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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

diese Klage erhoben wurde, erscholl leidenschaftlicher Protest, der durch Ton und Art
am besten bewies, wie weit in der That die Verrohung der Gesinnung und der
blinde Autoritätsglaube, der kein eignes Gewissen mehr kennt, hier um sich gegriffen
hatten. Auf der andern Seite aber verfestigte sich die Stimmung der "Stillen
in der katholischen Kirche," denen die Religion Herzenssache und nicht Machtfrage
ist. Seit den Tagen von Günther und Hermes hat es sich nicht so lebhaft geregt
unter den deutscheu Katholiken wie in der Zeit der Spektatorbriefe. Das Bedürfnis,
sich als wissenschaftlich ebenbürtig zu legitimieren, tritt in wahrhaft erfrischender
Weise in den Vordergrund. Die wissenschaftliche Arbeit der Reformationskirchen
wird dabei nicht mehr als Produkt ketzerischer Überhebung vorweg aus dem Tempel
gewiesen, sondern wird Gegenstand des Wetteifers. Und in der That, das Bewußt¬
sein ihrer wissenschaftlichen Freiheit und Überlegenheit ist die Schwungkraft geblieben
in den Reformationskirchen. Ihr berechtigtes Selbstgefühl ruht nicht zuletzt auf
der wissenschaftlichen Bildung und der religiösen Klarheit des evangelischen Pfarrers.
Wer das empfindet, der muß es beklagen, wenn eine bedeutsame geistliche Konferenz
eine gute christliche Sitte mit Gründen verteidigt, die das Gewissen verwirren
müssen und die Empfindung wissenschaftlicher Jnferioritcit erwecken.


Ein Mangel unsrer Gesetzgebung.

Ein Drvguist und sein Gehilfe waren
der fahrlässigen Tötung angeklagt. Am 21. September des vergangnen Jahres war
die Gerichtsverhandlung in dieser Sache; in Nummer 77 der Pharmazeutischen
Zeitung finden wir ein ausführliches Referat.

Danach holt eine Frau am 17. August auf Grund eines ärztlichen Rezeptes
bei diesem Droguisten Salvl. Obwohl Salol Drognisten zu führe" nicht erlaubt ist,
bekommt sie es, aber mit Strychnin gemischt, und stirbt daran. Es stellt sich bei
der Gerichtsverhandlung hernns. daß es in diesem Geschäft von jeher üblich war,
Rezepte anzufertigen, und daß seine Gehilfen hierzu angehalten wurden. Der Drognist
hat keine Giftkonzession, führt aber eine Menge Gifte, unter ihnen Strychnin, die
so unordentlich aufbewahrt werden, daß eine Verwechslung wie eine Vermischung
von Salol mit Strychnin möglich war. Und als Buße für diese ungesetzliche
Handlungsweise, die jahrelang unter den Angen der Behörde geschehn konnte und
w diesem Falle ein Menschenleben kostete, werden dem Droguisten zehn Mark, sage
zehn Mark Strafe auferlegt, der Gehilfe wird freigesprochen.

Hier muß man sich wirklich stemmend fragen, ist so etwas möglich? Und wenn
das in einem so gut geordneten Staate möglich ist, woran liegt es?

Wenn ein Drognist jahrelang unbehelligt -- der Drognist war noch unbe¬
straft -- so gegen die Gesetze handeln kann, ist da nicht die Behörde nachlässig ni
der Überwachung gewesen? Oder ist diese Überwachung überhaupt nicht möglich, und
sind unsre Gesetze nicht ausreichend? Was ist denn eine Strafe von zehn Mart
w diesem Falle etwas andres als eine Aufforderung, in der gewinnbringenden
Rezeptur munter fortzufahren, gleichviel, ob dabei Menschenleben gefährdet werden
oder nicht? Sind das nicht himmelschreiende Zustände? Es scheint die höchste Zeit
SU sein, unsre Strafgesetze in diesem Punkte zu ändern!

Man denke mir. wenn dieser Mann das Etikett eines andern, z. B. s"r 6an
de Cologne, nachgemacht hätte, welche Strafe ihn. dann geworden wäre. Mit 150 ol^
U>00 Mark, nnter Umständen mit Gefängnis bis zu sechs Monaten wurde e,- bestraft
worden sein und außerdem mit einer dem Schaden entsprechenden Geldbuße. Hier
handelt es sich freilich nur um Schädigung vou Apothekern, deren Rechte zu kranken,
wie es scheint edermann freisteht. Der Staat schreibt ihnen eme mühevolle Lauf¬
bahn vor. sie müssen Lehr- und Wanderjahre absolvieren, studieren. Exam.na machen,
einen Diensteid leisten und eine Konzession erwerben Aber nachher kann ihnen
leder gewissenlose Kaufmann. jeder davongclaufne Apvthekerlehrlmg unerlaubte
Konkurrenz mache" und Arzneien anfertige", ohne ein größeres Risiko als ein Paar
Mark Strafe im Falle des Gefaßtwerdens. Es ist eine offenbare Thatsache, daß


