Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Doktor Duttmüller und sein Freund
Fritz Anders (Max Allihn) Line Geschichte aus der Gegenwart von
Dreizehntes Kapitel
ZVie der Direktor sein Grand mit Vieren spielte

! er Herr Direktor Wenzel saß in seinem Bureau. Er saß auf seinem
dreibeinigen Drehschemel, hatte die Beine hochgezogen und sah aus
I wie ein Apfel, der auf seinem Stiele balanciert. Ihm gegenüber an
! dem zweiseitigen Kvntorpulte stand Wandrer. Wandrer sah die ein-
gelaufnen Postsachen durch, und der Direktor hatte einen Bogen
! Papier vor sich liegen und rechnete. Jetzt machte er einen dicken
Strich unter die Rechnung und legte die Feder mit dem Ausdrucke der Befriedigung
nieder. Hierauf kletterte er von seinem Pultsessel herunter, ging ein paarmal im
Zimmer auf und ab und setzte sich dann in die Ecke des Sofas.

Herr Wandrer, hören Sie mal zu, sagte er.

Ich höre, erwiderte Wandrer.

Wieviel haben Sie sich denn bis jetzt gespart?

Wandrer sah überrascht auf. -- Finstres Geheimnis, Herr Direktor, ent¬
gegnen er.

In Geldsachen giebt es seit der Ära Miquel keine finstern Geheimnisse mehr,
sagte der Direktor. Ich wills Ihnen einmal vorrechnen. Sie vertreten jetzt das
Syndikat viereinhalb Jahr und haben ohne die Spesen 3600 Mark Gehalt gehabt.
Kommen die Reiscersparuisse dazu, ferner 3^ Promille Tantieme. Das macht in
Summa nach meinem Überschlage 8000 bis 9000 Mark, die Sie gespart haben.
Ist es noch nicht genau genug, so will ich Ihren Steuerzettel nachsehen und
annehmen, daß Sie ehrlich genug gewesen sind, zwei Drittel Ihres Einkommens
richtig angegeben zu haben.

Ist nicht nötig, sagte Wandrer lachend, die Rechnung stimmt schon auffällig.
Es würde mehr sein, wenn ich nicht --

Wenn Sie nicht Ihre Mutter unterstützt hätten, das habe ich schon in Rech¬
nung gesetzt. Also gut, nehmen wir an 8500 Mark. Das ist nicht gerade viel,
aber ein Anfang. Jetzt würde ich an Ihrer Stelle Heinrichshaller Kuxe kaufen.
Sie stehn heute Gott sei Dank 23. Tiefer durften wir sie anstandshalber nicht
sinken lassen. Nach dem nächsten Quartalsabschluß werden sie 60 stehn und übers
Jahr 120.

Wissen Sie das so genan?

Ganz genau. So gewiß es ist, daß wir bis jetzt nichts verdienen konnten,
so gewiß ist es, daß wir jetzt unsinniges Geld verdienen und beim Abschluß min¬
destens 10 Prozent Dividende geben werden. Das macht, Montnnwerte voraus¬
gesetzt, einen Kursstand von 160. Ich habe aber nur 120 angenommen.

Das heißt also, Sie haben bis jetzt nichts verdienen wollen, und wollen nun
losgehn.

So ungefähr.

Und da wollen Sie mich mitnehmen.




Doktor Duttmüller und sein Freund
Fritz Anders (Max Allihn) Line Geschichte aus der Gegenwart von
Dreizehntes Kapitel
ZVie der Direktor sein Grand mit Vieren spielte

! er Herr Direktor Wenzel saß in seinem Bureau. Er saß auf seinem
dreibeinigen Drehschemel, hatte die Beine hochgezogen und sah aus
I wie ein Apfel, der auf seinem Stiele balanciert. Ihm gegenüber an
! dem zweiseitigen Kvntorpulte stand Wandrer. Wandrer sah die ein-
gelaufnen Postsachen durch, und der Direktor hatte einen Bogen
! Papier vor sich liegen und rechnete. Jetzt machte er einen dicken
Strich unter die Rechnung und legte die Feder mit dem Ausdrucke der Befriedigung
nieder. Hierauf kletterte er von seinem Pultsessel herunter, ging ein paarmal im
Zimmer auf und ab und setzte sich dann in die Ecke des Sofas.

Herr Wandrer, hören Sie mal zu, sagte er.

Ich höre, erwiderte Wandrer.

Wieviel haben Sie sich denn bis jetzt gespart?

Wandrer sah überrascht auf. — Finstres Geheimnis, Herr Direktor, ent¬
gegnen er.

