Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

und Pinsel, und es ist erklärlich, daß er es auf der großen Treppe der Kultur thut.
Ja mau wird auch völlig damit übereinstimmen, daß das Erscheinen solcher Muster als
eine ganz selbstverständliche Folge der wunderbaren Kunstentwicklung unsrer Tage
betrachtet werden kann. Aber wir versteh" nicht recht, in welchem Zusammenhang
eine große starke Kunst, die sich noch nach Jahrhunderten ihrer Existenz nicht schämen
soll, gerade mit Tapetenmustern stehen kann, und vollends mit solchen, die wie diese
"deutschen Tapeten und Friese" Christiausens so sehr den Stempel dessen, was wir
als die andre Seite edeln Künstlertnms bezeichnet haben, der Bescheidenheit tragen.
Wir glauben, Herr Christiansen nimmt die Sache zu schwer. Gewiß, bescheidner
als diese Muster können keine andern sein; man könnte sie fast einfältig nennen,
so einfältig, daß sie das Kunstgefühl des einfältigsten Menschen unsrer Tage auf
der untersten Stufe der großen Treppe der Kultur nicht groß überraschen können.
Warum sollte das Volk jahrhundertelang dagegen revoltieren? Es nimmt die Sache
gar nicht so ernst. Es hängt gar nicht so sehr am Alten; welcher Mensch sträubt
sich denn gegen das Neue, wenn er frisch tapezieren lassen muß? Werden unsre
Tapeten schäbig, so gehn wir in den Laden und suchen uns neue ans, Farben und
Muster, wie sie uns am besten gefallen oder am wenigsten zuwider sind, und über¬
kleben jedes Vorwärtsstreben der Menschheit mit neuem, sobald das alte schmutzig ge¬
worden und verschossen ist -- sind also jederzeit bei der Hand, eine nützliche Stufe
der großen Treppe zu sein, die zum Allerhöchsten führt. Christiansen hat wirklich einen
falschen Eindruck von uns, wenn er meint, wir ließen nicht zur rechten Zeit tape¬
zieren und hingen zu sehr am Alten. Auch seine Tapeten werden an den Wänden
kleben, und kein künftiges Jahrhundert wird sich schämen, daß man einmal anch so
etwas angeklebt hat. Mit der Kunst hat es ja wirklich gar nichts zu thun. Das
ist eine wunderliche Flitze von Christiansen. Er soll nur ruhig sein bescheidnes
Metter betreiben für die bescheidnen Leute, denen es gefällt. Wir legen ihm keine
Steine in den Weg. Und wir hoffen, daß sich in der Zwischenzeit seit der Ver¬
sendung des Musterheftes -- wir fürchten, wir haben etwas viel davon verstreichen
lassen, seit wir es mit der Aufforderung, uns zu äußern, zugesandt erhielten
die Firma Tapetenfabrik Hansa, Jven u. Komp., Altona-Ottensen und die andre
Firma, nachdem sie glücklich über das Eis gekommen waren, nicht gegenseitig die
Hacken abgetreten haben auf der großen Treppe, die zur Schönheit hinauf führt.


Überzwerge.

In Tagesblättern liest man folgende Anzeige: Anleitung
zum imponierender Auftreten nach der epochemachenden Methode von v. Juan
de Lastanosa. Radikale Beseitigung von Schüchternheit, Befangenheit, Menschenscheu,
Redefieber, Lampenfieber, Stottern, Sprachfehlern, Zittern, Erröten, Schwinden der
Gedanken; von Linkshändigkeit, Schielen, Haaransfallen, Ausschlttgen, körperlichen
Schönheitsfehlern, Fettleibigkeit, Magerkeit; Anleitung zur Erzielung schlanker und
hoher Figur, guter Haltung, zur Kunst des Befehlens, zum Verbergen eigner Mängel
und zur Sicherheit im öffentlichen Auftreten. Kein Geheimmittel und ohne jede
Arznei. Broschüre mit Erfolgsbestätigung vou hoher Seite gratis und franko.
Modern-Medizinischer Verlag. -- Ein Mensch also, der nach dieser Methode mit
Erfolg behandelt worden ist, müßte sein: ein dreister, zungengewandter, unverfroruer,
trainierter, muskelgestärkter, geschniegelter, anspruchsvoller, raisonnierender und
kommandierender Strohkvpf mit steifen Hosen zum Verbergen etwaiger Krummbeine.
