Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

keine große Politik gab, und die Beamten nichts zu thun gehabt hätten, wenn sie
nicht hätten überflüssige Paragraphen machen dürfen, um deren Übertreter abfassen
zu köunen; heute giebt es doch wichtigere Dinge zu thun.

Die Erwähnung der Post veranlaßt mich, auch ihr einen kleinen Wunsch vor¬
zutragen. An dieser überaus wohlthätigen und unübertrefflich vollkommen organi¬
sierten Staatsanstalt ist absolut nichts auszusehen, als daß ihre Beamten mitunter
die Gewissenhaftigkeit zu weit treiben. Es kommt vor, daß man den Wert eines
Manuskripts deklariert oder -- weil dos die Bibliothekverwaltung fordert -- den
eines geliehenen Buches. Als ungeschickter Bücherwurm vermnuscht man beim
siegeln, um jedem Tadel des Postbeamten vorzubeugen, eine Stange Siegellack, und
dann bringt der Bote doch das Paket zurück: es sei ein Knoten gar nicht, und eine
Ecke mangelhaft gesiegelt, und der Name nicht überall deutlich zu erkennen. Mau
giebt also in Zukunft, nachdem man zu Hause eine Stange verbraucht hat, dem Boten
vorsichtshalber noch eine zweite mit. Die Post könnte ihren Verehrern und ihren
eignen Beamten manche überflüssige Mühe und manchen kleinen Verdruß ersparen,
wenn sie die Beamten auf die ratio loxis aufmerksam machte. Ein Brief, der Bank¬
noten, ein Kästchen, das Juwelen enthält, müssen so verschlossen sein, daß ein un¬
berechtigter Eingriff, der keine Spuren hinterließe, nicht möglich ist, weil es doch
auch tu der musterhaft pflichtgetreuen Armee des Reichspvstmeisters hie und da
einen Mann giebt, der einer Anwandlung menschlicher Schwäche erliegt. Aber so
dumm ist kein Briefträger, daß er ein altes Buch oder ein paar hundert beschriebne
Blätter stehlen sollte. Bücher und Manuskripte versichert man nicht gegen Diebstahl,
sondern gegen Feuersgefahr und Raub. Dagegen hilft kein Siegellack; Gegen¬
stände, die für die Räuber wertlos sind, Pflegen ins Wasser oder in ein andres
verderbliches Element geworfen zu werden. Bei solchen Sendungen wäre also über¬
haupt kein Siegel nötig, oder eins konnte genügen, nicht zum Schuh, sondern nnr
um sie als Wertsendungen kenntlich zu machen.


Die Einrichtung eines Lehrstuhles für Geschichte in.Kapstadt.

Süd¬
afrikanische Notable haben eine Versammlung gehalten, in der sie einen solchen
Lehrstuhl forderten. Ein kühnes Unternehme" in der jetzigen Zeit, wo vor den
Thoren ihrer Stadt Geschichte gemacht wird, und wo es so gewaltthätig zugeht,
daß leicht friedliche Tintenfässer umgeworfen werden könnten. Der Vorschlag er¬
innert an König Aerxes, als er von der Küste von Attika ans der Seeschlacht von
Salamis zuschaute und zur Rechten und Linken seine Geschichtsprofessoren hatte,
die mit gezückten Griffeln der großen Thaten warteten, die da kommeu sollten.
