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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Leistung er es bezeichnet, daß sie es "fertig gebracht haben, in die gut¬
ausgerichtete Front dieser Kurfürsten und Könige jder Siegesalleej etwas
Abwechslung zu bringen," und daß sie, "wenn es auch mir ein "Körnchen"
eignen Charakters war, das sie dabei hinzuthun durften, entsprechend etwa dem
"Rührt euch" bei einer Front aufgerichteter Soldaten," doch "aus dieser
modernen Sphinxallec etwas einigermaßen Ertragliches" gemacht haben, während
freilich, wenn diese "Statuen wirkliche Kunstwerke" hätten werden wollen, ein
"großer" Künstler hätte "an diese Aufgabe herantreten und bei ihrer Lösung
vollkommen freie Hand haben müssen," Aber der "große Künstler" Herrn
Professor Langes Hütte doch wohl auch zunächst und vor allen: ein Schema
für die Idee einer "Allee" erfinden müssen, in das er das Ganze hätte gießen
können. Übrigens halten wir es für gewiß, daß auch der wenigst gelungner
Gruppe der Siegesallcc, wenn sie irgendwo, in Dessau oder in Magdeburg
oder in Göttingen oder in.Königsberg, für sich aufgebaut worden wäre, nicht
der feierliche Umzug mit den Fahnen des Kriegervereins, der Gewerkschaften usw.
und die Weiherede "unsers verehrten Mitbürgers, des Professors T," versagt
geblieben wäre. Nur dadurch, daß sie alle in zwei Reihen nahe beisammen stehn,
scheinen sie das Gemüt mancher Leute zu vergewaltigen. Natürlich zumal
solcher, die sie gar nicht gesehen haben.

"Leider ist das nicht der Fall gewesen," sagt Lange, nämlich, daß den
Künstlern völlig freie Hand bei ihrer Arbeit gelassen worden wäre, wenn much
"der Kaiser "freilich" das Gegenteil versichert." Nun, wir glauben dem Kaiser
trotz Herrn Lange; wir glauben auch, daß der Weg, den der Kaiser in der
Siegesallee eingeschlagen hat, der richtige ist, das Volk zur Kunst zu erziehn --
es soll sich an der Schönheit erheben. Daß dazu solche Spießbürgerabgeschmackt¬
heiten wie die Wandbilder und Bilderbücher, die uns das Christfest beschert
hat, brauchbarer wären, kann uur die Beschränktheit glauben; über diesen Kram
lacht das Volk bloß. Und wir hoffen und glauben auch, daß die Worte des
.Kaisers doch einen starken Eindruck auf die Entwicklung der deutschen Kunst
haben werden, denn sie werden die Künstler, die echte Ideale im Herzen tragen,
ermutigen und ihnen die Kraft geben, den Mvdeschwindel zu überwinden.


I- G-


Die Toten von

um viertenmal liegt das interessante und musterhaft redigierte
Werk: Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog, heraus¬
gegeben von Anton Bettelheim (Berlin, Georg Reimer, 1900),
vor uns, und wie bei den frühern drei Bänden, so versuchen
wir auch diesesmal in einem Überblick die Summe des Verlusts
an bemerkenswerten Männern, den uns das Jahr 1899 gebracht
hat, zu ziehn. Er ist nicht so groß wie in den vorhergehenden Jahren. Den
Ehrenplatz nimmt unter den Verstorbnen von 1899 mit seinem dem Bande


Leistung er es bezeichnet, daß sie es „fertig gebracht haben, in die gut¬
ausgerichtete Front dieser Kurfürsten und Könige jder Siegesalleej etwas
Abwechslung zu bringen," und daß sie, „wenn es auch mir ein »Körnchen«
eignen Charakters war, das sie dabei hinzuthun durften, entsprechend etwa dem
»Rührt euch« bei einer Front aufgerichteter Soldaten," doch „aus dieser
modernen Sphinxallec etwas einigermaßen Ertragliches" gemacht haben, während
freilich, wenn diese „Statuen wirkliche Kunstwerke" hätten werden wollen, ein
„großer" Künstler hätte „an diese Aufgabe herantreten und bei ihrer Lösung
vollkommen freie Hand haben müssen," Aber der „große Künstler" Herrn
Professor Langes Hütte doch wohl auch zunächst und vor allen: ein Schema
für die Idee einer „Allee" erfinden müssen, in das er das Ganze hätte gießen
können. Übrigens halten wir es für gewiß, daß auch der wenigst gelungner
Gruppe der Siegesallcc, wenn sie irgendwo, in Dessau oder in Magdeburg
oder in Göttingen oder in.Königsberg, für sich aufgebaut worden wäre, nicht
der feierliche Umzug mit den Fahnen des Kriegervereins, der Gewerkschaften usw.
und die Weiherede „unsers verehrten Mitbürgers, des Professors T," versagt
geblieben wäre. Nur dadurch, daß sie alle in zwei Reihen nahe beisammen stehn,
scheinen sie das Gemüt mancher Leute zu vergewaltigen. Natürlich zumal
solcher, die sie gar nicht gesehen haben.

„Leider ist das nicht der Fall gewesen," sagt Lange, nämlich, daß den
Künstlern völlig freie Hand bei ihrer Arbeit gelassen worden wäre, wenn much
„der Kaiser »freilich« das Gegenteil versichert." Nun, wir glauben dem Kaiser
trotz Herrn Lange; wir glauben auch, daß der Weg, den der Kaiser in der
Siegesallee eingeschlagen hat, der richtige ist, das Volk zur Kunst zu erziehn —
es soll sich an der Schönheit erheben. Daß dazu solche Spießbürgerabgeschmackt¬
heiten wie die Wandbilder und Bilderbücher, die uns das Christfest beschert
hat, brauchbarer wären, kann uur die Beschränktheit glauben; über diesen Kram
lacht das Volk bloß. Und wir hoffen und glauben auch, daß die Worte des
.Kaisers doch einen starken Eindruck auf die Entwicklung der deutschen Kunst
haben werden, denn sie werden die Künstler, die echte Ideale im Herzen tragen,
ermutigen und ihnen die Kraft geben, den Mvdeschwindel zu überwinden.


I- G-


Die Toten von

um viertenmal liegt das interessante und musterhaft redigierte
Werk: Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog, heraus¬
gegeben von Anton Bettelheim (Berlin, Georg Reimer, 1900),
vor uns, und wie bei den frühern drei Bänden, so versuchen
wir auch diesesmal in einem Überblick die Summe des Verlusts
an bemerkenswerten Männern, den uns das Jahr 1899 gebracht
hat, zu ziehn. Er ist nicht so groß wie in den vorhergehenden Jahren. Den
Ehrenplatz nimmt unter den Verstorbnen von 1899 mit seinem dem Bande


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/568>, abgerufen am 29.04.2024.