In Geldsachen giebt es seit der Ära Miquel keine finstern Geheimnisse mehr,
sagte der Direktor. Ich wills Ihnen einmal vorrechnen. Sie vertreten jetzt das
Syndikat viereinhalb Jahr und haben ohne die Spesen 3600 Mark Gehalt gehabt.
Kommen die Reiscersparuisse dazu, ferner 3^ Promille Tantieme. Das macht in
Summa nach meinem Überschlage 8000 bis 9000 Mark, die Sie gespart haben.
Ist es noch nicht genau genug, so will ich Ihren Steuerzettel nachsehen und
annehmen, daß Sie ehrlich genug gewesen sind, zwei Drittel Ihres Einkommens
richtig angegeben zu haben.

Ist nicht nötig, sagte Wandrer lachend, die Rechnung stimmt schon auffällig.
Es würde mehr sein, wenn ich nicht —

Wenn Sie nicht Ihre Mutter unterstützt hätten, das habe ich schon in Rech¬
nung gesetzt. Also gut, nehmen wir an 8500 Mark. Das ist nicht gerade viel,
aber ein Anfang. Jetzt würde ich an Ihrer Stelle Heinrichshaller Kuxe kaufen.
Sie stehn heute Gott sei Dank 23. Tiefer durften wir sie anstandshalber nicht
sinken lassen. Nach dem nächsten Quartalsabschluß werden sie 60 stehn und übers
Jahr 120.

Wissen Sie das so genan?

Ganz genau. So gewiß es ist, daß wir bis jetzt nichts verdienen konnten,
so gewiß ist es, daß wir jetzt unsinniges Geld verdienen und beim Abschluß min¬
destens 10 Prozent Dividende geben werden. Das macht, Montnnwerte voraus¬
gesetzt, einen Kursstand von 160. Ich habe aber nur 120 angenommen.

Das heißt also, Sie haben bis jetzt nichts verdienen wollen, und wollen nun
losgehn.

So ungefähr.

