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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Am Se, Godehard

sieben Burschen, sieben Trainfahrer vom Bock, vierzehn Stangenpferde, sieben
Fahrzeuge. Das dürfte für die Arbeitsleistung, die unsers Erachtens füglich vou
Leutnants nebenbei erledigt werden kann, doch wohl ein zu umständlicher und
auch zu kostspieliger Apparat sein.

Zum Schluß noch ein kurzes Wort über den Gerichtsherrn, der ja mich
sonst besonders solchen Leuten, die von dem Geist der preußischen Armee nicht
vollkommen durchdrungen sind, ein Dorn im Ange ist. Wir würden es für
einen der Armee äußerst gefährlichen Schritt halten, Kommandogewalt und
Gerichtsbarkeit zu trennen. Die Verantwortlichkeit für die Disziplin hängt
zu eng mit der Gerichtsbarkeit zusammen. Der Soldat darf auch in Straf¬
sachen keine andre Autorität kennen als die, die sich in seinen Vorgesetzten
verkörpert, sonst gerät die Armee auf eine schiefe Ebne. Glauben denn die
Gegner wirklich an die Mißstündc, die sie ausmalen? Man darf doch voraus¬
setzen, daß in die höhern Stellungen mit Gerichtsbarkeit nnr Männer kommen,
die wissen, daß Recht und Gesetz sich nicht nur mit Disziplin vertrüge, sondern
durchaus zusammengehört. Will man andrerseits im Ernst behaupten, daß die
Richter, besonders auch die drei bei den Standgerichten, fähig sind, sich durch
die thuen etwa bekannt gewordnen Ansichten des Regimentskommandeurs be¬
einflussen zu lassen? Das wäre ja jämmerlich! Trotz der kurzen Zeit des
Bestehns des neuen Verfahrens lehrt auch die Praxis schon, daß die ange¬
deuteten Befürchtungen unberechtigt sind. Die Spruchgerichte neigen durchaus
nicht dazu, sich der Ansicht des Gerichtsherrn oder der vom Vertreter der
Anklage vorgetragnen ohne weiteres anzuschließen. Das beweisen schon die
häusigen vom Gerichtsherrn sowohl zu Gunsten wie zu Ungunsten des An¬
geklagten eingelegten Berufungen, die in sehr vielen Füllen verworfen, also
gegen den Gerichtsherrn entschieden werden.

Kaum zwei Jahre ist die Militürstrafgerichtsordnung in Kraft. Das ist
zu kurz, als daß wir ein endgiltiges Urteil fällen könnten. Soviel aber ist
sicher, daß sie einen gewaltigen Fortschritt gegen früher bedeutet, und für uns
steht ebenso fest, daß grundsätzliche Änderungen in sogenannter liberaler Richtung
eine schwere Schädigung der Armee bedeuten würden.


v. scho artzkoppen. Major I. R. 3l


Am Se. Gotthard
Gelo Raemmel von

Eilpost
des ober heute aus Luzern kurz nach neun Uhr vormittags mitem
trtzuo clirsttiLsiuro der Gotthardbabn abführt, der hat kurz nach
drei Uhr nachmittags das weiße "Marmorgcbirge" des Dono
von Mailand vor sich. In sechs Stunden legt er im bequemen
^ Wagen eine Strecke zurück, für die in frühern Zeiten auch dre
mehrere Tage brauchte. Er sieht dabei die großartige Gebirgslandschaft
ern Reußthals bis Göschenen und das kaum weniger imposante, nur


Am Se, Godehard

sieben Burschen, sieben Trainfahrer vom Bock, vierzehn Stangenpferde, sieben
Fahrzeuge. Das dürfte für die Arbeitsleistung, die unsers Erachtens füglich vou
Leutnants nebenbei erledigt werden kann, doch wohl ein zu umständlicher und
auch zu kostspieliger Apparat sein.

Zum Schluß noch ein kurzes Wort über den Gerichtsherrn, der ja mich
sonst besonders solchen Leuten, die von dem Geist der preußischen Armee nicht
vollkommen durchdrungen sind, ein Dorn im Ange ist. Wir würden es für
einen der Armee äußerst gefährlichen Schritt halten, Kommandogewalt und
Gerichtsbarkeit zu trennen. Die Verantwortlichkeit für die Disziplin hängt
zu eng mit der Gerichtsbarkeit zusammen. Der Soldat darf auch in Straf¬
sachen keine andre Autorität kennen als die, die sich in seinen Vorgesetzten
verkörpert, sonst gerät die Armee auf eine schiefe Ebne. Glauben denn die
Gegner wirklich an die Mißstündc, die sie ausmalen? Man darf doch voraus¬
setzen, daß in die höhern Stellungen mit Gerichtsbarkeit nnr Männer kommen,
die wissen, daß Recht und Gesetz sich nicht nur mit Disziplin vertrüge, sondern
durchaus zusammengehört. Will man andrerseits im Ernst behaupten, daß die
Richter, besonders auch die drei bei den Standgerichten, fähig sind, sich durch
die thuen etwa bekannt gewordnen Ansichten des Regimentskommandeurs be¬
einflussen zu lassen? Das wäre ja jämmerlich! Trotz der kurzen Zeit des
Bestehns des neuen Verfahrens lehrt auch die Praxis schon, daß die ange¬
deuteten Befürchtungen unberechtigt sind. Die Spruchgerichte neigen durchaus
nicht dazu, sich der Ansicht des Gerichtsherrn oder der vom Vertreter der
Anklage vorgetragnen ohne weiteres anzuschließen. Das beweisen schon die
häusigen vom Gerichtsherrn sowohl zu Gunsten wie zu Ungunsten des An¬
geklagten eingelegten Berufungen, die in sehr vielen Füllen verworfen, also
gegen den Gerichtsherrn entschieden werden.