Bücher werden geschrieben, daß sie verkauft werden. Auch der Moderne Verlag würde
nicht sein Geld für das Buch und die Annonce ausgeben, wenn er nicht voraussetzte,
sein Publikum zu haben. Darum haben solche Annoncen ein kulturhistorisches Interesse-
Sage mir, was man dir zutraut, und ich will dir sagen, was dn bist. Es hat einmal
eine Zeit gegeben, wo man Bescheidenheit für eine Tugend hielt. Es scheint, daß
man sie heute für einen Fehler und "imponierendes Auftreten" für ein hohes Gut
ansieht. Es wäre interessant zu wissen, welcherlei Leute sich diese Anleitung kaufen.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marqunrt in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

und Pinsel, und es ist erklärlich, daß er es auf der großen Treppe der Kultur thut.
Ja mau wird auch völlig damit übereinstimmen, daß das Erscheinen solcher Muster als
eine ganz selbstverständliche Folge der wunderbaren Kunstentwicklung unsrer Tage
betrachtet werden kann. Aber wir versteh» nicht recht, in welchem Zusammenhang
eine große starke Kunst, die sich noch nach Jahrhunderten ihrer Existenz nicht schämen
soll, gerade mit Tapetenmustern stehen kann, und vollends mit solchen, die wie diese
„deutschen Tapeten und Friese" Christiausens so sehr den Stempel dessen, was wir
als die andre Seite edeln Künstlertnms bezeichnet haben, der Bescheidenheit tragen.
Wir glauben, Herr Christiansen nimmt die Sache zu schwer. Gewiß, bescheidner
als diese Muster können keine andern sein; man könnte sie fast einfältig nennen,
so einfältig, daß sie das Kunstgefühl des einfältigsten Menschen unsrer Tage auf
der untersten Stufe der großen Treppe der Kultur nicht groß überraschen können.
Warum sollte das Volk jahrhundertelang dagegen revoltieren? Es nimmt die Sache
gar nicht so ernst. Es hängt gar nicht so sehr am Alten; welcher Mensch sträubt
sich denn gegen das Neue, wenn er frisch tapezieren lassen muß? Werden unsre
Tapeten schäbig, so gehn wir in den Laden und suchen uns neue ans, Farben und
Muster, wie sie uns am besten gefallen oder am wenigsten zuwider sind, und über¬
kleben jedes Vorwärtsstreben der Menschheit mit neuem, sobald das alte schmutzig ge¬
worden und verschossen ist — sind also jederzeit bei der Hand, eine nützliche Stufe
der großen Treppe zu sein, die zum Allerhöchsten führt. Christiansen hat wirklich einen
falschen Eindruck von uns, wenn er meint, wir ließen nicht zur rechten Zeit tape¬
zieren und hingen zu sehr am Alten. Auch seine Tapeten werden an den Wänden
kleben, und kein künftiges Jahrhundert wird sich schämen, daß man einmal anch so
etwas angeklebt hat. Mit der Kunst hat es ja wirklich gar nichts zu thun. Das
ist eine wunderliche Flitze von Christiansen. Er soll nur ruhig sein bescheidnes
Metter betreiben für die bescheidnen Leute, denen es gefällt. Wir legen ihm keine
Steine in den Weg. Und wir hoffen, daß sich in der Zwischenzeit seit der Ver¬
sendung des Musterheftes — wir fürchten, wir haben etwas viel davon verstreichen
lassen, seit wir es mit der Aufforderung, uns zu äußern, zugesandt erhielten
die Firma Tapetenfabrik Hansa, Jven u. Komp., Altona-Ottensen und die andre
Firma, nachdem sie glücklich über das Eis gekommen waren, nicht gegenseitig die
Hacken abgetreten haben auf der großen Treppe, die zur Schönheit hinauf führt.


Überzwerge.

