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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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wenigsten dank der Vorarbeit Gottscheds) auf einer achtunggebietenden Höhe;
und sie werden sich selbst am besten dadurch ehren, daß sie Gottsched auch in
ihrer Fachwissenschaft seine reichlich verdiente Ehre geben. Jedenfalls wird
es fortan eine Ehrensache für die Vertreter der Wortwissenschaft bleiben, dem
deutschen Volke ein Wörterbuch zu schaffen, das zugleich für ein Denkmal der
Thätigkeit des Sprachmeisters Gottsched wird gelten dürfen.




Lin Brief Goethes

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^HM^IM hohen Alter sich umzusehen welche Freunde das Schicksal
^uns in dem auflösenden Laufe der Zeit noch übriggelassen, und
sogar unmittelbar zu vernehmen daß Sie unsrer, in alter treuer
Liebe, gedenken, ist durchaus das Erwünschteste was uns be¬
gegnen kann. Nehmen Sie, verehrte Frau, meinen freudigen
Dank für die würdige Sendung und die begleitenden theuren Worte.

Zu ernsten Betrachtungen gaben mir diese Bände Gelegenheit, indem mir
dadurch die Erinnerung unmittelbar aufgeweckt wurde mit welchem Ernst der
treffliche Freund sein Leben verwendete, um solche gränzenlosen Einzelnheiten
zu entwirren und einen unübersehbaren Zustand dem Geiste des Beobachters
einigermaßen faßlich zu machen.

Wenn ich Sie beyde mit den lieben Ihrigen manchmal, gedankenweiß, in
jenen freundlichen Gegenden besuchte, wo Sie Sich eiuen, alle Behaglichkeit
versprechenden Sitz gewählt und erworben hatten; so ist es mir desto schmerz¬
licher, Sie nun, einsam, in Ihre Wohnung zu Göttingen hingewiesen und da¬
selbst uicht in dem gesundesten Zustande zu denken.

Doch Sie tragen dies alles übermännlich und sehen dabey aufgerichtet
Ihre lieben Kinder wünschenswert!) herangewachsen, die Tochter zu unmittel¬
barer liebevoller Erleichterung, die Söhne wissenschaftlich und thätig vorstrebend.

Möge alles diesen Lieblingen gegönnte Gute auch Ihnen gemüthlich zu
Hülfe kommen, und eine leidliche Gesundheit Ihnen den Genuß der beschiedenen
Tage freundlich vergönnen. Gedenken Sie mein, der auf seine alte Weise
fortfährt; träten Sie als wohlwollender Gast, wie sonst, bey mir ein, so
würden Sie kaum eine Veränderung finden. Ein paar colossale Gypsbilder
'"ehr, sonst aber das alte Bekannte, an alter bekannter Stelle.

Mein Thun und Wirken der letzten Jahre liegt im Druck offen dn,
weine Freunde vorzüglich begrüßend und den Unwandelbaren empfehlend;
wo mit denn geschlossen sey alle herzlichen Segnungen wiederholt hinzu-
^'got. in treuer Anhänglichkeit

Weimar, den 12. August 1830.


JW. Goethe.

wenigsten dank der Vorarbeit Gottscheds) auf einer achtunggebietenden Höhe;
und sie werden sich selbst am besten dadurch ehren, daß sie Gottsched auch in
ihrer Fachwissenschaft seine reichlich verdiente Ehre geben. Jedenfalls wird
es fortan eine Ehrensache für die Vertreter der Wortwissenschaft bleiben, dem
deutschen Volke ein Wörterbuch zu schaffen, das zugleich für ein Denkmal der
Thätigkeit des Sprachmeisters Gottsched wird gelten dürfen.




Lin Brief Goethes

l^WV
^HM^IM hohen Alter sich umzusehen welche Freunde das Schicksal
^uns in dem auflösenden Laufe der Zeit noch übriggelassen, und
sogar unmittelbar zu vernehmen daß Sie unsrer, in alter treuer
Liebe, gedenken, ist durchaus das Erwünschteste was uns be¬
gegnen kann. Nehmen Sie, verehrte Frau, meinen freudigen
Dank für die würdige Sendung und die begleitenden theuren Worte.

Zu ernsten Betrachtungen gaben mir diese Bände Gelegenheit, indem mir
dadurch die Erinnerung unmittelbar aufgeweckt wurde mit welchem Ernst der
treffliche Freund sein Leben verwendete, um solche gränzenlosen Einzelnheiten
zu entwirren und einen unübersehbaren Zustand dem Geiste des Beobachters
einigermaßen faßlich zu machen.

Wenn ich Sie beyde mit den lieben Ihrigen manchmal, gedankenweiß, in
jenen freundlichen Gegenden besuchte, wo Sie Sich eiuen, alle Behaglichkeit
versprechenden Sitz gewählt und erworben hatten; so ist es mir desto schmerz¬
licher, Sie nun, einsam, in Ihre Wohnung zu Göttingen hingewiesen und da¬
selbst uicht in dem gesundesten Zustande zu denken.

Doch Sie tragen dies alles übermännlich und sehen dabey aufgerichtet
Ihre lieben Kinder wünschenswert!) herangewachsen, die Tochter zu unmittel¬
barer liebevoller Erleichterung, die Söhne wissenschaftlich und thätig vorstrebend.

Möge alles diesen Lieblingen gegönnte Gute auch Ihnen gemüthlich zu
Hülfe kommen, und eine leidliche Gesundheit Ihnen den Genuß der beschiedenen
Tage freundlich vergönnen. Gedenken Sie mein, der auf seine alte Weise
fortfährt; träten Sie als wohlwollender Gast, wie sonst, bey mir ein, so
würden Sie kaum eine Veränderung finden. Ein paar colossale Gypsbilder
'"ehr, sonst aber das alte Bekannte, an alter bekannter Stelle.

Mein Thun und Wirken der letzten Jahre liegt im Druck offen dn,
weine Freunde vorzüglich begrüßend und den Unwandelbaren empfehlend;
wo mit denn geschlossen sey alle herzlichen Segnungen wiederholt hinzu-
^'got. in treuer Anhänglichkeit

Weimar, den 12. August 1830.


JW. Goethe.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/383>, abgerufen am 27.04.2024.