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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Kursächsische ^treifzüge
V.L.Schmidt von 8. Wittenberg
(Schluß)

"thers Wohnhaus ist bekanntlich das 1502 von Stanpitz in
spätgotischein Stil erbaute Schlafhnus tMrmitorinin) des Augn-
stinerklosters, das der Kurfürst bei der Auflösung des Konvents
Luther überließ, später (1532) ihm förmlich schenkte, und das
durch allerhnud Umbauten in ein großes Famitienhaus um-
--! gewandelt wurde, worin Luther zugleich auch seine Kollegien
as. Es lMe nicht viel gefehlt, so wäre dieses denkwürdige Haus von: Erd¬
boden vertilgt worden, denn nachdem es 1813 als französisches Lazarett ge¬
eilt hatte, überließ man es dem von Jahr zu Jahr fortschreitenden Verfall,
endlich Friedrich Wilhelm IV., durch den Minister Eichhorn von dem
uuwgen Zustande des Hauses unterrichtet, 1844 die Wiederherstellung be-
Mhl Sie geschah nach den Plänen Slüters in verschieden Abschnitten
1883. Jetzt nähert man sich dem stattlichen Hanse durch den mit Garten-
wtngen geschmückten Hof des Augusteums, das seinen Namen vom Kurfürsten
August führt und mit der Front 'in der Kollegienstraße steht.

Der erste Eindruck, den man von Luthers Behausung erhält, ist der
^I>er Ruhe und Abgeschiedenheit: hinter dem Hause und seinem Garten er-
^,x>? !uH einst die Stadtmauer und der Wall, davor war ein großer mit
^Man bepflanzter Platz -- nirgends ein störender Nachbar, das Ganze ein
""Isischer Wohnsitz für einen, der'mit sich selbst zu Rate gehn, innere Kämpfe
°urch>mache>, in"ß° Das Gebäude selbst betritt man durch ein 1540 von
^Uebers Hausfrau gestiftetes schönes Portal mit der für die Lage des Hauses
lud seinen Insassen gleich gut passenden Inschrift: 1" silentio se sxs frit
wrtituäo msÄ. Das eigentliche Heiligtum des Hauses sind die drei Haupt-
'Muner des ersten Stockes: erstens Luthers Wohn- und Familienzimmer, die
^genannte Lutherstube, zweitens die daneben liegende Schlafkammer und
^nttens die nach dein Garten zu liegende Slud'ierstnbe, in der er seine
"wßten Stunden erlebt hat, "daraus ich den Papst gestnrmer," wo er aber
. und den Kummer der Enttäuschung und die Oualeu der Anfechtung und des
Zweifels getragen hat. Von diesen' drei Räumen ist nur der erste, die Lnther-
d>!^' 'h^' ursprüngliche" Einrichtung erhalten. Noch sind ein der Holz-
^ete die bunten Blumen und die heitern Engels köpfe erkennbar, die auch in
^uthers großes Dasein hineinleuchteten, noch stehn der große phrcnniden-
^"uge Kachelofen und der schwere Familientisch an seiner Stelle, und vor
w,i erquickt uns der doppelte mit Holzwerk umgebne Sitz am großen und
Fenster, ans dem er mit seiner Hausfrau den im Hofe' spielenden
ändern zuschaute.

Immerhin hat man den Eindruck, das Werk der Erhaltung sei hier viel
'co> begonnen worden, als daß wir einen lebendigen Begriff von der
>">lslichkeit des großen Reformators bekommen könnten. Man wird sogar
dieser Stätte daran erinnert, daß das Bild des größten Deutschen jähr-




Kursächsische ^treifzüge
V.L.Schmidt von 8. Wittenberg
(Schluß)

»thers Wohnhaus ist bekanntlich das 1502 von Stanpitz in
spätgotischein Stil erbaute Schlafhnus tMrmitorinin) des Augn-
stinerklosters, das der Kurfürst bei der Auflösung des Konvents
Luther überließ, später (1532) ihm förmlich schenkte, und das
durch allerhnud Umbauten in ein großes Famitienhaus um-
—! gewandelt wurde, worin Luther zugleich auch seine Kollegien
as. Es lMe nicht viel gefehlt, so wäre dieses denkwürdige Haus von: Erd¬
boden vertilgt worden, denn nachdem es 1813 als französisches Lazarett ge¬
eilt hatte, überließ man es dem von Jahr zu Jahr fortschreitenden Verfall,
endlich Friedrich Wilhelm IV., durch den Minister Eichhorn von dem
uuwgen Zustande des Hauses unterrichtet, 1844 die Wiederherstellung be-
Mhl Sie geschah nach den Plänen Slüters in verschieden Abschnitten
1883. Jetzt nähert man sich dem stattlichen Hanse durch den mit Garten-
wtngen geschmückten Hof des Augusteums, das seinen Namen vom Kurfürsten
August führt und mit der Front 'in der Kollegienstraße steht.