Die Idee begegnet denn auch in England manchem Widerspruch. Es ist interessant
zu lesen, was ein bekannter englischer Abgeordneter und Gelehrter, Mr. Bryce,
dagegen sagt, indem er damit zugleich die Lage in Südafrika beleuchtet. Es scheine
ihm ein Hohn, schreibt Bryce in einem in der englischen Presse nur flüchtig er¬
wähnten Briefe, unter den gegenwärtigen entsetzlichen Verhältnissen in Südafrika
an die Begründung eines Lehrstuhls für Geschichte zu denken. Das Kriegsgericht
herrsche überall, ein wirkliches Interesse an wirtschaftlichen Fragen gebe es nicht,
der Verkehr vou Ort zu Ort sei unterbunden, und eine Stnrmwoge der Leidenschaft
sei aufgerührt worden, die bittern Haß noch für kommende Generationen und vielleicht
sogar den Verlust Südafrikas für Großbritannien befürchten lasse. Unter solchen
Umständen sich ans einer Rednertribüne mit sanften Gemeinplätzen über den Wert
der Geschichte auszulasten, eiuer Geschichte, die uns nicht davor bewahrt, die Fehler
von 1775 zu wiederholen, und süßliche Noten von Frieden anznstinnnen, wo es
keinen Frieden gebe, sei seine Sache nicht. -- Wir möchten von dem Standpunkte
der Kapstttdter Herren ans empfehlen, beizeiten auch an eine Geschichtsprofcssnr
in Kandahar oder Kabul zu denken.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

keine große Politik gab, und die Beamten nichts zu thun gehabt hätten, wenn sie
nicht hätten überflüssige Paragraphen machen dürfen, um deren Übertreter abfassen
zu köunen; heute giebt es doch wichtigere Dinge zu thun.

Die Erwähnung der Post veranlaßt mich, auch ihr einen kleinen Wunsch vor¬
zutragen. An dieser überaus wohlthätigen und unübertrefflich vollkommen organi¬
sierten Staatsanstalt ist absolut nichts auszusehen, als daß ihre Beamten mitunter
die Gewissenhaftigkeit zu weit treiben. Es kommt vor, daß man den Wert eines
Manuskripts deklariert oder — weil dos die Bibliothekverwaltung fordert — den
eines geliehenen Buches. Als ungeschickter Bücherwurm vermnuscht man beim
siegeln, um jedem Tadel des Postbeamten vorzubeugen, eine Stange Siegellack, und
dann bringt der Bote doch das Paket zurück: es sei ein Knoten gar nicht, und eine
Ecke mangelhaft gesiegelt, und der Name nicht überall deutlich zu erkennen. Mau
giebt also in Zukunft, nachdem man zu Hause eine Stange verbraucht hat, dem Boten
vorsichtshalber noch eine zweite mit. Die Post könnte ihren Verehrern und ihren
eignen Beamten manche überflüssige Mühe und manchen kleinen Verdruß ersparen,
wenn sie die Beamten auf die ratio loxis aufmerksam machte. Ein Brief, der Bank¬
noten, ein Kästchen, das Juwelen enthält, müssen so verschlossen sein, daß ein un¬
berechtigter Eingriff, der keine Spuren hinterließe, nicht möglich ist, weil es doch
auch tu der musterhaft pflichtgetreuen Armee des Reichspvstmeisters hie und da
einen Mann giebt, der einer Anwandlung menschlicher Schwäche erliegt. Aber so
dumm ist kein Briefträger, daß er ein altes Buch oder ein paar hundert beschriebne
Blätter stehlen sollte. Bücher und Manuskripte versichert man nicht gegen Diebstahl,
sondern gegen Feuersgefahr und Raub. Dagegen hilft kein Siegellack; Gegen¬
stände, die für die Räuber wertlos sind, Pflegen ins Wasser oder in ein andres
verderbliches Element geworfen zu werden. Bei solchen Sendungen wäre also über¬
haupt kein Siegel nötig, oder eins konnte genügen, nicht zum Schuh, sondern nnr
um sie als Wertsendungen kenntlich zu machen.


Die Einrichtung eines Lehrstuhles für Geschichte in.Kapstadt.

Süd¬
afrikanische Notable haben eine Versammlung gehalten, in der sie einen solchen
Lehrstuhl forderten. Ein kühnes Unternehme» in der jetzigen Zeit, wo vor den
Thoren ihrer Stadt Geschichte gemacht wird, und wo es so gewaltthätig zugeht,
daß leicht friedliche Tintenfässer umgeworfen werden könnten. Der Vorschlag er¬
innert an König Aerxes, als er von der Küste von Attika ans der Seeschlacht von
Salamis zuschaute und zur Rechten und Linken seine Geschichtsprofessoren hatte,
die mit gezückten Griffeln der großen Thaten warteten, die da kommeu sollten.
