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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die Anfänge der holländischen Landschaftsmalerei

in der Auferstehung Jesu ein den Tag gekommnen neuen Lebens sind viel zu
eigenartig, viel zu gründlich das Alte umgestaltend und Neues, bis dahin Un¬
erhörtes an den Tag bringend, viel zu praktisch eingreifend ins Leben, viel
zu nüchtern in der Beurteilung der Verhältnisse und sittlichen Werte durch die
Christen, als daß man sie aus Entzückungen und Träumereien ableiten könnte";
er zog es deshalb vor, die Frage der Auferstehung Christi überhaupt nicht
zur Diskussion zu stellen, indem er sich außer stände erklärte, der Autorität
des Paulus gegenüber die kritischen Voraussetzungen seines Systems geltend
zu machen.

Er hat damit freilich in unzweideutiger Weise die Grenze bezeichnet, wo
für ihn das Paktieren mit der modernen Weltanschauung aufhört; da er aber
selbst wieder über diese Grenze hinausgegangen ist, indem er, wie wir oben
gesehen haben, an der paulinischen Rechtfertigungslehre einschneidende .Kritik
übt und sogar ausdrücklich erklärt, daß "des Paulus Lehre vou Christus
doch uicht Christus selber" sei is. 88), dürfen wir Wohl daran festhalten, daß
er sich im vorliegenden Falle nur deshalb auf Paulus berufen hat, weil es
ihm unmöglich erscheint, das in dem eben angeführten Zitate geschilderte
"neue Leben" ohne die Annahme der objektiven Auferstehung Christi zu er¬
klären: die Konsequenz seines Systems würde die Zurückführung der spezifischen
Wirkungen des Christentums weder auf Wunder, noch auf "Entzückungen
und Träumereien," sondern auf den Einfluß der Person und der Thätigkeit
des irdischen Christus gefordert haben.




Die Anfänge der holländischen tzandschaftsmalerei*)
Adolf Philipp! von

laß unsre durch das thätige Leben müde gewordnen Sinne im
Frieden der Natur Erfrischung finden, haben einzelne Menschen
von jeher gefühlt, aber erst die moderne Welt hat für dieses
Gefühl in der Landschaftsmalern einen Ausdruck gesucht; Sokrates
I behauptete, von den Bäumen nichts lernen zu können. Die
Italiener und die ihnen folgten, Poussin und Cicade, auch Rubens, suchten



Die beiden Abhandlungen über holländische Malerei, die wir in diesem und dein
nächsten Heft bringen, sind Kapitel aus unsers Freundes Philippi im Oktober erscheinendem
zweiten Bändchen der "Blüte der Malerei in Holland" (aus Philippis "Kunstgeschichtlichen
Einzeldarstellungen"). Wir drucken sie hier rin der Erlaubnis des Verlegers, E, A, Seemann, ab,
un> auf die schönen Darstellungen Philippis aufmerksam zu machen, die sich zu einer Geschichte der
Kunst der Renaissance zusammenschließen; diese Geschichte wird allen Kunstfreunden Belehrung und
Die Anfänge der holländischen Landschaftsmalerei

in der Auferstehung Jesu ein den Tag gekommnen neuen Lebens sind viel zu
eigenartig, viel zu gründlich das Alte umgestaltend und Neues, bis dahin Un¬
erhörtes an den Tag bringend, viel zu praktisch eingreifend ins Leben, viel
zu nüchtern in der Beurteilung der Verhältnisse und sittlichen Werte durch die
Christen, als daß man sie aus Entzückungen und Träumereien ableiten könnte";
er zog es deshalb vor, die Frage der Auferstehung Christi überhaupt nicht
zur Diskussion zu stellen, indem er sich außer stände erklärte, der Autorität
des Paulus gegenüber die kritischen Voraussetzungen seines Systems geltend
zu machen.

Er hat damit freilich in unzweideutiger Weise die Grenze bezeichnet, wo
für ihn das Paktieren mit der modernen Weltanschauung aufhört; da er aber
selbst wieder über diese Grenze hinausgegangen ist, indem er, wie wir oben
gesehen haben, an der paulinischen Rechtfertigungslehre einschneidende .Kritik
übt und sogar ausdrücklich erklärt, daß „des Paulus Lehre vou Christus
doch uicht Christus selber" sei is. 88), dürfen wir Wohl daran festhalten, daß
er sich im vorliegenden Falle nur deshalb auf Paulus berufen hat, weil es
ihm unmöglich erscheint, das in dem eben angeführten Zitate geschilderte
„neue Leben" ohne die Annahme der objektiven Auferstehung Christi zu er¬
klären: die Konsequenz seines Systems würde die Zurückführung der spezifischen
Wirkungen des Christentums weder auf Wunder, noch auf „Entzückungen
und Träumereien," sondern auf den Einfluß der Person und der Thätigkeit
des irdischen Christus gefordert haben.