In Tagesblättern liest man folgende Anzeige: Anleitung
zum imponierender Auftreten nach der epochemachenden Methode von v. Juan
de Lastanosa. Radikale Beseitigung von Schüchternheit, Befangenheit, Menschenscheu,
Redefieber, Lampenfieber, Stottern, Sprachfehlern, Zittern, Erröten, Schwinden der
Gedanken; von Linkshändigkeit, Schielen, Haaransfallen, Ausschlttgen, körperlichen
Schönheitsfehlern, Fettleibigkeit, Magerkeit; Anleitung zur Erzielung schlanker und
hoher Figur, guter Haltung, zur Kunst des Befehlens, zum Verbergen eigner Mängel
und zur Sicherheit im öffentlichen Auftreten. Kein Geheimmittel und ohne jede
Arznei. Broschüre mit Erfolgsbestätigung vou hoher Seite gratis und franko.
Modern-Medizinischer Verlag. — Ein Mensch also, der nach dieser Methode mit
Erfolg behandelt worden ist, müßte sein: ein dreister, zungengewandter, unverfroruer,
trainierter, muskelgestärkter, geschniegelter, anspruchsvoller, raisonnierender und
kommandierender Strohkvpf mit steifen Hosen zum Verbergen etwaiger Krummbeine.
Bücher werden geschrieben, daß sie verkauft werden. Auch der Moderne Verlag würde
nicht sein Geld für das Buch und die Annonce ausgeben, wenn er nicht voraussetzte,
sein Publikum zu haben. Darum haben solche Annoncen ein kulturhistorisches Interesse-
Sage mir, was man dir zutraut, und ich will dir sagen, was dn bist. Es hat einmal
eine Zeit gegeben, wo man Bescheidenheit für eine Tugend hielt. Es scheint, daß
man sie heute für einen Fehler und „imponierendes Auftreten" für ein hohes Gut
ansieht. Es wäre interessant zu wissen, welcherlei Leute sich diese Anleitung kaufen.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marqunrt in Leipzig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0528" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237052"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2190" prev="#ID_2189"> und Pinsel, und es ist erklärlich, daß er es auf der großen Treppe der Kultur thut.<lb/>
Ja mau wird auch völlig damit übereinstimmen, daß das Erscheinen solcher Muster als<lb/>
eine ganz selbstverständliche Folge der wunderbaren Kunstentwicklung unsrer Tage<lb/>
betrachtet werden kann. Aber wir versteh» nicht recht, in welchem Zusammenhang<lb/>
eine große starke Kunst, die sich noch nach Jahrhunderten ihrer Existenz nicht schämen<lb/>
soll, gerade mit Tapetenmustern stehen kann, und vollends mit solchen, die wie diese<lb/>
&#x201E;deutschen Tapeten und Friese" Christiausens so sehr den Stempel dessen, was wir<lb/>
als die andre Seite edeln Künstlertnms bezeichnet haben, der Bescheidenheit tragen.<lb/>
Wir glauben, Herr Christiansen nimmt die Sache zu schwer. Gewiß, bescheidner<lb/>
als diese Muster können keine andern sein; man könnte sie fast einfältig nennen,<lb/>
so einfältig, daß sie das Kunstgefühl des einfältigsten Menschen unsrer Tage auf<lb/>
der untersten Stufe der großen Treppe der Kultur nicht groß überraschen können.<lb/>
Warum sollte das Volk jahrhundertelang dagegen revoltieren? Es nimmt die Sache<lb/>
gar nicht so ernst. Es hängt gar nicht so sehr am Alten; welcher Mensch sträubt<lb/>
sich denn gegen das Neue, wenn er frisch tapezieren lassen muß? Werden unsre<lb/>
Tapeten schäbig, so gehn wir in den Laden und suchen uns neue ans, Farben und<lb/>
Muster, wie sie uns am besten gefallen oder am wenigsten zuwider sind, und über¬<lb/>
kleben jedes Vorwärtsstreben der Menschheit mit neuem, sobald das alte schmutzig ge¬<lb/>
worden und verschossen ist &#x2014; sind also jederzeit bei der Hand, eine nützliche Stufe<lb/>
der großen Treppe zu sein, die zum Allerhöchsten führt. Christiansen hat wirklich einen<lb/>
falschen Eindruck von uns, wenn er meint, wir ließen nicht zur rechten Zeit tape¬<lb/>