Die Idee begegnet denn auch in England manchem Widerspruch. Es ist interessant
zu lesen, was ein bekannter englischer Abgeordneter und Gelehrter, Mr. Bryce,
dagegen sagt, indem er damit zugleich die Lage in Südafrika beleuchtet. Es scheine
ihm ein Hohn, schreibt Bryce in einem in der englischen Presse nur flüchtig er¬
wähnten Briefe, unter den gegenwärtigen entsetzlichen Verhältnissen in Südafrika
an die Begründung eines Lehrstuhls für Geschichte zu denken. Das Kriegsgericht
herrsche überall, ein wirkliches Interesse an wirtschaftlichen Fragen gebe es nicht,
der Verkehr vou Ort zu Ort sei unterbunden, und eine Stnrmwoge der Leidenschaft
sei aufgerührt worden, die bittern Haß noch für kommende Generationen und vielleicht
sogar den Verlust Südafrikas für Großbritannien befürchten lasse. Unter solchen
Umständen sich ans einer Rednertribüne mit sanften Gemeinplätzen über den Wert
der Geschichte auszulasten, eiuer Geschichte, die uns nicht davor bewahrt, die Fehler
von 1775 zu wiederholen, und süßliche Noten von Frieden anznstinnnen, wo es
keinen Frieden gebe, sei seine Sache nicht. — Wir möchten von dem Standpunkte
der Kapstttdter Herren ans empfehlen, beizeiten auch an eine Geschichtsprofcssnr
in Kandahar oder Kabul zu denken.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0344" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236868"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1329" prev="#ID_1328"> keine große Politik gab, und die Beamten nichts zu thun gehabt hätten, wenn sie<lb/>
nicht hätten überflüssige Paragraphen machen dürfen, um deren Übertreter abfassen<lb/>
zu köunen; heute giebt es doch wichtigere Dinge zu thun.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1330"> Die Erwähnung der Post veranlaßt mich, auch ihr einen kleinen Wunsch vor¬<lb/>
zutragen. An dieser überaus wohlthätigen und unübertrefflich vollkommen organi¬<lb/>
sierten Staatsanstalt ist absolut nichts auszusehen, als daß ihre Beamten mitunter<lb/>
die Gewissenhaftigkeit zu weit treiben. Es kommt vor, daß man den Wert eines<lb/>
Manuskripts deklariert oder &#x2014; weil dos die Bibliothekverwaltung fordert &#x2014; den<lb/>
eines geliehenen Buches. Als ungeschickter Bücherwurm vermnuscht man beim<lb/>
siegeln, um jedem Tadel des Postbeamten vorzubeugen, eine Stange Siegellack, und<lb/>
dann bringt der Bote doch das Paket zurück: es sei ein Knoten gar nicht, und eine<lb/>
Ecke mangelhaft gesiegelt, und der Name nicht überall deutlich zu erkennen. Mau<lb/>
giebt also in Zukunft, nachdem man zu Hause eine Stange verbraucht hat, dem Boten<lb/>
vorsichtshalber noch eine zweite mit. Die Post könnte ihren Verehrern und ihren<lb/>
eignen Beamten manche überflüssige Mühe und manchen kleinen Verdruß ersparen,<lb/>
wenn sie die Beamten auf die ratio loxis aufmerksam machte. Ein Brief, der Bank¬<lb/>
noten, ein Kästchen, das Juwelen enthält, müssen so verschlossen sein, daß ein un¬<lb/>
berechtigter Eingriff, der keine Spuren hinterließe, nicht möglich ist, weil es doch<lb/>
auch tu der musterhaft pflichtgetreuen Armee des Reichspvstmeisters hie und da<lb/>
einen Mann giebt, der einer Anwandlung menschlicher Schwäche erliegt. Aber so<lb/>
dumm ist kein Briefträger, daß er ein altes Buch oder ein paar hundert beschriebne<lb/>
Blätter stehlen sollte. Bücher und Manuskripte versichert man nicht gegen Diebstahl,<lb/>
sondern gegen Feuersgefahr und Raub. Dagegen hilft kein Siegellack; Gegen¬<lb/>