Die Anfänge der holländischen tzandschaftsmalerei*)
Adolf Philipp! von

laß unsre durch das thätige Leben müde gewordnen Sinne im
Frieden der Natur Erfrischung finden, haben einzelne Menschen
von jeher gefühlt, aber erst die moderne Welt hat für dieses
Gefühl in der Landschaftsmalern einen Ausdruck gesucht; Sokrates
I behauptete, von den Bäumen nichts lernen zu können. Die
Italiener und die ihnen folgten, Poussin und Cicade, auch Rubens, suchten



Die beiden Abhandlungen über holländische Malerei, die wir in diesem und dein
nächsten Heft bringen, sind Kapitel aus unsers Freundes Philippi im Oktober erscheinendem
zweiten Bändchen der „Blüte der Malerei in Holland" (aus Philippis „Kunstgeschichtlichen
Einzeldarstellungen"). Wir drucken sie hier rin der Erlaubnis des Verlegers, E, A, Seemann, ab,
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[0572] Die Anfänge der holländischen Landschaftsmalerei in der Auferstehung Jesu ein den Tag gekommnen neuen Lebens sind viel zu eigenartig, viel zu gründlich das Alte umgestaltend und Neues, bis dahin Un¬ erhörtes an den Tag bringend, viel zu praktisch eingreifend ins Leben, viel zu nüchtern in der Beurteilung der Verhältnisse und sittlichen Werte durch die Christen, als daß man sie aus Entzückungen und Träumereien ableiten könnte"; er zog es deshalb vor, die Frage der Auferstehung Christi überhaupt nicht zur Diskussion zu stellen, indem er sich außer stände erklärte, der Autorität des Paulus gegenüber die kritischen Voraussetzungen seines Systems geltend zu machen. Er hat damit freilich in unzweideutiger Weise die Grenze bezeichnet, wo für ihn das Paktieren mit der modernen Weltanschauung aufhört; da er aber selbst wieder über diese Grenze hinausgegangen ist, indem er, wie wir oben gesehen haben, an der paulinischen Rechtfertigungslehre einschneidende .Kritik übt und sogar ausdrücklich erklärt, daß „des Paulus Lehre vou Christus doch uicht Christus selber" sei is. 88), dürfen wir Wohl daran festhalten, daß er sich im vorliegenden Falle nur deshalb auf Paulus berufen hat, weil es ihm unmöglich erscheint, das in dem eben angeführten Zitate geschilderte „neue Leben" ohne die Annahme der objektiven Auferstehung Christi zu er¬ klären: die Konsequenz seines Systems würde die Zurückführung der spezifischen Wirkungen des Christentums weder auf Wunder, noch auf „Entzückungen und Träumereien," sondern auf den Einfluß der Person und der Thätigkeit des irdischen Christus gefordert haben. Die Anfänge der holländischen tzandschaftsmalerei*) Adolf Philipp! von laß unsre durch das thätige Leben müde gewordnen Sinne im Frieden der Natur Erfrischung finden, haben einzelne Menschen von jeher gefühlt, aber erst die moderne Welt hat für dieses Gefühl in der Landschaftsmalern einen Ausdruck gesucht; Sokrates I behauptete, von den Bäumen nichts lernen zu können. Die Italiener und die ihnen folgten, Poussin und Cicade, auch Rubens, suchten Die beiden Abhandlungen über holländische Malerei, die wir in diesem und dein nächsten Heft bringen, sind Kapitel aus unsers Freundes Philippi im Oktober erscheinendem zweiten Bändchen der „Blüte der Malerei in Holland" (aus Philippis „Kunstgeschichtlichen Einzeldarstellungen"). Wir drucken sie hier rin der Erlaubnis des Verlegers, E, A, Seemann, ab, un> auf die schönen Darstellungen Philippis aufmerksam zu machen, die sich zu einer Geschichte der Kunst der Renaissance zusammenschließen; diese Geschichte wird allen Kunstfreunden Belehrung und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/572>, abgerufen am 27.04.2024.