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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Prüfung, die ihnen auch in Sachsen alle Universitütsfächcr öffnet, wirklich besonders
wertvoll ist, das ist stark zu bezweifeln; in, sueenm se sg.nxuin<zu geht das Griechische
auch tüchtigen Leuten -- und andre wagen die Probe nicht -- uns diesem Wege
nicht über. Was dann die historische Bildung, die doch auch und vornehmlich durch
den deutschen und den geschichtlichen Unterricht vermittelt wird, anbetrifft, so sind die
preußische" Lehrpläne von 1901 in beiden Fächern für das humanistische und das
Realgymnasium vollkommen gleich, in Sachsen unterscheiden sich die Vorschriften
bei der Verteilung des geschichtlichen Stoffs stärker, verfolgen aber dieselben Ziele.
Banausen wird es immer geben, aber von der Vorbildung hängt das nicht allein ab.

So lösen sich die sachlichen Gründe, die der Vertreter der Universität Leipzig
der Zulassung der (sächsischen) Realgymnasiasten zum juristischen Studium (in Leipzig)
entgegenhielt, bei näherer Betrachtung in eitel Dunst auf. Sie blieben auch in der
Kammer nicht unwidersprochen, denn der Oberbürgermeister vou Dresden, Dr. Beutler,
selbst der Zögling des humanistischen Gymnasiums Planen i. V., nahm die Real¬
gymnasien in Schutz, nur nicht energisch und eingehend genug. Aber die weitern
Gründe wurden gar nicht berührt, die Debatte stand keineswegs auf der Höhe des
Gegenstandes. Wir sind trotzdem der Überzeugung, daß, was in Preußen recht ist,
mich in Sachsen bald billig sein wird, und daß die Zeit, wo mau die eignen Landes¬
kinder in Leipzig schlechter behandelt als preußische Studenten, bald vorüber gehn
wird, ohne daß der sächsische Juristenstand von seiner Höhe herabsteigt.


Zur Kolonistenfrage.

Ein Leser schreibt uns: Mit großem Interesse habe
ich soeben in Nummer 22 der Grenzboten den Aufsatz vou R. Geest: "Rückständiges
in unsrer deutscheu Wehrordnung" gelesen; den Vorschlag, Unteroffiziere und Offiziere
als Landwirte anzusiedeln, kann man nur billigen. Aber etwas Neues ist dies nicht,
denn der alte Fritz hat nach Beendigung des siebenjährigen Krieges alte, aus¬
gediente Unteroffiziere im Spreewalde des Kottbuser Kreises, der nach seiner Meinung
als Ackerland wenig Wert hatte, angesiedelt. Jeder erhielt eine Fläche vou sechzehn
Magdeburger Morgen angewiesen, die er urbar machen und gegen einen jährlichen,
kleinen Erbzius als Eigentum besitzen und bewohnen sollte. Das war die Pension,
die der alte Fritz zahlte! Noch heute besitzt ein großer Teil der Kolonisten die
Urkunden. Leider mußten diese Ansiedler, da alles um sie her wendisch war, diese
Sprache erlernen, und jetzt sind es gerade ihre Nachkommen, die auf ihren einsamen
Höfen am zähesten und festesten an der wendischen Sprache festhalten. Ähnliches
würde freilich von den heutige" Unteroffizieren und bei den Verkehrserleichterungen
der Gegenwart nicht zu befürchten sein.






Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marqunrt in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Prüfung, die ihnen auch in Sachsen alle Universitütsfächcr öffnet, wirklich besonders
wertvoll ist, das ist stark zu bezweifeln; in, sueenm se sg.nxuin<zu geht das Griechische
auch tüchtigen Leuten — und andre wagen die Probe nicht — uns diesem Wege
nicht über. Was dann die historische Bildung, die doch auch und vornehmlich durch
den deutschen und den geschichtlichen Unterricht vermittelt wird, anbetrifft, so sind die
preußische« Lehrpläne von 1901 in beiden Fächern für das humanistische und das
Realgymnasium vollkommen gleich, in Sachsen unterscheiden sich die Vorschriften
bei der Verteilung des geschichtlichen Stoffs stärker, verfolgen aber dieselben Ziele.
Banausen wird es immer geben, aber von der Vorbildung hängt das nicht allein ab.

So lösen sich die sachlichen Gründe, die der Vertreter der Universität Leipzig
der Zulassung der (sächsischen) Realgymnasiasten zum juristischen Studium (in Leipzig)
entgegenhielt, bei näherer Betrachtung in eitel Dunst auf. Sie blieben auch in der
Kammer nicht unwidersprochen, denn der Oberbürgermeister vou Dresden, Dr. Beutler,
selbst der Zögling des humanistischen Gymnasiums Planen i. V., nahm die Real¬
gymnasien in Schutz, nur nicht energisch und eingehend genug. Aber die weitern
Gründe wurden gar nicht berührt, die Debatte stand keineswegs auf der Höhe des
Gegenstandes. Wir sind trotzdem der Überzeugung, daß, was in Preußen recht ist,
mich in Sachsen bald billig sein wird, und daß die Zeit, wo mau die eignen Landes¬
kinder in Leipzig schlechter behandelt als preußische Studenten, bald vorüber gehn
wird, ohne daß der sächsische Juristenstand von seiner Höhe herabsteigt.