zieren und hingen zu sehr am Alten. Auch seine Tapeten werden an den Wänden<lb/>
kleben, und kein künftiges Jahrhundert wird sich schämen, daß man einmal anch so<lb/>
etwas angeklebt hat. Mit der Kunst hat es ja wirklich gar nichts zu thun. Das<lb/>
ist eine wunderliche Flitze von Christiansen. Er soll nur ruhig sein bescheidnes<lb/>
Metter betreiben für die bescheidnen Leute, denen es gefällt. Wir legen ihm keine<lb/>
Steine in den Weg. Und wir hoffen, daß sich in der Zwischenzeit seit der Ver¬<lb/>
sendung des Musterheftes &#x2014; wir fürchten, wir haben etwas viel davon verstreichen<lb/>
lassen, seit wir es mit der Aufforderung, uns zu äußern, zugesandt erhielten<lb/>
die Firma Tapetenfabrik Hansa, Jven u. Komp., Altona-Ottensen und die andre<lb/>
Firma, nachdem sie glücklich über das Eis gekommen waren, nicht gegenseitig die<lb/>
Hacken abgetreten haben auf der großen Treppe, die zur Schönheit hinauf führt.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Überzwerge.</head>
            <p xml:id="ID_2191"> In Tagesblättern liest man folgende Anzeige: Anleitung<lb/>
zum imponierender Auftreten nach der epochemachenden Methode von v. Juan<lb/>
de Lastanosa. Radikale Beseitigung von Schüchternheit, Befangenheit, Menschenscheu,<lb/>
Redefieber, Lampenfieber, Stottern, Sprachfehlern, Zittern, Erröten, Schwinden der<lb/>
Gedanken; von Linkshändigkeit, Schielen, Haaransfallen, Ausschlttgen, körperlichen<lb/>
Schönheitsfehlern, Fettleibigkeit, Magerkeit; Anleitung zur Erzielung schlanker und<lb/>
hoher Figur, guter Haltung, zur Kunst des Befehlens, zum Verbergen eigner Mängel<lb/>
und zur Sicherheit im öffentlichen Auftreten. Kein Geheimmittel und ohne jede<lb/>
Arznei. Broschüre mit Erfolgsbestätigung vou hoher Seite gratis und franko.<lb/>
Modern-Medizinischer Verlag. &#x2014; Ein Mensch also, der nach dieser Methode mit<lb/>
Erfolg behandelt worden ist, müßte sein: ein dreister, zungengewandter, unverfroruer,<lb/>
trainierter, muskelgestärkter, geschniegelter, anspruchsvoller, raisonnierender und<lb/>
kommandierender Strohkvpf mit steifen Hosen zum Verbergen etwaiger Krummbeine.<lb/>
Bücher werden geschrieben, daß sie verkauft werden. Auch der Moderne Verlag würde<lb/>
nicht sein Geld für das Buch und die Annonce ausgeben, wenn er nicht voraussetzte,<lb/>
sein Publikum zu haben. Darum haben solche Annoncen ein kulturhistorisches Interesse-<lb/>
Sage mir, was man dir zutraut, und ich will dir sagen, was dn bist. Es hat einmal<lb/>
eine Zeit gegeben, wo man Bescheidenheit für eine Tugend hielt. Es scheint, daß<lb/>
man sie heute für einen Fehler und &#x201E;imponierendes Auftreten" für ein hohes Gut<lb/>
ansieht. Es wäre interessant zu wissen, welcherlei Leute sich diese Anleitung kaufen.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <note type="byline"> Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig<lb/>
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig &#x2014; Druck von Carl Marqunrt in Leipzig</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0528] Maßgebliches und Unmaßgebliches und Pinsel, und es ist erklärlich, daß er es auf der großen Treppe der Kultur thut. Ja mau wird auch völlig damit übereinstimmen, daß das Erscheinen solcher Muster als eine ganz selbstverständliche Folge der wunderbaren Kunstentwicklung unsrer Tage betrachtet werden kann. Aber wir versteh» nicht recht, in welchem Zusammenhang eine große starke Kunst, die sich noch nach Jahrhunderten ihrer Existenz nicht schämen soll, gerade mit Tapetenmustern stehen kann, und vollends mit solchen, die wie diese „deutschen Tapeten und Friese" Christiausens so sehr den Stempel dessen, was wir als die andre Seite edeln Künstlertnms bezeichnet haben, der Bescheidenheit tragen. Wir glauben, Herr