Kaum zwei Jahre ist die Militürstrafgerichtsordnung in Kraft. Das ist
zu kurz, als daß wir ein endgiltiges Urteil fällen könnten. Soviel aber ist
sicher, daß sie einen gewaltigen Fortschritt gegen früher bedeutet, und für uns
steht ebenso fest, daß grundsätzliche Änderungen in sogenannter liberaler Richtung
eine schwere Schädigung der Armee bedeuten würden.


v. scho artzkoppen. Major I. R. 3l


Am Se. Gotthard
Gelo Raemmel von

Eilpost
des ober heute aus Luzern kurz nach neun Uhr vormittags mitem
trtzuo clirsttiLsiuro der Gotthardbabn abführt, der hat kurz nach
drei Uhr nachmittags das weiße „Marmorgcbirge" des Dono
von Mailand vor sich. In sechs Stunden legt er im bequemen
^ Wagen eine Strecke zurück, für die in frühern Zeiten auch dre
mehrere Tage brauchte. Er sieht dabei die großartige Gebirgslandschaft
ern Reußthals bis Göschenen und das kaum weniger imposante, nur


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[0416] Am Se, Godehard sieben Burschen, sieben Trainfahrer vom Bock, vierzehn Stangenpferde, sieben Fahrzeuge. Das dürfte für die Arbeitsleistung, die unsers Erachtens füglich vou Leutnants nebenbei erledigt werden kann, doch wohl ein zu umständlicher und auch zu kostspieliger Apparat sein. Zum Schluß noch ein kurzes Wort über den Gerichtsherrn, der ja mich sonst besonders solchen Leuten, die von dem Geist der preußischen Armee nicht vollkommen durchdrungen sind, ein Dorn im Ange ist. Wir würden es für einen der Armee äußerst gefährlichen Schritt halten, Kommandogewalt und Gerichtsbarkeit zu trennen. Die Verantwortlichkeit für die Disziplin hängt zu eng mit der Gerichtsbarkeit zusammen. Der Soldat darf auch in Straf¬ sachen keine andre Autorität kennen als die, die sich in seinen Vorgesetzten verkörpert, sonst gerät die Armee auf eine schiefe Ebne. Glauben denn die Gegner wirklich an die Mißstündc, die sie ausmalen? Man darf doch voraus¬ setzen, daß in die höhern Stellungen mit Gerichtsbarkeit nnr Männer kommen, die wissen, daß Recht und Gesetz sich nicht nur mit Disziplin vertrüge, sondern durchaus zusammengehört. Will man andrerseits im Ernst behaupten, daß die Richter, besonders auch die drei bei den Standgerichten, fähig sind, sich durch die thuen etwa bekannt gewordnen Ansichten des Regimentskommandeurs be¬ einflussen zu lassen? Das wäre ja jämmerlich! Trotz der kurzen Zeit des Bestehns des neuen Verfahrens lehrt auch die Praxis schon, daß die ange¬ deuteten Befürchtungen unberechtigt sind. Die Spruchgerichte neigen durchaus nicht dazu, sich der Ansicht des Gerichtsherrn oder der vom Vertreter der Anklage vorgetragnen ohne weiteres anzuschließen. Das beweisen schon die häusigen vom Gerichtsherrn sowohl zu Gunsten wie zu Ungunsten des An¬ geklagten eingelegten Berufungen, die in sehr vielen Füllen verworfen, also gegen den Gerichtsherrn entschieden werden. Kaum zwei Jahre ist die Militürstrafgerichtsordnung in Kraft. Das ist zu kurz, als daß wir ein endgiltiges Urteil fällen könnten. Soviel aber ist sicher, daß sie einen gewaltigen Fortschritt gegen früher bedeutet, und für uns steht ebenso fest, daß grundsätzliche Änderungen in sogenannter liberaler Richtung eine schwere Schädigung der Armee bedeuten würden. v. scho artzkoppen. Major I. R. 3l Am Se. Gotthard Gelo Raemmel von Eilpost des ober heute aus Luzern kurz nach neun Uhr vormittags mitem trtzuo clirsttiLsiuro der Gotthardbabn abführt, der hat kurz nach drei Uhr nachmittags das weiße „Marmorgcbirge" des Dono von Mailand vor sich. In sechs Stunden legt er im bequemen ^ Wagen eine Strecke zurück, für die in frühern Zeiten auch dre mehrere Tage brauchte. Er sieht dabei die großartige Gebirgslandschaft ern Reußthals bis Göschenen und das kaum weniger imposante, nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/416>, abgerufen am 02.05.2024.