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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Über den Begriff de- Läinonischen bei Goethe

sich zugleich das Verdienst erworben, die Funde aufs sorgfältigste aufzunehmen.
Was nicht an Ort und Stelle bleiben kann, also namentlich plastische Neste,
Terrakotten, Gefäße und dergleichen, wird zu einem besondern Forumsmuseum
in Santa Francesca Romnna vereinigt. Säulen und andre Architekturteile,
auch Statuen, wenn sie leidlich erhalten sind, werden am Fundorte möglichst
wieder aufgerichtet. Die Italiener befriedigen damit auch ein ästhetisches
Bedürfnis, wie ihre Vorfahren in der Renaissance; die deutschen Archäologen
sind damit nicht immer zufrieden, weil diese Restaurationen der vollen
Zuverlässigkeit zuweilen entbehren mögen. Aber dieses Verfahren ist doch
schließlich vernünftiger, als wenn man die Trümmer etwa in einem Museum
aufstapeln und dadurch aus ihrem natürlichen Zusammenhange reißen wollte.
Auch in der Würdigung der Ergebnisse sind Deutsche und Italiener hier
und da auseinandergegangen. Wenn Professor Luigi Ceei in Rom behauptet,
daß die Entdeckung (des Niger Lapis) sicher das Vertrauen auf das Wort
Niebuhrs und Mvmmsens abschwächen und die Hoffnung der wenigen, die
noch all die Autorität des Livius und an die historische Grundlage der
Tradition glauben, verstörten wird, so ist das im ersten Teile zuviel gesagt,
aber in der zweiten Hälfte nicht unrichtig. Denn die "Wissenschaft des
Spatens," die Mhkenä und Troja aus dein schwankenden Nebel der Sage
in das helle Licht der Wirklichkeit versetzt hat, sie hat jetzt auch den Beweis
erbracht, daß die Alllage des Forums und des Comitinins, also die Er¬
weiterung der Stadt über den Palatin hinaus wirklich bis in die frühere
Königszeit zurückreicht, und sie mahnt zur Vorsicht auch gegenüber andern
Nachrichten der litterarischen Tradition.




Über den Begriff des Dämonischen bei Goethe
Heinrich von Schoeler von

le Frage nach den religiösen Überzeugungen und der Auffassung
des Übersinnlichen bei einem Manne von solcher Geistesgröße
und universalen Begabung und dabei von so ausgeprägter selb-
stüudiger Art, wie Goethe, gehört zweifellos zu den interessan¬
testen psychologischen Problemen, die es geben kann. Denn es liegt
auf der Hand, daß die Vorstellung, die sich ein so hoher Genius vom Göttlichen
gemacht hat, mit den landläufigen platten Anschauungen nichts zu thun haben
kann, souderu etwas besondres ausweisen muß. In der That sagt Goethe
selbst hierüber (Gespräch mit Eckermann am 4. Januar 1824): "Ich glaubte an
Gott und die Natur und an den Sieg des Edeln über das Schlechte; aber
das war den frommen Seelen nicht genug, ich sollte auch glauben, daß Drei
Eins sei und Eins Drei: das aber widerstrebte dem Wahrheitsgefühl meiner


Über den Begriff de- Läinonischen bei Goethe

sich zugleich das Verdienst erworben, die Funde aufs sorgfältigste aufzunehmen.
Was nicht an Ort und Stelle bleiben kann, also namentlich plastische Neste,
Terrakotten, Gefäße und dergleichen, wird zu einem besondern Forumsmuseum
in Santa Francesca Romnna vereinigt. Säulen und andre Architekturteile,
auch Statuen, wenn sie leidlich erhalten sind, werden am Fundorte möglichst
wieder aufgerichtet. Die Italiener befriedigen damit auch ein ästhetisches
Bedürfnis, wie ihre Vorfahren in der Renaissance; die deutschen Archäologen
sind damit nicht immer zufrieden, weil diese Restaurationen der vollen
Zuverlässigkeit zuweilen entbehren mögen. Aber dieses Verfahren ist doch
schließlich vernünftiger, als wenn man die Trümmer etwa in einem Museum
aufstapeln und dadurch aus ihrem natürlichen Zusammenhange reißen wollte.
Auch in der Würdigung der Ergebnisse sind Deutsche und Italiener hier
und da auseinandergegangen. Wenn Professor Luigi Ceei in Rom behauptet,
daß die Entdeckung (des Niger Lapis) sicher das Vertrauen auf das Wort
Niebuhrs und Mvmmsens abschwächen und die Hoffnung der wenigen, die
noch all die Autorität des Livius und an die historische Grundlage der
Tradition glauben, verstörten wird, so ist das im ersten Teile zuviel gesagt,
aber in der zweiten Hälfte nicht unrichtig. Denn die „Wissenschaft des
Spatens," die Mhkenä und Troja aus dein schwankenden Nebel der Sage
in das helle Licht der Wirklichkeit versetzt hat, sie hat jetzt auch den Beweis
erbracht, daß die Alllage des Forums und des Comitinins, also die Er¬
weiterung der Stadt über den Palatin hinaus wirklich bis in die frühere
Königszeit zurückreicht, und sie mahnt zur Vorsicht auch gegenüber andern
Nachrichten der litterarischen Tradition.




