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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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in einzelne stille Seen zerteilt werden wird, und dessen an der Wurzel ge-
troffnem blühendem Wachstum Verkümmerung und Verdorren folgen muß.

Ähnliche Erwägungen mögen in Bismarck den im Jahre 1886 aus¬
geführten Entschluß gereift haben, in dem Nationalitätskampf, der sich im
Preußischen Staatsgebiete zwischen Polen und Deutschen abspielte, die Macht¬
mittel des Staats nachdrücklicher zu Gunsten des bedrängten Deutschtums an¬
zuwenden. Seine Massenausweisungeu ausländischer Polen, durch die er zu¬
nächst das den freien Blick versperrende Gestrüpp entfernte, und weiterhin
dem preußischen Polentum die Möglichkeit reicher Verstärkung über die Reichs¬
grenze her abschnitt, beschränkten sich zwar durchaus auf die Verteidigung;
aber das Ansicdlungsgesetz, durch das eine Menge deutscher Sprachinseln
mitten im polnischen Sprachgebiet der Provinzen Posen und Westpreußen ge¬
schaffen werden mußte, trug um so entschiedner den Stempel des Angriffs:
die von polnischen Grundbesitzern erkauften Güter sollte" zur Errichtung
deutscher Bauernschaften verwandt, und durch fortschreitende" Auflauf des pol¬
nischen Großgrundbesitzes sollte eine stetige Erweiterung des deutschen Bauern¬
bodens erreicht werden. Und doch war Bismarcks alleiniges Ziel ausgesprochner-
maßen die Erhaltung des bedrohten Deutschtums unsrer Ostprovinzen, uicht
etwa die Vernichtung des dortige" Polentums; aber seine Taktik war ein
kühner Vorstoß, durch den bei sachgemäßer Durchführung die Kräfte unsers
Polentums schließlich gebrochen werde" mußten. Das war jedoch nicht der
Zweck, sondern uur ein Mittel zum Zweck; denn eine wirkliche Sicherung des
Deutschtums wird in unsern Ostprovinzen erst dann erreicht sein, wenn das
Polentum niedergerungen am Boden liegt.

(Schluß fol^t)




(Latholica
von Joseph Mayer
S. Die päpstlichen Diplomaten

s ist wohl allgemein bekannt, daß es unter den diplomatischen
Vertretungen der Kurie im Auslande vier Nuntiaturen erster
Klasse in Paris, Madrid, Lissabon und Wien, drei Nuntiaturen
zweiter Klasse in München, Brüssel lind Rio de Janeiro (Petro-
polis), zwei Jntermintiaturen im Haag und in Luxemburg und
sechs apostolische Delegationen in Südamerika giebt. Die andern kurialem Be¬
amten im Auslande haben zwar auch den Titel apostolische Delcgaten, hängen
iedoch von der Propaganda ab und haben keinen diplomatischen Charakter.

In frühern Jahrhunderten Ware" die Legaten und die Nmiticn fast durch¬
gängig die vorzüglichsten Diplomaten, die nur gelegentlich von den besten der
venetianischen Gesandten übertroffen wurden. Heute ist das infolge der Zeit-


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in einzelne stille Seen zerteilt werden wird, und dessen an der Wurzel ge-
troffnem blühendem Wachstum Verkümmerung und Verdorren folgen muß.

Ähnliche Erwägungen mögen in Bismarck den im Jahre 1886 aus¬
geführten Entschluß gereift haben, in dem Nationalitätskampf, der sich im
Preußischen Staatsgebiete zwischen Polen und Deutschen abspielte, die Macht¬
mittel des Staats nachdrücklicher zu Gunsten des bedrängten Deutschtums an¬
zuwenden. Seine Massenausweisungeu ausländischer Polen, durch die er zu¬
nächst das den freien Blick versperrende Gestrüpp entfernte, und weiterhin
dem preußischen Polentum die Möglichkeit reicher Verstärkung über die Reichs¬
grenze her abschnitt, beschränkten sich zwar durchaus auf die Verteidigung;
aber das Ansicdlungsgesetz, durch das eine Menge deutscher Sprachinseln
mitten im polnischen Sprachgebiet der Provinzen Posen und Westpreußen ge¬
schaffen werden mußte, trug um so entschiedner den Stempel des Angriffs:
die von polnischen Grundbesitzern erkauften Güter sollte» zur Errichtung
deutscher Bauernschaften verwandt, und durch fortschreitende» Auflauf des pol¬
nischen Großgrundbesitzes sollte eine stetige Erweiterung des deutschen Bauern¬
bodens erreicht werden. Und doch war Bismarcks alleiniges Ziel ausgesprochner-
maßen die Erhaltung des bedrohten Deutschtums unsrer Ostprovinzen, uicht
etwa die Vernichtung des dortige» Polentums; aber seine Taktik war ein
kühner Vorstoß, durch den bei sachgemäßer Durchführung die Kräfte unsers
Polentums schließlich gebrochen werde» mußten. Das war jedoch nicht der
Zweck, sondern uur ein Mittel zum Zweck; denn eine wirkliche Sicherung des
Deutschtums wird in unsern Ostprovinzen erst dann erreicht sein, wenn das
Polentum niedergerungen am Boden liegt.

