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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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König Albert 5

/"^me schon lange mit Bangen erwartete und doch tief erschütternde
^ Trauerkunde ist in der Nacht des 19. Juni durch das deutsche
Land geflogen: König Albert von Sachsen ist nach langem, schwerem
Leiden, das er mit dem Heldenmute des echten Soldaten trug,
pflichttreu bis in die Stunden des schwindenden Bewußtseins hinein,
auf seinem herrlichen schlesischen Landsitze Sibyllenort inmitten der
Sommerpracht seiner Gärten sanft verschieden. Ein Landesherr echt
deutschen Gepräges, gewissenhaft, umsichtig, fest und mild, der jedem,
mit dem er sprach, die Empfindung zu geben wußte, daß er auf
seinem Arbeitsgebiet zu Hause sei und warmes Interesse dafür hege,
der siegreiche Feldherr des nationalen Krieges, dessen Scharfblick
und ruhige Entschlossenheit das blutige Ringen um Se. Privat
entschied, durch die Schlacht bei Beaumont die große Entscheidung
bei Sedan vorbereitete und an dieser selbst hervorragend mitwirkte,
um Paris den eisernen Gürtel schloß und alle Versuche zum Durch¬
bruch abwies, der treue, unbedingt zuverlässige Waffengenoffe des
alten Kaisers Wilhelm, der ihm zweimal, 1879 und 1886, den
Oberbefehl des deutschen Heeres zugedacht hatte und ihm vertraute,
wie sich selbst, der weise Reichsfürst, der sich ganz eingelebt hatte
in die neue Ordnung, der väterliche Freund und Berater unsers
Kaisers seit seinem Regierungsantritt, war er, alles in allem be¬
trachtet, der glücklichste und populärste Fürst, den Sachsen jemals
gehabt hat, und der erste, der den Segen des neuen Reichs an
sich selbst empfand, den Segen, daß der deutsche Fürstenstand, statt
sich auf den heimischen Staat zu beschränken, wieder mitarbeitet
an dem Wohle der ganzen Nation. Aufrichtig und tief ist deshalb
die Trauer um ihn, nicht nur in Sachsen, sondern im ganzen Reiche.
Uns aber, der ältern Generation, die wir mit vollem Bewußtsein, mit
Zorn und Freude, mit Schmerz und Jnbel die ganze schwere und
doch so große Zeit der Wiedergeburt Deutschlands durchlebt und
durchkämpft haben, wir fühlen diese Trauer als eine ganz persönliche,
denn mit König Albert ist uns ein lebendiges Stück ruhmvollster
Vergangenheit ins Grab gesunken; von den Paladinen Kaiser
Wilhelms des Siegreichen war er einer der letzten.

Noch hallt das Trauergeläute jeden Mittag von den Türmen
unsrer Kirchen, und noch wallen die Fahnen in schwarzem Flor.
Aber auch wenn alle diese äußern Anzeichen der Trauer verschwunden
sein werden, in den Herzen wird sie noch lange nachzittern, und
in der deutschen Geschichte wird König Albert immer fortleben
in seiner unwandelbaren Pflichttreue, seiner tiefen Herzensgüte,
"
seiner ganzen schlichten Männlichkeit.


König Albert 5

/«^me schon lange mit Bangen erwartete und doch tief erschütternde
^ Trauerkunde ist in der Nacht des 19. Juni durch das deutsche
Land geflogen: König Albert von Sachsen ist nach langem, schwerem
Leiden, das er mit dem Heldenmute des echten Soldaten trug,
pflichttreu bis in die Stunden des schwindenden Bewußtseins hinein,
auf seinem herrlichen schlesischen Landsitze Sibyllenort inmitten der
Sommerpracht seiner Gärten sanft verschieden. Ein Landesherr echt
deutschen Gepräges, gewissenhaft, umsichtig, fest und mild, der jedem,
mit dem er sprach, die Empfindung zu geben wußte, daß er auf
seinem Arbeitsgebiet zu Hause sei und warmes Interesse dafür hege,
der siegreiche Feldherr des nationalen Krieges, dessen Scharfblick
und ruhige Entschlossenheit das blutige Ringen um Se. Privat
entschied, durch die Schlacht bei Beaumont die große Entscheidung
bei Sedan vorbereitete und an dieser selbst hervorragend mitwirkte,
um Paris den eisernen Gürtel schloß und alle Versuche zum Durch¬
bruch abwies, der treue, unbedingt zuverlässige Waffengenoffe des
alten Kaisers Wilhelm, der ihm zweimal, 1879 und 1886, den
Oberbefehl des deutschen Heeres zugedacht hatte und ihm vertraute,
wie sich selbst, der weise Reichsfürst, der sich ganz eingelebt hatte
in die neue Ordnung, der väterliche Freund und Berater unsers
Kaisers seit seinem Regierungsantritt, war er, alles in allem be¬
trachtet, der glücklichste und populärste Fürst, den Sachsen jemals
gehabt hat, und der erste, der den Segen des neuen Reichs an
sich selbst empfand, den Segen, daß der deutsche Fürstenstand, statt
sich auf den heimischen Staat zu beschränken, wieder mitarbeitet
an dem Wohle der ganzen Nation. Aufrichtig und tief ist deshalb
die Trauer um ihn, nicht nur in Sachsen, sondern im ganzen Reiche.
Uns aber, der ältern Generation, die wir mit vollem Bewußtsein, mit
Zorn und Freude, mit Schmerz und Jnbel die ganze schwere und
doch so große Zeit der Wiedergeburt Deutschlands durchlebt und
durchkämpft haben, wir fühlen diese Trauer als eine ganz persönliche,
denn mit König Albert ist uns ein lebendiges Stück ruhmvollster
Vergangenheit ins Grab gesunken; von den Paladinen Kaiser
Wilhelms des Siegreichen war er einer der letzten.

