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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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"Unser" Herr schönerer

es für sie selber gut wäre, sich uns zu nähern, das soll erst die Zukunft
zeigen. Aber inzwischen gebietet es uns eigentlich die Höflichkeit, solche Be¬
suche zum Studium des nachbarlichen Seewesens zu erwidern; man würde an
der eignen Aufnahme auf französischem Boden dann schon ein besseres Bild
von der allgemeinen Stimmung für Deutschland gewinnen. Klarheit ist in
Lebensfragen wertvoll, jede Mißschützung sowohl nach der guten wie nach der
schlimmern Seite birgt Gefahr in sich.




"Unser" Herr schönerer

er neuste Streich des Abgeordneten schönerer ist, wie es scheint,
ziemlich allgemein, in Österreich und außerhalb, als etwas Rab-
biates angesehen worden, das ihm und seiner Partei mehr
Schaden Hütte thun können, wenn man überhaupt geneigt wäre,
das, was er thut, ernst zu nehmen und es nicht vielmehr als bis¬
weilen überaus geschmacklose und nicht immer sehr glücklich ersonnene Studenten-
streiche anzusehen.

Deutschland hat keinen Grund, besonders zu versichern, daß es bei dem
neusten Schönererschen Geniestreiche unbeteiligt sei: das versteht sich für jeden
denkenden Menschen von selbst. Aber es ist, hiervon abgesehen, doch vielleicht
gut, allzueifrige Altdeutsche darau zu erinnern, daß das seinerzeit von Deutsch¬
land mit Österreich geschlossene Bündnis wirklich von dem Vertreter der öster¬
reichischen Gesamtmonarchie und nicht bloß, wie sie zu glauben scheinen, vou
den österreichischen Deutschen eingegangen worden ist.

Der deutsche Staat nimmt den allergrößten Anteil daran, daß Österreich
österreichisch, das heißt einig und ungeteilt bleibe. Daran schließt sich der
weitere ebenso sehnliche Wunsch, daß es fortfahre, deutschfreundlich zu sein.
Wie sich sonst das Deutschtum in Österreich entwickelt und kräftigt, oder wie
es durch widrige Einflüsse gehemmt und beeinträchtigt werden mag, ist eine
Frage, die dem einzelnen Deutschen nud vielen deutschen Vereinen ohne Zweifel
sehr am Herzen liegen und ihnen wichtig erscheinen muß; die deutsche Negierung
dagegen wird nicht offiziell von ihr berührt und darf nicht offiziell von ihr
berührt werden, denn sie ist eine innere, interne, über die sich Österreich ohne
jede fremde Einmischung durchaus selbständig und auf eigne Hand schlüssig z"
machen hat.

Man kann die Erwägungen, von denen die rcichsdentschen Förderer der
alldeutschen Bewegung in Österreich geleitet werden, in teilnehmendster Weise
würdigen, ohne sich deshalb der Anschauung zu verschließen, daß eine vor¬
sichtige Trenmmg der deutschen auswärtigen Politik, insoweit dabei unser Ver¬
hältnis zu Österreich in Frage kommt, vou den Bestrebungen der in Österreich


„Unser" Herr schönerer

es für sie selber gut wäre, sich uns zu nähern, das soll erst die Zukunft
zeigen. Aber inzwischen gebietet es uns eigentlich die Höflichkeit, solche Be¬
suche zum Studium des nachbarlichen Seewesens zu erwidern; man würde an
der eignen Aufnahme auf französischem Boden dann schon ein besseres Bild
von der allgemeinen Stimmung für Deutschland gewinnen. Klarheit ist in
Lebensfragen wertvoll, jede Mißschützung sowohl nach der guten wie nach der
schlimmern Seite birgt Gefahr in sich.




„Unser" Herr schönerer

er neuste Streich des Abgeordneten schönerer ist, wie es scheint,
ziemlich allgemein, in Österreich und außerhalb, als etwas Rab-
biates angesehen worden, das ihm und seiner Partei mehr
Schaden Hütte thun können, wenn man überhaupt geneigt wäre,
das, was er thut, ernst zu nehmen und es nicht vielmehr als bis¬
weilen überaus geschmacklose und nicht immer sehr glücklich ersonnene Studenten-
streiche anzusehen.

Deutschland hat keinen Grund, besonders zu versichern, daß es bei dem
neusten Schönererschen Geniestreiche unbeteiligt sei: das versteht sich für jeden
denkenden Menschen von selbst. Aber es ist, hiervon abgesehen, doch vielleicht
gut, allzueifrige Altdeutsche darau zu erinnern, daß das seinerzeit von Deutsch¬
land mit Österreich geschlossene Bündnis wirklich von dem Vertreter der öster¬
reichischen Gesamtmonarchie und nicht bloß, wie sie zu glauben scheinen, vou
den österreichischen Deutschen eingegangen worden ist.