Christiansen nimmt die Sache zu schwer. Gewiß, bescheidner als diese Muster können keine andern sein; man könnte sie fast einfältig nennen, so einfältig, daß sie das Kunstgefühl des einfältigsten Menschen unsrer Tage auf der untersten Stufe der großen Treppe der Kultur nicht groß überraschen können. Warum sollte das Volk jahrhundertelang dagegen revoltieren? Es nimmt die Sache gar nicht so ernst. Es hängt gar nicht so sehr am Alten; welcher Mensch sträubt sich denn gegen das Neue, wenn er frisch tapezieren lassen muß? Werden unsre Tapeten schäbig, so gehn wir in den Laden und suchen uns neue ans, Farben und Muster, wie sie uns am besten gefallen oder am wenigsten zuwider sind, und über¬ kleben jedes Vorwärtsstreben der Menschheit mit neuem, sobald das alte schmutzig ge¬ worden und verschossen ist — sind also jederzeit bei der Hand, eine nützliche Stufe der großen Treppe zu sein, die zum Allerhöchsten führt. Christiansen hat wirklich einen falschen Eindruck von uns, wenn er meint, wir ließen nicht zur rechten Zeit tape¬ zieren und hingen zu sehr am Alten. Auch seine Tapeten werden an den Wänden kleben, und kein künftiges Jahrhundert wird sich schämen, daß man einmal anch so etwas angeklebt hat. Mit der Kunst hat es ja wirklich gar nichts zu thun. Das ist eine wunderliche Flitze von Christiansen. Er soll nur ruhig sein bescheidnes Metter betreiben für die bescheidnen Leute, denen es gefällt. Wir legen ihm keine Steine in den Weg. Und wir hoffen, daß sich in der Zwischenzeit seit der Ver¬ sendung des Musterheftes — wir fürchten, wir haben etwas viel davon verstreichen lassen, seit wir es mit der Aufforderung, uns zu äußern, zugesandt erhielten die Firma Tapetenfabrik Hansa, Jven u. Komp., Altona-Ottensen und die andre Firma, nachdem sie glücklich über das Eis gekommen waren, nicht gegenseitig die Hacken abgetreten haben auf der großen Treppe, die zur Schönheit hinauf führt. Überzwerge. In Tagesblättern liest man folgende Anzeige: Anleitung zum imponierender Auftreten nach der epochemachenden Methode von v. Juan de Lastanosa. Radikale Beseitigung von Schüchternheit, Befangenheit, Menschenscheu, Redefieber, Lampenfieber, Stottern, Sprachfehlern, Zittern, Erröten, Schwinden der Gedanken; von Linkshändigkeit, Schielen, Haaransfallen, Ausschlttgen, körperlichen Schönheitsfehlern, Fettleibigkeit, Magerkeit; Anleitung zur Erzielung schlanker und hoher Figur, guter Haltung, zur Kunst des Befehlens, zum Verbergen eigner Mängel und zur Sicherheit im öffentlichen Auftreten. Kein Geheimmittel und ohne jede Arznei. Broschüre mit Erfolgsbestätigung vou hoher Seite gratis und franko. Modern-Medizinischer Verlag. — Ein Mensch also, der nach dieser Methode mit Erfolg behandelt worden ist, müßte sein: ein dreister, zungengewandter, unverfroruer, trainierter, muskelgestärkter, geschniegelter, anspruchsvoller, raisonnierender und kommandierender Strohkvpf mit steifen Hosen zum Verbergen etwaiger Krummbeine. Bücher werden geschrieben, daß sie verkauft werden. Auch der Moderne Verlag würde nicht sein Geld für das Buch und die Annonce ausgeben, wenn er nicht voraussetzte, sein Publikum zu haben. Darum haben solche Annoncen ein kulturhistorisches Interesse- Sage mir, was man dir zutraut, und ich will dir sagen, was dn bist. Es hat einmal eine Zeit gegeben, wo man Bescheidenheit für eine Tugend hielt. Es scheint, daß man sie heute für einen Fehler und „imponierendes Auftreten" für ein hohes Gut ansieht. Es wäre interessant zu wissen, welcherlei Leute sich diese Anleitung kaufen. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marqunrt in Leipzig

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/528
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/528>, abgerufen am 29.04.2024.