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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Die Sonne im Lichte der Sprachgeschichte

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n ihrem eignen Lichte soll hier die Sonne betrachtet werden
-- das überlassen wir den Astronomen, denen die zur Dämpfung
ihres blendenden Glanzes dienenden Instrumente zur Verfügung
stehn --, sondern im Lichte der Sprachgeschichte. Das heißt:
diese Zeilen sollen ein Gegenstück bilden zu den Ausführungen,
die wir einst in diesen Blättern (1900, Heft 52) dem Bruder der Sonne, dem
Monde, gewidmet haben. Wie wir uns damals mit dem Worte, nicht mit
dem Gegenstande beschäftigt haben, so soll es auch hier geschehn: die Ausdrücke
wollen wir zusammenstellen, die innerhalb der arischen Menschheit für die
mächtige Weltherrin bräuchlich waren und es noch jetzt sind, um den Eindruck,
deu diese von Anfang an auf das menschliche Gemüt gemacht hat, in der
Sprache wie in einem Spiegel zu erkennen. Ist doch die Sprache der getreuste
Dolmetsch der Seele und die Sprachgeschichte somit ein wesentliches Stück
von der Geschichte der Menschheit. Aus diesem großen Buche sollen die
folgenden Zeilen -- wie auch die frühern -- ein wenn auch uur winziges
Kapitel sein. Im übrigen sei auf den frühern Aufsatz verwiesen, wo die Voraus¬
setzungen, unter denen die folgende Betrachtung angestellt werden soll, in
Kürze dargelegt sind.

Das älteste erreichbare Wort, das zum Ausdruck der Sonne und des
Sonnenlichts verwandt wurde, ist das altindische svar, eigentlich suos-r. Wir
haben den Namen schon in der eben erwähnten "Mondscheinbetrachtuug" kennen
gelernt und haben dort gesehen, daß er den Glanz bedeutet, ferner, daß daraus
das griechische se^^ ssslsiuz), sowie das lateinische ssrenus entsprossen ist."'')
Es ist klar, daß gerade diese Lantgrnppe zur Bezeichnung für das Tages¬
gestirn ganz besonders geeignet war; denn was konnte an diesem dem naiven
Menschenkinde mehr auffallen als sein Glanz? Licht und Sonne fiel also
wie in Wirklichkeit, so auch in der Sprache zusammen, aber auch das Firma¬
ment des Himmels wurde mit dem Worte sog,r bezeichnet, da es natürlich als
der Sitz des Sonnenlichts erschien. Aus der Wurzel svar hat sich dann
weiter das Wort sur^a entfaltet, das bald zum stehenden und allgemeinsten
Ausdruck nicht nur für die Sonne, sondern auch für die hinter dem leuchtenden
Naturphünomen wirksam gedachte Gottheit wurde und sich in dieser Stellung
in der gesamten Litteratur der Inder behauptet hat. Von der Macht und
dem Einfluß der sur^g, zeugt eine Menge kühner Bilder und Epitheta. Lurys



Andre legen die Wurzel "u, zeugen, die z. B. in Sohn (sumus) steckt, zu Grunde;
dann wäre die Sonne ursprünglich als die Leben erweckende gedacht und danach benannt, was
für die ersten Anfänge der Sprachschöpfung ein wenig abstrakt ist.


Die Sonne im Lichte der Sprachgeschichte

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n ihrem eignen Lichte soll hier die Sonne betrachtet werden
— das überlassen wir den Astronomen, denen die zur Dämpfung
ihres blendenden Glanzes dienenden Instrumente zur Verfügung
stehn —, sondern im Lichte der Sprachgeschichte. Das heißt:
diese Zeilen sollen ein Gegenstück bilden zu den Ausführungen,
die wir einst in diesen Blättern (1900, Heft 52) dem Bruder der Sonne, dem
Monde, gewidmet haben. Wie wir uns damals mit dem Worte, nicht mit
dem Gegenstande beschäftigt haben, so soll es auch hier geschehn: die Ausdrücke
wollen wir zusammenstellen, die innerhalb der arischen Menschheit für die
mächtige Weltherrin bräuchlich waren und es noch jetzt sind, um den Eindruck,
deu diese von Anfang an auf das menschliche Gemüt gemacht hat, in der
Sprache wie in einem Spiegel zu erkennen. Ist doch die Sprache der getreuste
Dolmetsch der Seele und die Sprachgeschichte somit ein wesentliches Stück
von der Geschichte der Menschheit. Aus diesem großen Buche sollen die
folgenden Zeilen — wie auch die frühern — ein wenn auch uur winziges
Kapitel sein. Im übrigen sei auf den frühern Aufsatz verwiesen, wo die Voraus¬
setzungen, unter denen die folgende Betrachtung angestellt werden soll, in
Kürze dargelegt sind.