Über den Begriff des Dämonischen bei Goethe
Heinrich von Schoeler von

le Frage nach den religiösen Überzeugungen und der Auffassung
des Übersinnlichen bei einem Manne von solcher Geistesgröße
und universalen Begabung und dabei von so ausgeprägter selb-
stüudiger Art, wie Goethe, gehört zweifellos zu den interessan¬
testen psychologischen Problemen, die es geben kann. Denn es liegt
auf der Hand, daß die Vorstellung, die sich ein so hoher Genius vom Göttlichen
gemacht hat, mit den landläufigen platten Anschauungen nichts zu thun haben
kann, souderu etwas besondres ausweisen muß. In der That sagt Goethe
selbst hierüber (Gespräch mit Eckermann am 4. Januar 1824): „Ich glaubte an
Gott und die Natur und an den Sieg des Edeln über das Schlechte; aber
das war den frommen Seelen nicht genug, ich sollte auch glauben, daß Drei
Eins sei und Eins Drei: das aber widerstrebte dem Wahrheitsgefühl meiner


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[0327] Über den Begriff de- Läinonischen bei Goethe sich zugleich das Verdienst erworben, die Funde aufs sorgfältigste aufzunehmen. Was nicht an Ort und Stelle bleiben kann, also namentlich plastische Neste, Terrakotten, Gefäße und dergleichen, wird zu einem besondern Forumsmuseum in Santa Francesca Romnna vereinigt. Säulen und andre Architekturteile, auch Statuen, wenn sie leidlich erhalten sind, werden am Fundorte möglichst wieder aufgerichtet. Die Italiener befriedigen damit auch ein ästhetisches Bedürfnis, wie ihre Vorfahren in der Renaissance; die deutschen Archäologen sind damit nicht immer zufrieden, weil diese Restaurationen der vollen Zuverlässigkeit zuweilen entbehren mögen. Aber dieses Verfahren ist doch schließlich vernünftiger, als wenn man die Trümmer etwa in einem Museum aufstapeln und dadurch aus ihrem natürlichen Zusammenhange reißen wollte. Auch in der Würdigung der Ergebnisse sind Deutsche und Italiener hier und da auseinandergegangen. Wenn Professor Luigi Ceei in Rom behauptet, daß die Entdeckung (des Niger Lapis) sicher das Vertrauen auf das Wort Niebuhrs und Mvmmsens abschwächen und die Hoffnung der wenigen, die noch all die Autorität des Livius und an die historische Grundlage der Tradition glauben, verstörten wird, so ist das im ersten Teile zuviel gesagt, aber in der zweiten Hälfte nicht unrichtig. Denn die „Wissenschaft des Spatens," die Mhkenä und Troja aus dein schwankenden Nebel der Sage in das helle Licht der Wirklichkeit versetzt hat, sie hat jetzt auch den Beweis erbracht, daß die Alllage des Forums und des Comitinins, also die Er¬ weiterung der Stadt über den Palatin hinaus wirklich bis in die frühere Königszeit zurückreicht, und sie mahnt zur Vorsicht auch gegenüber andern Nachrichten der litterarischen Tradition. Über den Begriff des Dämonischen bei Goethe Heinrich von Schoeler von le Frage nach den religiösen Überzeugungen und der Auffassung des Übersinnlichen bei einem Manne von solcher Geistesgröße und universalen Begabung und dabei von so ausgeprägter selb- stüudiger Art, wie Goethe, gehört zweifellos zu den interessan¬ testen psychologischen Problemen, die es geben kann. Denn es liegt auf der Hand, daß die Vorstellung, die sich ein so hoher Genius vom Göttlichen gemacht hat, mit den landläufigen platten Anschauungen nichts zu thun haben kann, souderu etwas besondres ausweisen muß. In der That sagt Goethe selbst hierüber (Gespräch mit Eckermann am 4. Januar 1824): „Ich glaubte an Gott und die Natur und an den Sieg des Edeln über das Schlechte; aber das war den frommen Seelen nicht genug, ich sollte auch glauben, daß Drei Eins sei und Eins Drei: das aber widerstrebte dem Wahrheitsgefühl meiner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/327>, abgerufen am 29.04.2024.