stände, die für die Räuber wertlos sind, Pflegen ins Wasser oder in ein andres<lb/>
verderbliches Element geworfen zu werden. Bei solchen Sendungen wäre also über¬<lb/>
haupt kein Siegel nötig, oder eins konnte genügen, nicht zum Schuh, sondern nnr<lb/>
um sie als Wertsendungen kenntlich zu machen.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Die Einrichtung eines Lehrstuhles für Geschichte in.Kapstadt.</head>
            <p xml:id="ID_1331"> Süd¬<lb/>
afrikanische Notable haben eine Versammlung gehalten, in der sie einen solchen<lb/>
Lehrstuhl forderten. Ein kühnes Unternehme» in der jetzigen Zeit, wo vor den<lb/>
Thoren ihrer Stadt Geschichte gemacht wird, und wo es so gewaltthätig zugeht,<lb/>
daß leicht friedliche Tintenfässer umgeworfen werden könnten. Der Vorschlag er¬<lb/>
innert an König Aerxes, als er von der Küste von Attika ans der Seeschlacht von<lb/>
Salamis zuschaute und zur Rechten und Linken seine Geschichtsprofessoren hatte,<lb/>
die mit gezückten Griffeln der großen Thaten warteten, die da kommeu sollten.<lb/>
Die Idee begegnet denn auch in England manchem Widerspruch. Es ist interessant<lb/>
zu lesen, was ein bekannter englischer Abgeordneter und Gelehrter, Mr. Bryce,<lb/>
dagegen sagt, indem er damit zugleich die Lage in Südafrika beleuchtet. Es scheine<lb/>
ihm ein Hohn, schreibt Bryce in einem in der englischen Presse nur flüchtig er¬<lb/>
wähnten Briefe, unter den gegenwärtigen entsetzlichen Verhältnissen in Südafrika<lb/>
an die Begründung eines Lehrstuhls für Geschichte zu denken. Das Kriegsgericht<lb/>
herrsche überall, ein wirkliches Interesse an wirtschaftlichen Fragen gebe es nicht,<lb/>
der Verkehr vou Ort zu Ort sei unterbunden, und eine Stnrmwoge der Leidenschaft<lb/>
sei aufgerührt worden, die bittern Haß noch für kommende Generationen und vielleicht<lb/>
sogar den Verlust Südafrikas für Großbritannien befürchten lasse. Unter solchen<lb/>
Umständen sich ans einer Rednertribüne mit sanften Gemeinplätzen über den Wert<lb/>
der Geschichte auszulasten, eiuer Geschichte, die uns nicht davor bewahrt, die Fehler<lb/>
von 1775 zu wiederholen, und süßliche Noten von Frieden anznstinnnen, wo es<lb/>
keinen Frieden gebe, sei seine Sache nicht. &#x2014; Wir möchten von dem Standpunkte<lb/>
der Kapstttdter Herren ans empfehlen, beizeiten auch an eine Geschichtsprofcssnr<lb/>
in Kandahar oder Kabul zu denken.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <note type="byline"> Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig<lb/>
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig &#x2014; Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0344] Maßgebliches und Unmaßgebliches keine große Politik gab, und die Beamten nichts zu thun gehabt hätten, wenn sie nicht hätten überflüssige Paragraphen machen dürfen, um deren Übertreter abfassen zu köunen; heute giebt es doch wichtigere Dinge zu thun. Die Erwähnung der Post veranlaßt mich, auch ihr einen kleinen Wunsch vor¬ zutragen. An dieser überaus wohlthätigen und unübertrefflich vollkommen organi¬ sierten Staatsanstalt ist absolut nichts auszusehen, als daß ihre Beamten mitunter die Gewissenhaftigkeit zu weit treiben. Es kommt vor, daß man den Wert eines Manuskripts deklariert oder — weil dos die Bibliothekverwaltung fordert — den eines geliehenen Buches. Als ungeschickter Bücherwurm vermnuscht man beim siegeln, um jedem