Noch hallt das Trauergeläute jeden Mittag von den Türmen
unsrer Kirchen, und noch wallen die Fahnen in schwarzem Flor.
Aber auch wenn alle diese äußern Anzeichen der Trauer verschwunden
sein werden, in den Herzen wird sie noch lange nachzittern, und
in der deutschen Geschichte wird König Albert immer fortleben
in seiner unwandelbaren Pflichttreue, seiner tiefen Herzensgüte,
"
seiner ganzen schlichten Männlichkeit.


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[0689] König Albert 5 /«^me schon lange mit Bangen erwartete und doch tief erschütternde ^ Trauerkunde ist in der Nacht des 19. Juni durch das deutsche Land geflogen: König Albert von Sachsen ist nach langem, schwerem Leiden, das er mit dem Heldenmute des echten Soldaten trug, pflichttreu bis in die Stunden des schwindenden Bewußtseins hinein, auf seinem herrlichen schlesischen Landsitze Sibyllenort inmitten der Sommerpracht seiner Gärten sanft verschieden. Ein Landesherr echt deutschen Gepräges, gewissenhaft, umsichtig, fest und mild, der jedem, mit dem er sprach, die Empfindung zu geben wußte, daß er auf seinem Arbeitsgebiet zu Hause sei und warmes Interesse dafür hege, der siegreiche Feldherr des nationalen Krieges, dessen Scharfblick und ruhige Entschlossenheit das blutige Ringen um Se. Privat entschied, durch die Schlacht bei Beaumont die große Entscheidung bei Sedan vorbereitete und an dieser selbst hervorragend mitwirkte, um Paris den eisernen Gürtel schloß und alle Versuche zum Durch¬ bruch abwies, der treue, unbedingt zuverlässige Waffengenoffe des alten Kaisers Wilhelm, der ihm zweimal, 1879 und 1886, den Oberbefehl des deutschen Heeres zugedacht hatte und ihm vertraute, wie sich selbst, der weise Reichsfürst, der sich ganz eingelebt hatte in die neue Ordnung, der väterliche Freund und Berater unsers Kaisers seit seinem Regierungsantritt, war er, alles in allem be¬ trachtet, der glücklichste und populärste Fürst, den Sachsen jemals gehabt hat, und der erste, der den Segen des neuen Reichs an sich selbst empfand, den Segen, daß der deutsche Fürstenstand, statt sich auf den heimischen Staat zu beschränken, wieder mitarbeitet an dem Wohle der ganzen Nation. Aufrichtig und tief ist deshalb die Trauer um ihn, nicht nur in Sachsen, sondern im ganzen Reiche. Uns aber, der ältern Generation, die wir mit vollem Bewußtsein, mit Zorn und Freude, mit Schmerz und Jnbel die ganze schwere und doch so große Zeit der Wiedergeburt Deutschlands durchlebt und durchkämpft haben, wir fühlen diese Trauer als eine ganz persönliche, denn mit König Albert ist uns ein lebendiges Stück ruhmvollster Vergangenheit ins Grab gesunken; von den Paladinen Kaiser Wilhelms des Siegreichen war er einer der letzten. Noch hallt das Trauergeläute jeden Mittag von den Türmen unsrer Kirchen, und noch wallen die Fahnen in schwarzem Flor. Aber auch wenn alle diese äußern Anzeichen der Trauer verschwunden sein werden, in den Herzen wird sie noch lange nachzittern, und in der deutschen Geschichte wird König Albert immer fortleben in seiner unwandelbaren Pflichttreue, seiner tiefen Herzensgüte, " seiner ganzen schlichten Männlichkeit.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/689>, abgerufen am 29.04.2024.