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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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wirkliche werden können, die für die Gründung maßgebend, jedoch durch dok-
trinelle und kircheupolitischc Streitigkeiten stark hintangesetzt worden waren.
Denn hat sich eine Universität auf ausschließlich katholischen Boden gestellt,
so steht und füllt sie mit der vollen Anerkennung des gesamten katholischen
Glaubens- lind Übcrlieferungsinhalts. Die Wahrheit dieses Satzes hat die kurze
Geschichte der katholische" Universität von Amerika schon so weit illustriert,
daß es nicht geraten erscheint, den Beweis für die Richtigkeit des Gegenteils
weiter fortzuführen, wie es bisher geschehn ist. Da man nicht annehme"
kann, daß die Prälaten von Se. Paul und Dnbuque, die bisher die Richtung
wesentlich unbestimmten, ihre Anschauungen ändern werden, so dürfte der erste
Schritt zur Sanierung der Verhältnisse in der Ausschaltung ihres Einflusses
liegen. Wenn dann weiterhin der jetzige Rektor etwas vorsichtiger im Ge¬
brauche der lateinischen Sprache werden würde, die gänzlich unbedeutenden Pro¬
fessoren durch bessere wissenschaftliche Kräfte ersetzt werden und der gesamte Lehr¬
körper -- Hyvernat und Bouquillon ausgenommen -- mehr wissenschaftliche
Leistungen von anerkannten objektivem Werte produzieren würde, so wäre das
als ein bedeutender Fortschritt mit Freude zu begrüßen. Der ziemlich gro߬
sprecherische Text des?sg.r-LooK müßte auch etwas umgestaltet werden, daß er
mehr den thatsächlichen, wesentlich bescheidnern wirklichen Verhältnissen ent¬
spreche, weil man bisher leider hat feststellen müssen, daß Wort und That
nicht immer zusammengehn. Bei der persönlichen Kenntnis, die ich von der
Universität und vielen ihrer Mitglieder habe, glaubte ich die vorstehenden Be-
merkungen als Zeichen meines aufrichtigen Interesses aussprechen zu sollen,
um mein Scherflein zur Besserung der Dinge beizutragen.




(Line ^ilvesterfeier im Zuchthaus

er Leser braucht vor dem Gange, zu dem ich ihn heute einlade,
kein Grauen zu empfinden. Was an dem Hause, in das ich
ihn führe, grauenhaft ist, verbirgt sich dem Blick des Unein¬
geweihten so vollständig, daß man flüchtige Besucher oft fast er¬
schrocken sagen hört: Aber nach allem, was ich hier gesehen
habe, sind diese Leute ja viel glücklicher darau, haben es viel besser, als so
mancher brave ehrliche Mann da draußen, der trotz des heißesten Ringens
mit dem Dasein nicht aus den Sorgen um die notwendigsten Bedürfnisse des
täglichen Lebens, um ein schützendes Obdach für seine Familie, um das täg¬
liche Brot für seiue Kinder herauskommt! -- Gewiß, o gewiß! für die Jnsasse"
dieses Hauses ist täglich der Tisch -- "gedeckt" kann man allerdings nicht
sagen, aber -- bereitet. Auf die Sekunde pünktlich wird ihnen dreimal täg¬
lich das Essen gebracht; auf die Sekunde pünktlich dürfen, nein -- müssen sie
ihre Lagerstatt, die gut und reinlich ist, aufsuchen; kein vergeblich Urbild
suchender ist unter den sechs bis acht Hunderten. Sogar für den täglichen


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wirkliche werden können, die für die Gründung maßgebend, jedoch durch dok-
trinelle und kircheupolitischc Streitigkeiten stark hintangesetzt worden waren.
Denn hat sich eine Universität auf ausschließlich katholischen Boden gestellt,
so steht und füllt sie mit der vollen Anerkennung des gesamten katholischen
Glaubens- lind Übcrlieferungsinhalts. Die Wahrheit dieses Satzes hat die kurze
Geschichte der katholische» Universität von Amerika schon so weit illustriert,
daß es nicht geraten erscheint, den Beweis für die Richtigkeit des Gegenteils
weiter fortzuführen, wie es bisher geschehn ist. Da man nicht annehme»
kann, daß die Prälaten von Se. Paul und Dnbuque, die bisher die Richtung
wesentlich unbestimmten, ihre Anschauungen ändern werden, so dürfte der erste
Schritt zur Sanierung der Verhältnisse in der Ausschaltung ihres Einflusses
liegen. Wenn dann weiterhin der jetzige Rektor etwas vorsichtiger im Ge¬
brauche der lateinischen Sprache werden würde, die gänzlich unbedeutenden Pro¬
fessoren durch bessere wissenschaftliche Kräfte ersetzt werden und der gesamte Lehr¬
körper — Hyvernat und Bouquillon ausgenommen — mehr wissenschaftliche
Leistungen von anerkannten objektivem Werte produzieren würde, so wäre das
als ein bedeutender Fortschritt mit Freude zu begrüßen. Der ziemlich gro߬
sprecherische Text des?sg.r-LooK müßte auch etwas umgestaltet werden, daß er
mehr den thatsächlichen, wesentlich bescheidnern wirklichen Verhältnissen ent¬
spreche, weil man bisher leider hat feststellen müssen, daß Wort und That
nicht immer zusammengehn. Bei der persönlichen Kenntnis, die ich von der
Universität und vielen ihrer Mitglieder habe, glaubte ich die vorstehenden Be-
merkungen als Zeichen meines aufrichtigen Interesses aussprechen zu sollen,
um mein Scherflein zur Besserung der Dinge beizutragen.




