle, blieb stehn und sah sich um.
Schmunzelnd betrachtete er die beiden Mädchen und sagte: Bei euch gehts lustig zu!

Dann fragte er: Ist der Kitzelstecken fertig?

Valentin legte das Schwert in seine Scheide und überreichte es dem Büttel.

Der nahm es und fragte:

Seid Ihr nicht der Valentin Herbert aus Mainz?

Der bin ich; was solls?

O nichts, sagte der Büttel und sah Valentin freundlich um. Unsereins muß
einen jeden kennen, von Amts wegen.

Dann zog er das Eisen heraus und betrachtete die blitzende Schneide.

Hut! rief er und zog die Schultern in die Höhe. Er stieß das Eisen schnell
wieder in die Scheide. Dann wog er das Schwert in beiden Händen.

Schwer ists! Aber der Kerl hat auch einen Nacken wie ein Stier. -- Wohl
bekomms! Wohl bekomms! -- So! Jetzt kann ich wieder gehn. -- Viel Ver¬
gnügen miteinander!

Während der Büttel zur Thür hinaus polterte, trat Kunigunde zu Valentin.
Auch sie war blaß geworden.

Ihr wißt jetzt, wobei ihr mir helfen sollt, seid um sechs Uhr im Turm.
Und -- sie betrachtete ihn vom Kopf bis zu den Füßen -- . . . ich habe mein
NnchtmalMeid angelegt.

Als sie, von ihrer Gespielin begleitet, weggegangen war, arbeiteten wir schwelgend,
jeder rin seinen Gedanken beschäftigt.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die chinesische Kriegsbeute in Frankreich.

Nicht nur außerhalb Frank¬
reichs, sondern in Frankreich selbst hat die Nachricht, daß in Toulon der Ertrag
ans der chinesischen Kriegsbeute an Unteroffiziere und Soldaten der Kolonialtrnppen
verteilt worden sei, großes Aufsehen erregt. Es wurden deshalb Anfragen an das
Kriegsministerium gerichtet, und die erste Auskunft, die erteilt wurde, lautete dahin,
daß die ganze Nachricht auf einem Irrtum oder doch auf einer Verwechslung be¬
ruhe. Die durch eiuen Zahlmeister ohne höhere Genehmigung an einzelne Mann¬
schaften gelieferten Geldcmweisnugen stammten durchaus nicht aus dem Erlös von
Kriegsbeute, sondern sie seien Privateigentum der Empfänger. Trotzdem gewann
das Gerücht an Boden durch die Nachricht, daß General Corouuat, der Kommandeur
der Kolouialtruppeudivisiou, eine Untersuchung über die Angelegenheit angeordnet
habe. Unter diesen Uniständen hielt es die französische Presse für ihr Recht und
ihre Pflicht, der Sache auch ihrerseits näher zu treten. Sie wies darauf hin, daß
schon vor mehreren Wochen eine große Sendung von Kriegsbeute für General Fred
aus China in Frankreich eingetroffen wäre, deren größter Teil allerdings für die
Regierung bestimmt gewesen, aber von dieser wieder nach China zurückerstattet worden
sei, wo sie in den letzte" Tagen auch eingetroffen sein solle. Unter diesen Umständen
erscheine es doch sehr glaubhaft, daß auch andre dein Beispiele dieses Generals ge-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Während sie dies sagte, schaute ich zufällig nach der öffnen Thüre nud sah
den Büttel den Burgweg herunter kommen, aber ich sah auch, wie Valentin bei
Knnigundens Worten todesblaß wurde.

Der Büttel tappte jetzt über die Schwelle, blieb stehn und sah sich um.
Schmunzelnd betrachtete er die beiden Mädchen und sagte: Bei euch gehts lustig zu!

Dann fragte er: Ist der Kitzelstecken fertig?

Valentin legte das Schwert in seine Scheide und überreichte es dem Büttel.

Der nahm es und fragte:

Seid Ihr nicht der Valentin Herbert aus Mainz?

Der bin ich; was solls?

O nichts, sagte der Büttel und sah Valentin freundlich um. Unsereins muß
einen jeden kennen, von Amts wegen.

Dann zog er das Eisen heraus und betrachtete die blitzende Schneide.

Hut! rief er und zog die Schultern in die Höhe. Er stieß das Eisen schnell
wieder in die Scheide. Dann wog er das Schwert in beiden Händen.

Schwer ists! Aber der Kerl hat auch einen Nacken wie ein Stier. — Wohl
bekomms! Wohl bekomms! — So! Jetzt kann ich wieder gehn. — Viel Ver¬
gnügen miteinander!

Während der Büttel zur Thür hinaus polterte, trat Kunigunde zu Valentin.
Auch sie war blaß geworden.

Ihr wißt jetzt, wobei ihr mir helfen sollt, seid um sechs Uhr im Turm.
Und — sie betrachtete ihn vom Kopf bis zu den Füßen — . . . ich habe mein
NnchtmalMeid angelegt.

Als sie, von ihrer Gespielin begleitet, weggegangen war, arbeiteten wir schwelgend,
jeder rin seinen Gedanken beschäftigt.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die chinesische Kriegsbeute in Frankreich.