Tadel des Postbeamten vorzubeugen, eine Stange Siegellack, und dann bringt der Bote doch das Paket zurück: es sei ein Knoten gar nicht, und eine Ecke mangelhaft gesiegelt, und der Name nicht überall deutlich zu erkennen. Mau giebt also in Zukunft, nachdem man zu Hause eine Stange verbraucht hat, dem Boten vorsichtshalber noch eine zweite mit. Die Post könnte ihren Verehrern und ihren eignen Beamten manche überflüssige Mühe und manchen kleinen Verdruß ersparen, wenn sie die Beamten auf die ratio loxis aufmerksam machte. Ein Brief, der Bank¬ noten, ein Kästchen, das Juwelen enthält, müssen so verschlossen sein, daß ein un¬ berechtigter Eingriff, der keine Spuren hinterließe, nicht möglich ist, weil es doch auch tu der musterhaft pflichtgetreuen Armee des Reichspvstmeisters hie und da einen Mann giebt, der einer Anwandlung menschlicher Schwäche erliegt. Aber so dumm ist kein Briefträger, daß er ein altes Buch oder ein paar hundert beschriebne Blätter stehlen sollte. Bücher und Manuskripte versichert man nicht gegen Diebstahl, sondern gegen Feuersgefahr und Raub. Dagegen hilft kein Siegellack; Gegen¬ stände, die für die Räuber wertlos sind, Pflegen ins Wasser oder in ein andres verderbliches Element geworfen zu werden. Bei solchen Sendungen wäre also über¬ haupt kein Siegel nötig, oder eins konnte genügen, nicht zum Schuh, sondern nnr um sie als Wertsendungen kenntlich zu machen. Die Einrichtung eines Lehrstuhles für Geschichte in.Kapstadt. Süd¬ afrikanische Notable haben eine Versammlung gehalten, in der sie einen solchen Lehrstuhl forderten. Ein kühnes Unternehme» in der jetzigen Zeit, wo vor den Thoren ihrer Stadt Geschichte gemacht wird, und wo es so gewaltthätig zugeht, daß leicht friedliche Tintenfässer umgeworfen werden könnten. Der Vorschlag er¬ innert an König Aerxes, als er von der Küste von Attika ans der Seeschlacht von Salamis zuschaute und zur Rechten und Linken seine Geschichtsprofessoren hatte, die mit gezückten Griffeln der großen Thaten warteten, die da kommeu sollten. Die Idee begegnet denn auch in England manchem Widerspruch. Es ist interessant zu lesen, was ein bekannter englischer Abgeordneter und Gelehrter, Mr. Bryce, dagegen sagt, indem er damit zugleich die Lage in Südafrika beleuchtet. Es scheine ihm ein Hohn, schreibt Bryce in einem in der englischen Presse nur flüchtig er¬ wähnten Briefe, unter den gegenwärtigen entsetzlichen Verhältnissen in Südafrika an die Begründung eines Lehrstuhls für Geschichte zu denken. Das Kriegsgericht herrsche überall, ein wirkliches Interesse an wirtschaftlichen Fragen gebe es nicht, der Verkehr vou Ort zu Ort sei unterbunden, und eine Stnrmwoge der Leidenschaft sei aufgerührt worden, die bittern Haß noch für kommende Generationen und vielleicht sogar den Verlust Südafrikas für Großbritannien befürchten lasse. Unter solchen Umständen sich ans einer Rednertribüne mit sanften Gemeinplätzen über den Wert der Geschichte auszulasten, eiuer Geschichte, die uns nicht davor bewahrt, die Fehler von 1775 zu wiederholen, und süßliche Noten von Frieden anznstinnnen, wo es keinen Frieden gebe, sei seine Sache nicht. — Wir möchten von dem Standpunkte der Kapstttdter Herren ans empfehlen, beizeiten auch an eine Geschichtsprofcssnr in Kandahar oder Kabul zu denken. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/344
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/344>, abgerufen am 28.04.2024.