Der erste Eindruck, den man von Luthers Behausung erhält, ist der
^I>er Ruhe und Abgeschiedenheit: hinter dem Hause und seinem Garten er-
^,x>? !uH einst die Stadtmauer und der Wall, davor war ein großer mit
^Man bepflanzter Platz — nirgends ein störender Nachbar, das Ganze ein
""Isischer Wohnsitz für einen, der'mit sich selbst zu Rate gehn, innere Kämpfe
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^Uebers Hausfrau gestiftetes schönes Portal mit der für die Lage des Hauses
lud seinen Insassen gleich gut passenden Inschrift: 1» silentio se sxs frit
wrtituäo msÄ. Das eigentliche Heiligtum des Hauses sind die drei Haupt-
'Muner des ersten Stockes: erstens Luthers Wohn- und Familienzimmer, die
^genannte Lutherstube, zweitens die daneben liegende Schlafkammer und
^nttens die nach dein Garten zu liegende Slud'ierstnbe, in der er seine
»wßten Stunden erlebt hat, „daraus ich den Papst gestnrmer," wo er aber
. und den Kummer der Enttäuschung und die Oualeu der Anfechtung und des
Zweifels getragen hat. Von diesen' drei Räumen ist nur der erste, die Lnther-
d>!^' 'h^' ursprüngliche» Einrichtung erhalten. Noch sind ein der Holz-
^ete die bunten Blumen und die heitern Engels köpfe erkennbar, die auch in
^uthers großes Dasein hineinleuchteten, noch stehn der große phrcnniden-
^"uge Kachelofen und der schwere Familientisch an seiner Stelle, und vor
w,i erquickt uns der doppelte mit Holzwerk umgebne Sitz am großen und
Fenster, ans dem er mit seiner Hausfrau den im Hofe' spielenden
ändern zuschaute.

Immerhin hat man den Eindruck, das Werk der Erhaltung sei hier viel
'co> begonnen worden, als daß wir einen lebendigen Begriff von der
>">lslichkeit des großen Reformators bekommen könnten. Man wird sogar
dieser Stätte daran erinnert, daß das Bild des größten Deutschen jähr-


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[0543] [Abbildung] Kursächsische ^treifzüge V.L.Schmidt von 8. Wittenberg (Schluß) »thers Wohnhaus ist bekanntlich das 1502 von Stanpitz in spätgotischein Stil erbaute Schlafhnus tMrmitorinin) des Augn- stinerklosters, das der Kurfürst bei der Auflösung des Konvents Luther überließ, später (1532) ihm förmlich schenkte, und das durch allerhnud Umbauten in ein großes Famitienhaus um- —! gewandelt wurde, worin Luther zugleich auch seine Kollegien as. Es lMe nicht viel gefehlt, so wäre dieses denkwürdige Haus von: Erd¬ boden vertilgt worden, denn nachdem es 1813 als französisches Lazarett ge¬ eilt hatte, überließ man es dem von Jahr zu Jahr fortschreitenden Verfall, endlich Friedrich Wilhelm IV., durch den Minister Eichhorn von dem uuwgen Zustande des Hauses unterrichtet, 1844 die Wiederherstellung be- Mhl Sie geschah nach den Plänen Slüters in verschieden Abschnitten 1883. Jetzt nähert man sich dem stattlichen Hanse durch den mit Garten- wtngen geschmückten Hof des Augusteums, das seinen Namen vom Kurfürsten August führt und mit der Front 'in der Kollegienstraße steht. Der erste Eindruck, den man von Luthers Behausung erhält, ist der ^I>er Ruhe und Abgeschiedenheit: hinter dem Hause und seinem Garten er- ^,x>? !uH einst die Stadtmauer und der Wall, davor war ein großer mit ^Man bepflanzter Platz — nirgends ein störender Nachbar, das Ganze ein ""Isischer Wohnsitz für einen, der'mit sich selbst zu Rate gehn, innere Kämpfe °urch>mache>, in»ß° Das Gebäude selbst betritt man durch ein 1540 von ^Uebers Hausfrau gestiftetes schönes Portal mit der für die Lage des Hauses lud seinen Insassen gleich gut passenden Inschrift: 1» silentio se sxs frit wrtituäo msÄ. Das eigentliche Heiligtum des Hauses sind die drei Haupt- 'Muner des ersten Stockes: erstens Luthers Wohn- und Familienzimmer, die ^genannte Lutherstube, zweitens die daneben liegende Schlafkammer und ^nttens die nach dein Garten zu liegende Slud'ierstnbe, in der er seine »wßten Stunden erlebt hat, „daraus ich den Papst gestnrmer," wo er aber . und den Kummer der Enttäuschung und die Oualeu der Anfechtung und des Zweifels getragen hat. Von diesen' drei Räumen ist nur der erste, die Lnther- d>!^' 'h^' ursprüngliche» Einrichtung erhalten. Noch sind ein der Holz- ^ete die bunten Blumen und die heitern Engels köpfe erkennbar, die auch in ^uthers großes Dasein hineinleuchteten, noch stehn der große phrcnniden- ^"uge Kachelofen und der schwere Familientisch an seiner Stelle, und vor w,i erquickt uns der doppelte mit Holzwerk umgebne Sitz am großen und Fenster, ans dem er mit seiner Hausfrau den im Hofe' spielenden ändern zuschaute. Immerhin hat man den Eindruck, das Werk der Erhaltung sei hier viel 'co> begonnen worden, als daß wir einen lebendigen Begriff von der >">lslichkeit des großen Reformators bekommen könnten. Man wird sogar dieser Stätte daran erinnert, daß das Bild des größten Deutschen jähr-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/543>, abgerufen am 29.04.2024.