Nicht nur außerhalb Frank¬
reichs, sondern in Frankreich selbst hat die Nachricht, daß in Toulon der Ertrag
ans der chinesischen Kriegsbeute an Unteroffiziere und Soldaten der Kolonialtrnppen
verteilt worden sei, großes Aufsehen erregt. Es wurden deshalb Anfragen an das
Kriegsministerium gerichtet, und die erste Auskunft, die erteilt wurde, lautete dahin,
daß die ganze Nachricht auf einem Irrtum oder doch auf einer Verwechslung be¬
ruhe. Die durch eiuen Zahlmeister ohne höhere Genehmigung an einzelne Mann¬
schaften gelieferten Geldcmweisnugen stammten durchaus nicht aus dem Erlös von
Kriegsbeute, sondern sie seien Privateigentum der Empfänger. Trotzdem gewann
das Gerücht an Boden durch die Nachricht, daß General Corouuat, der Kommandeur
der Kolouialtruppeudivisiou, eine Untersuchung über die Angelegenheit angeordnet
habe. Unter diesen Uniständen hielt es die französische Presse für ihr Recht und
ihre Pflicht, der Sache auch ihrerseits näher zu treten. Sie wies darauf hin, daß
schon vor mehreren Wochen eine große Sendung von Kriegsbeute für General Fred
aus China in Frankreich eingetroffen wäre, deren größter Teil allerdings für die
Regierung bestimmt gewesen, aber von dieser wieder nach China zurückerstattet worden
sei, wo sie in den letzte« Tagen auch eingetroffen sein solle. Unter diesen Umständen
erscheine es doch sehr glaubhaft, daß auch andre dein Beispiele dieses Generals ge-


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[0101] Maßgebliches und Unmaßgebliches Während sie dies sagte, schaute ich zufällig nach der öffnen Thüre nud sah den Büttel den Burgweg herunter kommen, aber ich sah auch, wie Valentin bei Knnigundens Worten todesblaß wurde. Der Büttel tappte jetzt über die Schwelle, blieb stehn und sah sich um. Schmunzelnd betrachtete er die beiden Mädchen und sagte: Bei euch gehts lustig zu! Dann fragte er: Ist der Kitzelstecken fertig? Valentin legte das Schwert in seine Scheide und überreichte es dem Büttel. Der nahm es und fragte: Seid Ihr nicht der Valentin Herbert aus Mainz? Der bin ich; was solls? O nichts, sagte der Büttel und sah Valentin freundlich um. Unsereins muß einen jeden kennen, von Amts wegen. Dann zog er das Eisen heraus und betrachtete die blitzende Schneide. Hut! rief er und zog die Schultern in die Höhe. Er stieß das Eisen schnell wieder in die Scheide. Dann wog er das Schwert in beiden Händen. Schwer ists! Aber der Kerl hat auch einen Nacken wie ein Stier. — Wohl bekomms! Wohl bekomms! — So! Jetzt kann ich wieder gehn. — Viel Ver¬ gnügen miteinander! Während der Büttel zur Thür hinaus polterte, trat Kunigunde zu Valentin. Auch sie war blaß geworden. Ihr wißt jetzt, wobei ihr mir helfen sollt, seid um sechs Uhr im Turm. Und — sie betrachtete ihn vom Kopf bis zu den Füßen — . . . ich habe mein NnchtmalMeid angelegt. Als sie, von ihrer Gespielin begleitet, weggegangen war, arbeiteten wir schwelgend, jeder rin seinen Gedanken beschäftigt. (Fortsetzung folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Die chinesische Kriegsbeute in Frankreich. Nicht nur außerhalb Frank¬ reichs, sondern in Frankreich selbst hat die Nachricht, daß in Toulon der Ertrag ans der chinesischen Kriegsbeute an Unteroffiziere und Soldaten der Kolonialtrnppen verteilt worden sei, großes Aufsehen erregt. Es wurden deshalb Anfragen an das Kriegsministerium gerichtet, und die erste Auskunft, die erteilt wurde, lautete dahin, daß die ganze Nachricht auf einem Irrtum oder doch auf einer Verwechslung be¬ ruhe. Die durch eiuen Zahlmeister ohne höhere Genehmigung an einzelne Mann¬ schaften gelieferten Geldcmweisnugen stammten durchaus nicht aus dem Erlös von Kriegsbeute, sondern sie seien Privateigentum der Empfänger. Trotzdem gewann das Gerücht an Boden durch die Nachricht, daß General Corouuat, der Kommandeur der Kolouialtruppeudivisiou, eine Untersuchung über die Angelegenheit angeordnet habe. Unter diesen Uniständen hielt es die französische Presse für ihr Recht und ihre Pflicht, der Sache auch ihrerseits näher zu treten. Sie wies darauf hin, daß schon vor mehreren Wochen eine große Sendung von Kriegsbeute für General Fred aus China in Frankreich eingetroffen wäre, deren größter Teil allerdings für die Regierung bestimmt gewesen, aber von dieser wieder nach China zurückerstattet worden sei, wo sie in den letzte« Tagen auch eingetroffen sein solle. Unter diesen Umständen erscheine es doch sehr glaubhaft, daß auch andre dein Beispiele dieses Generals ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/101>, abgerufen am 28.04.2024.