(Schluß fol^t)




(Latholica
von Joseph Mayer
S. Die päpstlichen Diplomaten

s ist wohl allgemein bekannt, daß es unter den diplomatischen
Vertretungen der Kurie im Auslande vier Nuntiaturen erster
Klasse in Paris, Madrid, Lissabon und Wien, drei Nuntiaturen
zweiter Klasse in München, Brüssel lind Rio de Janeiro (Petro-
polis), zwei Jntermintiaturen im Haag und in Luxemburg und
sechs apostolische Delegationen in Südamerika giebt. Die andern kurialem Be¬
amten im Auslande haben zwar auch den Titel apostolische Delcgaten, hängen
iedoch von der Propaganda ab und haben keinen diplomatischen Charakter.

In frühern Jahrhunderten Ware» die Legaten und die Nmiticn fast durch¬
gängig die vorzüglichsten Diplomaten, die nur gelegentlich von den besten der
venetianischen Gesandten übertroffen wurden. Heute ist das infolge der Zeit-


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[0655] Lcitholica in einzelne stille Seen zerteilt werden wird, und dessen an der Wurzel ge- troffnem blühendem Wachstum Verkümmerung und Verdorren folgen muß. Ähnliche Erwägungen mögen in Bismarck den im Jahre 1886 aus¬ geführten Entschluß gereift haben, in dem Nationalitätskampf, der sich im Preußischen Staatsgebiete zwischen Polen und Deutschen abspielte, die Macht¬ mittel des Staats nachdrücklicher zu Gunsten des bedrängten Deutschtums an¬ zuwenden. Seine Massenausweisungeu ausländischer Polen, durch die er zu¬ nächst das den freien Blick versperrende Gestrüpp entfernte, und weiterhin dem preußischen Polentum die Möglichkeit reicher Verstärkung über die Reichs¬ grenze her abschnitt, beschränkten sich zwar durchaus auf die Verteidigung; aber das Ansicdlungsgesetz, durch das eine Menge deutscher Sprachinseln mitten im polnischen Sprachgebiet der Provinzen Posen und Westpreußen ge¬ schaffen werden mußte, trug um so entschiedner den Stempel des Angriffs: die von polnischen Grundbesitzern erkauften Güter sollte» zur Errichtung deutscher Bauernschaften verwandt, und durch fortschreitende» Auflauf des pol¬ nischen Großgrundbesitzes sollte eine stetige Erweiterung des deutschen Bauern¬ bodens erreicht werden. Und doch war Bismarcks alleiniges Ziel ausgesprochner- maßen die Erhaltung des bedrohten Deutschtums unsrer Ostprovinzen, uicht etwa die Vernichtung des dortige» Polentums; aber seine Taktik war ein kühner Vorstoß, durch den bei sachgemäßer Durchführung die Kräfte unsers Polentums schließlich gebrochen werde» mußten. Das war jedoch nicht der Zweck, sondern uur ein Mittel zum Zweck; denn eine wirkliche Sicherung des Deutschtums wird in unsern Ostprovinzen erst dann erreicht sein, wenn das Polentum niedergerungen am Boden liegt. (Schluß fol^t) (Latholica von Joseph Mayer S. Die päpstlichen Diplomaten s ist wohl allgemein bekannt, daß es unter den diplomatischen Vertretungen der Kurie im Auslande vier Nuntiaturen erster Klasse in Paris, Madrid, Lissabon und Wien, drei Nuntiaturen zweiter Klasse in München, Brüssel lind Rio de Janeiro (Petro- polis), zwei Jntermintiaturen im Haag und in Luxemburg und sechs apostolische Delegationen in Südamerika giebt. Die andern kurialem Be¬ amten im Auslande haben zwar auch den Titel apostolische Delcgaten, hängen iedoch von der Propaganda ab und haben keinen diplomatischen Charakter. In frühern Jahrhunderten Ware» die Legaten und die Nmiticn fast durch¬ gängig die vorzüglichsten Diplomaten, die nur gelegentlich von den besten der venetianischen Gesandten übertroffen wurden. Heute ist das infolge der Zeit-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/655>, abgerufen am 28.04.2024.