Maßgebliches und Unmaßgebliches

diese Klage erhoben wurde, erscholl leidenschaftlicher Protest, der durch Ton und Art
am besten bewies, wie weit in der That die Verrohung der Gesinnung und der
blinde Autoritätsglaube, der kein eignes Gewissen mehr kennt, hier um sich gegriffen
hatten. Auf der andern Seite aber verfestigte sich die Stimmung der „Stillen
in der katholischen Kirche," denen die Religion Herzenssache und nicht Machtfrage
ist. Seit den Tagen von Günther und Hermes hat es sich nicht so lebhaft geregt
unter den deutscheu Katholiken wie in der Zeit der Spektatorbriefe. Das Bedürfnis,
sich als wissenschaftlich ebenbürtig zu legitimieren, tritt in wahrhaft erfrischender
Weise in den Vordergrund. Die wissenschaftliche Arbeit der Reformationskirchen
wird dabei nicht mehr als Produkt ketzerischer Überhebung vorweg aus dem Tempel
gewiesen, sondern wird Gegenstand des Wetteifers. Und in der That, das Bewußt¬
sein ihrer wissenschaftlichen Freiheit und Überlegenheit ist die Schwungkraft geblieben
in den Reformationskirchen. Ihr berechtigtes Selbstgefühl ruht nicht zuletzt auf
der wissenschaftlichen Bildung und der religiösen Klarheit des evangelischen Pfarrers.
Wer das empfindet, der muß es beklagen, wenn eine bedeutsame geistliche Konferenz
eine gute christliche Sitte mit Gründen verteidigt, die das Gewissen verwirren
müssen und die Empfindung wissenschaftlicher Jnferioritcit erwecken.


Ein Mangel unsrer Gesetzgebung.

Ein Drvguist und sein Gehilfe waren
der fahrlässigen Tötung angeklagt. Am 21. September des vergangnen Jahres war
die Gerichtsverhandlung in dieser Sache; in Nummer 77 der Pharmazeutischen
Zeitung finden wir ein ausführliches Referat.

Danach holt eine Frau am 17. August auf Grund eines ärztlichen Rezeptes
bei diesem Droguisten Salvl. Obwohl Salol Drognisten zu führe» nicht erlaubt ist,
bekommt sie es, aber mit Strychnin gemischt, und stirbt daran. Es stellt sich bei
der Gerichtsverhandlung hernns. daß es in diesem Geschäft von jeher üblich war,
Rezepte anzufertigen, und daß seine Gehilfen hierzu angehalten wurden. Der Drognist
hat keine Giftkonzession, führt aber eine Menge Gifte, unter ihnen Strychnin, die
so unordentlich aufbewahrt werden, daß eine Verwechslung wie eine Vermischung
von Salol mit Strychnin möglich war. Und als Buße für diese ungesetzliche
Handlungsweise, die jahrelang unter den Angen der Behörde geschehn konnte und
w diesem Falle ein Menschenleben kostete, werden dem Droguisten zehn Mark, sage
zehn Mark Strafe auferlegt, der Gehilfe wird freigesprochen.

Hier muß man sich wirklich stemmend fragen, ist so etwas möglich? Und wenn
das in einem so gut geordneten Staate möglich ist, woran liegt es?

Wenn ein Drognist jahrelang unbehelligt — der Drognist war noch unbe¬
straft — so gegen die Gesetze handeln kann, ist da nicht die Behörde nachlässig ni
der Überwachung gewesen? Oder ist diese Überwachung überhaupt nicht möglich, und
sind unsre Gesetze nicht ausreichend? Was ist denn eine Strafe von zehn Mart
w diesem Falle etwas andres als eine Aufforderung, in der gewinnbringenden
Rezeptur munter fortzufahren, gleichviel, ob dabei Menschenleben gefährdet werden
oder nicht? Sind das nicht himmelschreiende Zustände? Es scheint die höchste Zeit
SU sein, unsre Strafgesetze in diesem Punkte zu ändern!

Man denke mir. wenn dieser Mann das Etikett eines andern, z. B. s»r 6an
de Cologne, nachgemacht hätte, welche Strafe ihn. dann geworden wäre. Mit 150 ol^
U>00 Mark, nnter Umständen mit Gefängnis bis zu sechs Monaten wurde e,- bestraft
worden sein und außerdem mit einer dem Schaden entsprechenden Geldbuße. Hier
handelt es sich freilich nur um Schädigung vou Apothekern, deren Rechte zu kranken,
wie es scheint edermann freisteht. Der Staat schreibt ihnen eme mühevolle Lauf¬
bahn vor. sie müssen Lehr- und Wanderjahre absolvieren, studieren. Exam.na machen,
einen Diensteid leisten und eine Konzession erwerben Aber nachher kann ihnen
leder gewissenlose Kaufmann. jeder davongclaufne Apvthekerlehrlmg unerlaubte
Konkurrenz mache» und Arzneien anfertige», ohne ein größeres Risiko als ein Paar
Mark Strafe im Falle des Gefaßtwerdens. Es ist eine offenbare Thatsache, daß