Und da wollen Sie mich mitnehmen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0050" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237336"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341875_237285/figures/grenzboten_341875_237285_237336_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Doktor Duttmüller und sein Freund<lb/><note type="byline"> Fritz Anders (Max Allihn)</note> Line Geschichte aus der Gegenwart von<lb/>
Dreizehntes Kapitel<lb/>
ZVie der Direktor sein Grand mit Vieren spielte </head><lb/>
          <p xml:id="ID_168"> ! er Herr Direktor Wenzel saß in seinem Bureau. Er saß auf seinem<lb/>
dreibeinigen Drehschemel, hatte die Beine hochgezogen und sah aus<lb/>
I wie ein Apfel, der auf seinem Stiele balanciert. Ihm gegenüber an<lb/>
! dem zweiseitigen Kvntorpulte stand Wandrer. Wandrer sah die ein-<lb/>
gelaufnen Postsachen durch, und der Direktor hatte einen Bogen<lb/>
! Papier vor sich liegen und rechnete.  Jetzt machte er einen dicken<lb/>
Strich unter die Rechnung und legte die Feder mit dem Ausdrucke der Befriedigung<lb/>
nieder.  Hierauf kletterte er von seinem Pultsessel herunter, ging ein paarmal im<lb/>
Zimmer auf und ab und setzte sich dann in die Ecke des Sofas.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_169"> Herr Wandrer, hören Sie mal zu, sagte er.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_170"> Ich höre, erwiderte Wandrer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_171"> Wieviel haben Sie sich denn bis jetzt gespart?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_172"> Wandrer sah überrascht auf. &#x2014; Finstres Geheimnis, Herr Direktor, ent¬<lb/>
gegnen er.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_173"> In Geldsachen giebt es seit der Ära Miquel keine finstern Geheimnisse mehr,<lb/>
sagte der Direktor. Ich wills Ihnen einmal vorrechnen. Sie vertreten jetzt das<lb/>
Syndikat viereinhalb Jahr und haben ohne die Spesen 3600 Mark Gehalt gehabt.<lb/>
Kommen die Reiscersparuisse dazu, ferner 3^ Promille Tantieme. Das macht in<lb/>
Summa nach meinem Überschlage 8000 bis 9000 Mark, die Sie gespart haben.<lb/>
Ist es noch nicht genau genug, so will ich Ihren Steuerzettel nachsehen und<lb/>
annehmen, daß Sie ehrlich genug gewesen sind, zwei Drittel Ihres Einkommens<lb/>
richtig angegeben zu haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_174"> Ist nicht nötig, sagte Wandrer lachend, die Rechnung stimmt schon auffällig.<lb/>
Es würde mehr sein, wenn ich nicht &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_175"> Wenn Sie nicht Ihre Mutter unterstützt hätten, das habe ich schon in Rech¬<lb/>
nung gesetzt. Also gut, nehmen wir an 8500 Mark. Das ist nicht gerade viel,<lb/>
aber ein Anfang. Jetzt würde ich an Ihrer Stelle Heinrichshaller Kuxe kaufen.<lb/>
Sie stehn heute Gott sei Dank 23. Tiefer durften wir sie anstandshalber nicht<lb/>
sinken lassen. Nach dem nächsten Quartalsabschluß werden sie 60 stehn und übers<lb/>
Jahr 120.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_176"> Wissen Sie das so genan?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_177"> Ganz genau. So gewiß es ist, daß wir bis jetzt nichts verdienen konnten,<lb/>
so gewiß ist es, daß wir jetzt unsinniges Geld verdienen und beim Abschluß min¬<lb/>
destens 10 Prozent Dividende geben werden. Das macht, Montnnwerte voraus¬<lb/>
gesetzt, einen Kursstand von 160.  Ich habe aber nur 120 angenommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_178"> Das heißt also, Sie haben bis jetzt nichts verdienen wollen, und wollen nun<lb/>
losgehn.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_179"> So ungefähr.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_180"> Und da wollen Sie mich mitnehmen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0050] [Abbildung] Doktor Duttmüller und sein Freund Fritz Anders (Max Allihn) Line Geschichte aus der Gegenwart von Dreizehntes Kapitel ZVie der Direktor sein Grand mit Vieren spielte ! er Herr Direktor Wenzel saß in seinem Bureau. Er saß auf seinem dreibeinigen Drehschemel, hatte die Beine hochgezogen und sah aus I wie ein Apfel, der auf seinem Stiele balanciert. Ihm gegenüber an ! dem zweiseitigen Kvntorpulte stand Wandrer. Wandrer sah die ein- gelaufnen Postsachen durch, und der Direktor hatte einen Bogen ! Papier vor sich liegen und rechnete. Jetzt machte er einen dicken Strich unter die Rechnung und legte die Feder mit dem Ausdrucke der Befriedigung nieder. Hierauf kletterte er von seinem Pultsessel herunter, ging ein paarmal im Zimmer auf und ab und setzte sich dann in die Ecke des Sofas. Herr Wandrer, hören Sie mal zu, sagte er. Ich höre, erwiderte Wandrer. Wieviel haben Sie sich denn bis jetzt gespart? Wandrer sah überrascht auf. — Finstres Geheimnis, Herr Direktor, ent¬ gegnen er. In Geldsachen giebt es seit der Ära Miquel keine finstern Geheimnisse mehr, sagte der Direktor. Ich wills Ihnen einmal vorrechnen. Sie vertreten jetzt das Syndikat viereinhalb Jahr und haben ohne die Spesen 3600 Mark Gehalt gehabt. Kommen die Reiscersparuisse dazu, ferner 3^ Promille Tantieme. Das macht in Summa nach meinem Überschlage 8000 bis 9000 Mark, die Sie gespart haben. Ist es noch nicht genau genug, so will ich Ihren Steuerzettel nachsehen und annehmen, daß Sie ehrlich genug gewesen sind, zwei Drittel Ihres Einkommens richtig angegeben zu haben. Ist nicht nötig, sagte Wandrer lachend, die Rechnung stimmt schon auffällig. Es würde mehr sein, wenn ich nicht — Wenn Sie nicht Ihre Mutter unterstützt hätten, das habe ich schon in Rech¬ nung gesetzt. Also gut, nehmen wir an 8500 Mark. Das ist nicht gerade viel, aber ein Anfang. Jetzt würde ich an Ihrer Stelle Heinrichshaller Kuxe kaufen. Sie stehn heute Gott sei Dank 23. Tiefer durften wir sie anstandshalber nicht sinken lassen. Nach dem nächsten Quartalsabschluß werden sie 60 stehn und übers Jahr 120. Wissen Sie das so genan? Ganz genau. So gewiß es ist, daß wir bis jetzt nichts verdienen konnten, so gewiß ist es, daß wir jetzt unsinniges Geld verdienen und beim Abschluß min¬ destens 10 Prozent Dividende geben werden. Das macht, Montnnwerte voraus¬ gesetzt, einen Kursstand von 160. Ich habe aber nur 120 angenommen. Das heißt also, Sie haben bis jetzt nichts verdienen wollen, und wollen nun losgehn. So ungefähr. Und da wollen Sie mich mitnehmen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/50
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/50>, abgerufen am 29.04.2024.