(Line ^ilvesterfeier im Zuchthaus

er Leser braucht vor dem Gange, zu dem ich ihn heute einlade,
kein Grauen zu empfinden. Was an dem Hause, in das ich
ihn führe, grauenhaft ist, verbirgt sich dem Blick des Unein¬
geweihten so vollständig, daß man flüchtige Besucher oft fast er¬
schrocken sagen hört: Aber nach allem, was ich hier gesehen
habe, sind diese Leute ja viel glücklicher darau, haben es viel besser, als so
mancher brave ehrliche Mann da draußen, der trotz des heißesten Ringens
mit dem Dasein nicht aus den Sorgen um die notwendigsten Bedürfnisse des
täglichen Lebens, um ein schützendes Obdach für seine Familie, um das täg¬
liche Brot für seiue Kinder herauskommt! — Gewiß, o gewiß! für die Jnsasse»
dieses Hauses ist täglich der Tisch — „gedeckt" kann man allerdings nicht
sagen, aber — bereitet. Auf die Sekunde pünktlich wird ihnen dreimal täg¬
lich das Essen gebracht; auf die Sekunde pünktlich dürfen, nein — müssen sie
ihre Lagerstatt, die gut und reinlich ist, aufsuchen; kein vergeblich Urbild
suchender ist unter den sechs bis acht Hunderten. Sogar für den täglichen


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[0722] Line L no esterfei er im Zuchthaus wirkliche werden können, die für die Gründung maßgebend, jedoch durch dok- trinelle und kircheupolitischc Streitigkeiten stark hintangesetzt worden waren. Denn hat sich eine Universität auf ausschließlich katholischen Boden gestellt, so steht und füllt sie mit der vollen Anerkennung des gesamten katholischen Glaubens- lind Übcrlieferungsinhalts. Die Wahrheit dieses Satzes hat die kurze Geschichte der katholische» Universität von Amerika schon so weit illustriert, daß es nicht geraten erscheint, den Beweis für die Richtigkeit des Gegenteils weiter fortzuführen, wie es bisher geschehn ist. Da man nicht annehme» kann, daß die Prälaten von Se. Paul und Dnbuque, die bisher die Richtung wesentlich unbestimmten, ihre Anschauungen ändern werden, so dürfte der erste Schritt zur Sanierung der Verhältnisse in der Ausschaltung ihres Einflusses liegen. Wenn dann weiterhin der jetzige Rektor etwas vorsichtiger im Ge¬ brauche der lateinischen Sprache werden würde, die gänzlich unbedeutenden Pro¬ fessoren durch bessere wissenschaftliche Kräfte ersetzt werden und der gesamte Lehr¬ körper — Hyvernat und Bouquillon ausgenommen — mehr wissenschaftliche Leistungen von anerkannten objektivem Werte produzieren würde, so wäre das als ein bedeutender Fortschritt mit Freude zu begrüßen. Der ziemlich gro߬ sprecherische Text des?sg.r-LooK müßte auch etwas umgestaltet werden, daß er mehr den thatsächlichen, wesentlich bescheidnern wirklichen Verhältnissen ent¬ spreche, weil man bisher leider hat feststellen müssen, daß Wort und That nicht immer zusammengehn. Bei der persönlichen Kenntnis, die ich von der Universität und vielen ihrer Mitglieder habe, glaubte ich die vorstehenden Be- merkungen als Zeichen meines aufrichtigen Interesses aussprechen zu sollen, um mein Scherflein zur Besserung der Dinge beizutragen. (Line ^ilvesterfeier im Zuchthaus er Leser braucht vor dem Gange, zu dem ich ihn heute einlade, kein Grauen zu empfinden. Was an dem Hause, in das ich ihn führe, grauenhaft ist, verbirgt sich dem Blick des Unein¬ geweihten so vollständig, daß man flüchtige Besucher oft fast er¬ schrocken sagen hört: Aber nach allem, was ich hier gesehen habe, sind diese Leute ja viel glücklicher darau, haben es viel besser, als so mancher brave ehrliche Mann da draußen, der trotz des heißesten Ringens mit dem Dasein nicht aus den Sorgen um die notwendigsten Bedürfnisse des täglichen Lebens, um ein schützendes Obdach für seine Familie, um das täg¬ liche Brot für seiue Kinder herauskommt! — Gewiß, o gewiß! für die Jnsasse» dieses Hauses ist täglich der Tisch — „gedeckt" kann man allerdings nicht sagen, aber — bereitet. Auf die Sekunde pünktlich wird ihnen dreimal täg¬ lich das Essen gebracht; auf die Sekunde pünktlich dürfen, nein — müssen sie ihre Lagerstatt, die gut und reinlich ist, aufsuchen; kein vergeblich Urbild suchender ist unter den sechs bis acht Hunderten. Sogar für den täglichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/722>, abgerufen am 02.05.2024.