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[0397] Maßgebliches und Unmaßgebliches diese Klage erhoben wurde, erscholl leidenschaftlicher Protest, der durch Ton und Art am besten bewies, wie weit in der That die Verrohung der Gesinnung und der blinde Autoritätsglaube, der kein eignes Gewissen mehr kennt, hier um sich gegriffen hatten. Auf der andern Seite aber verfestigte sich die Stimmung der „Stillen in der katholischen Kirche," denen die Religion Herzenssache und nicht Machtfrage ist. Seit den Tagen von Günther und Hermes hat es sich nicht so lebhaft geregt unter den deutscheu Katholiken wie in der Zeit der Spektatorbriefe. Das Bedürfnis, sich als wissenschaftlich ebenbürtig zu legitimieren, tritt in wahrhaft erfrischender Weise in den Vordergrund. Die wissenschaftliche Arbeit der Reformationskirchen wird dabei nicht mehr als Produkt ketzerischer Überhebung vorweg aus dem Tempel gewiesen, sondern wird Gegenstand des Wetteifers. Und in der That, das Bewußt¬ sein ihrer wissenschaftlichen Freiheit und Überlegenheit ist die Schwungkraft geblieben in den Reformationskirchen. Ihr berechtigtes Selbstgefühl ruht nicht zuletzt auf der wissenschaftlichen Bildung und der religiösen Klarheit des evangelischen Pfarrers. Wer das empfindet, der muß es beklagen, wenn eine bedeutsame geistliche Konferenz eine gute christliche Sitte mit Gründen verteidigt, die das Gewissen verwirren müssen und die Empfindung wissenschaftlicher Jnferioritcit erwecken. Ein Mangel unsrer Gesetzgebung. Ein Drvguist und sein Gehilfe waren der fahrlässigen Tötung angeklagt. Am 21. September des vergangnen Jahres war die Gerichtsverhandlung in dieser Sache; in Nummer 77 der Pharmazeutischen Zeitung finden wir ein ausführliches Referat. Danach holt eine Frau am 17. August auf Grund eines ärztlichen Rezeptes bei diesem Droguisten Salvl. Obwohl Salol Drognisten zu führe» nicht erlaubt ist, bekommt sie es, aber mit Strychnin gemischt, und stirbt daran. Es stellt sich bei der Gerichtsverhandlung hernns. daß es in diesem Geschäft von jeher üblich war, Rezepte anzufertigen, und daß seine Gehilfen hierzu angehalten wurden. Der Drognist hat keine Giftkonzession, führt aber eine Menge Gifte, unter ihnen Strychnin, die so unordentlich aufbewahrt werden, daß eine Verwechslung wie eine Vermischung von Salol mit Strychnin möglich war. Und als Buße für diese ungesetzliche Handlungsweise, die jahrelang unter den Angen der Behörde geschehn konnte und w diesem Falle ein Menschenleben kostete, werden dem Droguisten zehn Mark, sage zehn Mark Strafe auferlegt, der Gehilfe wird freigesprochen. Hier muß man sich wirklich stemmend fragen, ist so etwas möglich? Und wenn das in einem so gut geordneten Staate möglich ist, woran liegt es? Wenn ein Drognist jahrelang unbehelligt — der Drognist war noch unbe¬ straft — so gegen die Gesetze handeln kann, ist da nicht die Behörde nachlässig ni der Überwachung gewesen? Oder ist diese Überwachung überhaupt nicht möglich, und sind unsre Gesetze nicht ausreichend? Was ist denn eine Strafe von zehn Mart w diesem Falle etwas andres als eine Aufforderung, in der gewinnbringenden Rezeptur munter fortzufahren, gleichviel, ob dabei Menschenleben gefährdet werden oder nicht? Sind das nicht himmelschreiende Zustände? Es scheint die höchste Zeit SU sein, unsre Strafgesetze in diesem Punkte zu ändern! Man denke mir. wenn dieser Mann das Etikett eines andern, z. B. s»r 6an de Cologne, nachgemacht hätte, welche Strafe ihn. dann geworden wäre. Mit 150 ol^ U>00 Mark, nnter Umständen mit Gefängnis bis zu sechs Monaten wurde e,- bestraft worden sein und außerdem mit einer dem Schaden entsprechenden Geldbuße. Hier handelt es sich freilich nur um Schädigung vou Apothekern, deren Rechte zu kranken, wie es scheint edermann freisteht. Der Staat schreibt ihnen eme mühevolle Lauf¬ bahn vor. sie müssen Lehr- und Wanderjahre absolvieren, studieren. Exam.na machen, einen Diensteid leisten und eine Konzession erwerben Aber nachher kann ihnen leder gewissenlose Kaufmann. jeder davongclaufne Apvthekerlehrlmg unerlaubte Konkurrenz mache» und Arzneien anfertige», ohne ein größeres Risiko als ein Paar Mark Strafe im Falle des Gefaßtwerdens. Es ist eine offenbare Thatsache, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/397>, abgerufen am 29.04.2024.