Das älteste erreichbare Wort, das zum Ausdruck der Sonne und des
Sonnenlichts verwandt wurde, ist das altindische svar, eigentlich suos-r. Wir
haben den Namen schon in der eben erwähnten „Mondscheinbetrachtuug" kennen
gelernt und haben dort gesehen, daß er den Glanz bedeutet, ferner, daß daraus
das griechische se^^ ssslsiuz), sowie das lateinische ssrenus entsprossen ist."'')
Es ist klar, daß gerade diese Lantgrnppe zur Bezeichnung für das Tages¬
gestirn ganz besonders geeignet war; denn was konnte an diesem dem naiven
Menschenkinde mehr auffallen als sein Glanz? Licht und Sonne fiel also
wie in Wirklichkeit, so auch in der Sprache zusammen, aber auch das Firma¬
ment des Himmels wurde mit dem Worte sog,r bezeichnet, da es natürlich als
der Sitz des Sonnenlichts erschien. Aus der Wurzel svar hat sich dann
weiter das Wort sur^a entfaltet, das bald zum stehenden und allgemeinsten
Ausdruck nicht nur für die Sonne, sondern auch für die hinter dem leuchtenden
Naturphünomen wirksam gedachte Gottheit wurde und sich in dieser Stellung
in der gesamten Litteratur der Inder behauptet hat. Von der Macht und
dem Einfluß der sur^g, zeugt eine Menge kühner Bilder und Epitheta. Lurys



Andre legen die Wurzel »u, zeugen, die z. B. in Sohn (sumus) steckt, zu Grunde;
dann wäre die Sonne ursprünglich als die Leben erweckende gedacht und danach benannt, was
für die ersten Anfänge der Sprachschöpfung ein wenig abstrakt ist.
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[0438] [Abbildung] Die Sonne im Lichte der Sprachgeschichte icht i n ihrem eignen Lichte soll hier die Sonne betrachtet werden — das überlassen wir den Astronomen, denen die zur Dämpfung ihres blendenden Glanzes dienenden Instrumente zur Verfügung stehn —, sondern im Lichte der Sprachgeschichte. Das heißt: diese Zeilen sollen ein Gegenstück bilden zu den Ausführungen, die wir einst in diesen Blättern (1900, Heft 52) dem Bruder der Sonne, dem Monde, gewidmet haben. Wie wir uns damals mit dem Worte, nicht mit dem Gegenstande beschäftigt haben, so soll es auch hier geschehn: die Ausdrücke wollen wir zusammenstellen, die innerhalb der arischen Menschheit für die mächtige Weltherrin bräuchlich waren und es noch jetzt sind, um den Eindruck, deu diese von Anfang an auf das menschliche Gemüt gemacht hat, in der Sprache wie in einem Spiegel zu erkennen. Ist doch die Sprache der getreuste Dolmetsch der Seele und die Sprachgeschichte somit ein wesentliches Stück von der Geschichte der Menschheit. Aus diesem großen Buche sollen die folgenden Zeilen — wie auch die frühern — ein wenn auch uur winziges Kapitel sein. Im übrigen sei auf den frühern Aufsatz verwiesen, wo die Voraus¬ setzungen, unter denen die folgende Betrachtung angestellt werden soll, in Kürze dargelegt sind. Das älteste erreichbare Wort, das zum Ausdruck der Sonne und des Sonnenlichts verwandt wurde, ist das altindische svar, eigentlich suos-r. Wir haben den Namen schon in der eben erwähnten „Mondscheinbetrachtuug" kennen gelernt und haben dort gesehen, daß er den Glanz bedeutet, ferner, daß daraus das griechische se^^ ssslsiuz), sowie das lateinische ssrenus entsprossen ist."'') Es ist klar, daß gerade diese Lantgrnppe zur Bezeichnung für das Tages¬ gestirn ganz besonders geeignet war; denn was konnte an diesem dem naiven Menschenkinde mehr auffallen als sein Glanz? Licht und Sonne fiel also wie in Wirklichkeit, so auch in der Sprache zusammen, aber auch das Firma¬ ment des Himmels wurde mit dem Worte sog,r bezeichnet, da es natürlich als der Sitz des Sonnenlichts erschien. Aus der Wurzel svar hat sich dann weiter das Wort sur^a entfaltet, das bald zum stehenden und allgemeinsten Ausdruck nicht nur für die Sonne, sondern auch für die hinter dem leuchtenden Naturphünomen wirksam gedachte Gottheit wurde und sich in dieser Stellung in der gesamten Litteratur der Inder behauptet hat. Von der Macht und dem Einfluß der sur^g, zeugt eine Menge kühner Bilder und Epitheta. Lurys Andre legen die Wurzel »u, zeugen, die z. B. in Sohn (sumus) steckt, zu Grunde; dann wäre die Sonne ursprünglich als die Leben erweckende gedacht und danach benannt, was für die ersten Anfänge der Sprachschöpfung ein wenig abstrakt ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/438>, abgerufen am 29.04.2024.