Zur Kolonistenfrage.

Ein Leser schreibt uns: Mit großem Interesse habe
ich soeben in Nummer 22 der Grenzboten den Aufsatz vou R. Geest: „Rückständiges
in unsrer deutscheu Wehrordnung" gelesen; den Vorschlag, Unteroffiziere und Offiziere
als Landwirte anzusiedeln, kann man nur billigen. Aber etwas Neues ist dies nicht,
denn der alte Fritz hat nach Beendigung des siebenjährigen Krieges alte, aus¬
gediente Unteroffiziere im Spreewalde des Kottbuser Kreises, der nach seiner Meinung
als Ackerland wenig Wert hatte, angesiedelt. Jeder erhielt eine Fläche vou sechzehn
Magdeburger Morgen angewiesen, die er urbar machen und gegen einen jährlichen,
kleinen Erbzius als Eigentum besitzen und bewohnen sollte. Das war die Pension,
die der alte Fritz zahlte! Noch heute besitzt ein großer Teil der Kolonisten die
Urkunden. Leider mußten diese Ansiedler, da alles um sie her wendisch war, diese
Sprache erlernen, und jetzt sind es gerade ihre Nachkommen, die auf ihren einsamen
Höfen am zähesten und festesten an der wendischen Sprache festhalten. Ähnliches
würde freilich von den heutige» Unteroffizieren und bei den Verkehrserleichterungen
der Gegenwart nicht zu befürchten sein.






Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marqunrt in Leipzig
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[0632] Maßgebliches und Unmaßgebliches Prüfung, die ihnen auch in Sachsen alle Universitütsfächcr öffnet, wirklich besonders wertvoll ist, das ist stark zu bezweifeln; in, sueenm se sg.nxuin<zu geht das Griechische auch tüchtigen Leuten — und andre wagen die Probe nicht — uns diesem Wege nicht über. Was dann die historische Bildung, die doch auch und vornehmlich durch den deutschen und den geschichtlichen Unterricht vermittelt wird, anbetrifft, so sind die preußische« Lehrpläne von 1901 in beiden Fächern für das humanistische und das Realgymnasium vollkommen gleich, in Sachsen unterscheiden sich die Vorschriften bei der Verteilung des geschichtlichen Stoffs stärker, verfolgen aber dieselben Ziele. Banausen wird es immer geben, aber von der Vorbildung hängt das nicht allein ab. So lösen sich die sachlichen Gründe, die der Vertreter der Universität Leipzig der Zulassung der (sächsischen) Realgymnasiasten zum juristischen Studium (in Leipzig) entgegenhielt, bei näherer Betrachtung in eitel Dunst auf. Sie blieben auch in der Kammer nicht unwidersprochen, denn der Oberbürgermeister vou Dresden, Dr. Beutler, selbst der Zögling des humanistischen Gymnasiums Planen i. V., nahm die Real¬ gymnasien in Schutz, nur nicht energisch und eingehend genug. Aber die weitern Gründe wurden gar nicht berührt, die Debatte stand keineswegs auf der Höhe des Gegenstandes. Wir sind trotzdem der Überzeugung, daß, was in Preußen recht ist, mich in Sachsen bald billig sein wird, und daß die Zeit, wo mau die eignen Landes¬ kinder in Leipzig schlechter behandelt als preußische Studenten, bald vorüber gehn wird, ohne daß der sächsische Juristenstand von seiner Höhe herabsteigt. Zur Kolonistenfrage. Ein Leser schreibt uns: Mit großem Interesse habe ich soeben in Nummer 22 der Grenzboten den Aufsatz vou R. Geest: „Rückständiges in unsrer deutscheu Wehrordnung" gelesen; den Vorschlag, Unteroffiziere und Offiziere als Landwirte anzusiedeln, kann man nur billigen. Aber etwas Neues ist dies nicht, denn der alte Fritz hat nach Beendigung des siebenjährigen Krieges alte, aus¬ gediente Unteroffiziere im Spreewalde des Kottbuser Kreises, der nach seiner Meinung als Ackerland wenig Wert hatte, angesiedelt. Jeder erhielt eine Fläche vou sechzehn Magdeburger Morgen angewiesen, die er urbar machen und gegen einen jährlichen, kleinen Erbzius als Eigentum besitzen und bewohnen sollte. Das war die Pension, die der alte Fritz zahlte! Noch heute besitzt ein großer Teil der Kolonisten die Urkunden. Leider mußten diese Ansiedler, da alles um sie her wendisch war, diese Sprache erlernen, und jetzt sind es gerade ihre Nachkommen, die auf ihren einsamen Höfen am zähesten und festesten an der wendischen Sprache festhalten. Ähnliches würde freilich von den heutige» Unteroffizieren und bei den Verkehrserleichterungen der Gegenwart nicht zu befürchten sein. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marqunrt in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/632>, abgerufen am 29.04.2024.