Der deutsche Staat nimmt den allergrößten Anteil daran, daß Österreich
österreichisch, das heißt einig und ungeteilt bleibe. Daran schließt sich der
weitere ebenso sehnliche Wunsch, daß es fortfahre, deutschfreundlich zu sein.
Wie sich sonst das Deutschtum in Österreich entwickelt und kräftigt, oder wie
es durch widrige Einflüsse gehemmt und beeinträchtigt werden mag, ist eine
Frage, die dem einzelnen Deutschen nud vielen deutschen Vereinen ohne Zweifel
sehr am Herzen liegen und ihnen wichtig erscheinen muß; die deutsche Negierung
dagegen wird nicht offiziell von ihr berührt und darf nicht offiziell von ihr
berührt werden, denn sie ist eine innere, interne, über die sich Österreich ohne
jede fremde Einmischung durchaus selbständig und auf eigne Hand schlüssig z»
machen hat.

Man kann die Erwägungen, von denen die rcichsdentschen Förderer der
alldeutschen Bewegung in Österreich geleitet werden, in teilnehmendster Weise
würdigen, ohne sich deshalb der Anschauung zu verschließen, daß eine vor¬
sichtige Trenmmg der deutschen auswärtigen Politik, insoweit dabei unser Ver¬
hältnis zu Österreich in Frage kommt, vou den Bestrebungen der in Österreich


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[0150] „Unser" Herr schönerer es für sie selber gut wäre, sich uns zu nähern, das soll erst die Zukunft zeigen. Aber inzwischen gebietet es uns eigentlich die Höflichkeit, solche Be¬ suche zum Studium des nachbarlichen Seewesens zu erwidern; man würde an der eignen Aufnahme auf französischem Boden dann schon ein besseres Bild von der allgemeinen Stimmung für Deutschland gewinnen. Klarheit ist in Lebensfragen wertvoll, jede Mißschützung sowohl nach der guten wie nach der schlimmern Seite birgt Gefahr in sich. „Unser" Herr schönerer er neuste Streich des Abgeordneten schönerer ist, wie es scheint, ziemlich allgemein, in Österreich und außerhalb, als etwas Rab- biates angesehen worden, das ihm und seiner Partei mehr Schaden Hütte thun können, wenn man überhaupt geneigt wäre, das, was er thut, ernst zu nehmen und es nicht vielmehr als bis¬ weilen überaus geschmacklose und nicht immer sehr glücklich ersonnene Studenten- streiche anzusehen. Deutschland hat keinen Grund, besonders zu versichern, daß es bei dem neusten Schönererschen Geniestreiche unbeteiligt sei: das versteht sich für jeden denkenden Menschen von selbst. Aber es ist, hiervon abgesehen, doch vielleicht gut, allzueifrige Altdeutsche darau zu erinnern, daß das seinerzeit von Deutsch¬ land mit Österreich geschlossene Bündnis wirklich von dem Vertreter der öster¬ reichischen Gesamtmonarchie und nicht bloß, wie sie zu glauben scheinen, vou den österreichischen Deutschen eingegangen worden ist. Der deutsche Staat nimmt den allergrößten Anteil daran, daß Österreich österreichisch, das heißt einig und ungeteilt bleibe. Daran schließt sich der weitere ebenso sehnliche Wunsch, daß es fortfahre, deutschfreundlich zu sein. Wie sich sonst das Deutschtum in Österreich entwickelt und kräftigt, oder wie es durch widrige Einflüsse gehemmt und beeinträchtigt werden mag, ist eine Frage, die dem einzelnen Deutschen nud vielen deutschen Vereinen ohne Zweifel sehr am Herzen liegen und ihnen wichtig erscheinen muß; die deutsche Negierung dagegen wird nicht offiziell von ihr berührt und darf nicht offiziell von ihr berührt werden, denn sie ist eine innere, interne, über die sich Österreich ohne jede fremde Einmischung durchaus selbständig und auf eigne Hand schlüssig z» machen hat. Man kann die Erwägungen, von denen die rcichsdentschen Förderer der alldeutschen Bewegung in Österreich geleitet werden, in teilnehmendster Weise würdigen, ohne sich deshalb der Anschauung zu verschließen, daß eine vor¬ sichtige Trenmmg der deutschen auswärtigen Politik, insoweit dabei unser Ver¬ hältnis zu Österreich in Frage kommt, vou den Bestrebungen der in Österreich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/150>, abgerufen am 29.04.2024.