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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Roon

Deutschen Reich verboten --, sondern gegen den einzelnen deutschen Jesuiten,
mich wenn er die unbescholtenste Persönlichkeit ist. Daß dus Zentrum auch
nach Abschaffung des Paragraphen 2 fortfahren wird, die Wiederzulassung des
Ordens selbst zu verlangen, ist kein Grund, die Aufhebung dieser das katho¬
lische Rechtsgefühl verletzenden Ausnahmebestimmung zu verweigern. Über die
schreckvolleu Züge, in denen der Jesuitenorden in der protestantischen Phantasie
ausgemalt wird, soll hier nichts gesagt werden. Richtig ist, daß er in be¬
sondern, Grade den internationalen Charakter trägt, den auch die übrigen Orden
mehr oder weniger haben. Immerhin find diese letzten mehr bodenständig, und
soweit ihre Wirksamkeit nicht in Krankenpflege nud Unterrichten aufgeht, mehr
auf das innere religiöse Leben gerichtet; ihr kirchlich-politischer Einfluß ans die
Bevölkerung aber kann nach dem oben gesagten mit dem der Pfarrgeistlichkeit
nicht verglichen werden. Auch die Jesuitemiiissioucn waren nicht etwa politische
Wahlfeldzüge, sondern sie hatten den Charakter von religiösen Revivals, die
ihres großen äußern Erfolges wegen der Ortsgeistlichkeit oft unbequem waren.
Überhaupt wirken Pfarrgeistliche und Ordensleute keineswegs immer in voller
Einmütigkeit zusammen. Daß ein Gegensatz zwischen ihnen besteh,, könne,
wird zwar theoretisch nicht anerkannt, weil ein solcher dem Gebot der Selbst¬
verleugnung und der Unterordnung aller persönlichen Gefühle unter die höhern
Interessen der Kirche widerspricht. Aber schließlich sind auch die katholische,,
Pfarrer Menschen, und viele empfinden es tatsächlich unangenehm, wenn andre
geistliche Einflüsse in die ihnen zustehende Sphäre eingreifen und sie in den
Augen ihrer Gemeinde in die zweite Stelle drängen. Dagegen sträuben sich
schon ihre deutschen Anschniuingeu von administrativer Ordnung, und so entsteht
in den Kreisen der Weltgeistlichkeit, die im übrigen der römisch-katholischen Partei¬
politik treue Gefolgschaft leisten, doch vielfach eine instinktive Reaktion, die nur zur
Belebung und Stärkung ihrer deutsch-vaterländischen Gesinnung dienen kann.




Roon
Zu feinem hundertsten Geburtstage

Q drinne"? robur! In der großen Dreiheit, die in der Zeit
unsrer Eiuigungskämpfe Preußens und Deutschlands Stärke war:
Vismarck, Moltke, Roon, ist der Kriegsminister in der Regel
der zuletzt genannte, aber sein Anteil an dem, was wir vor einen,
Menschenalter glorreich errungen haben, steht dennoch hinter dem
Lorbeer Moltkes nicht zurück. Roon hat nicht Schlachten befehligt, hat nicht
den Heere" ihre Operationen vorgeschrieben, aber er hat die Heere geschaffen,
mit denen wir unsre Kriege führen konnten. Der tadellos arbeitende Heeres-
orgauismus, der für Moltkes Berechnung die erste und sicherste Unterlage
bildete, war Novus Werk. Dem Verfasser dieser Zeilen sagte Vogel von Falcken-
steiu, der Führer der Mninarmee, im Jahre lW7: "Dus Großartigste in
diesen, Kriege waren in meine" Auge" die Leistungen des Kriegsministeriums.


Roon

Deutschen Reich verboten —, sondern gegen den einzelnen deutschen Jesuiten,
mich wenn er die unbescholtenste Persönlichkeit ist. Daß dus Zentrum auch
nach Abschaffung des Paragraphen 2 fortfahren wird, die Wiederzulassung des
Ordens selbst zu verlangen, ist kein Grund, die Aufhebung dieser das katho¬
lische Rechtsgefühl verletzenden Ausnahmebestimmung zu verweigern. Über die
schreckvolleu Züge, in denen der Jesuitenorden in der protestantischen Phantasie
ausgemalt wird, soll hier nichts gesagt werden. Richtig ist, daß er in be¬
sondern, Grade den internationalen Charakter trägt, den auch die übrigen Orden
mehr oder weniger haben. Immerhin find diese letzten mehr bodenständig, und
soweit ihre Wirksamkeit nicht in Krankenpflege nud Unterrichten aufgeht, mehr
auf das innere religiöse Leben gerichtet; ihr kirchlich-politischer Einfluß ans die
Bevölkerung aber kann nach dem oben gesagten mit dem der Pfarrgeistlichkeit
nicht verglichen werden. Auch die Jesuitemiiissioucn waren nicht etwa politische
Wahlfeldzüge, sondern sie hatten den Charakter von religiösen Revivals, die
ihres großen äußern Erfolges wegen der Ortsgeistlichkeit oft unbequem waren.
Überhaupt wirken Pfarrgeistliche und Ordensleute keineswegs immer in voller
Einmütigkeit zusammen. Daß ein Gegensatz zwischen ihnen besteh,, könne,
wird zwar theoretisch nicht anerkannt, weil ein solcher dem Gebot der Selbst¬
verleugnung und der Unterordnung aller persönlichen Gefühle unter die höhern
Interessen der Kirche widerspricht. Aber schließlich sind auch die katholische,,
Pfarrer Menschen, und viele empfinden es tatsächlich unangenehm, wenn andre
geistliche Einflüsse in die ihnen zustehende Sphäre eingreifen und sie in den
Augen ihrer Gemeinde in die zweite Stelle drängen. Dagegen sträuben sich
schon ihre deutschen Anschniuingeu von administrativer Ordnung, und so entsteht
in den Kreisen der Weltgeistlichkeit, die im übrigen der römisch-katholischen Partei¬
politik treue Gefolgschaft leisten, doch vielfach eine instinktive Reaktion, die nur zur
Belebung und Stärkung ihrer deutsch-vaterländischen Gesinnung dienen kann.




Roon
Zu feinem hundertsten Geburtstage

Q drinne«? robur! In der großen Dreiheit, die in der Zeit
unsrer Eiuigungskämpfe Preußens und Deutschlands Stärke war:
Vismarck, Moltke, Roon, ist der Kriegsminister in der Regel
der zuletzt genannte, aber sein Anteil an dem, was wir vor einen,
Menschenalter glorreich errungen haben, steht dennoch hinter dem
Lorbeer Moltkes nicht zurück. Roon hat nicht Schlachten befehligt, hat nicht
den Heere» ihre Operationen vorgeschrieben, aber er hat die Heere geschaffen,
mit denen wir unsre Kriege führen konnten. Der tadellos arbeitende Heeres-
orgauismus, der für Moltkes Berechnung die erste und sicherste Unterlage
bildete, war Novus Werk. Dem Verfasser dieser Zeilen sagte Vogel von Falcken-
steiu, der Führer der Mninarmee, im Jahre lW7: „Dus Großartigste in
diesen, Kriege waren in meine» Auge» die Leistungen des Kriegsministeriums.


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[0253] Roon Deutschen Reich verboten —, sondern gegen den einzelnen deutschen Jesuiten, mich wenn er die unbescholtenste Persönlichkeit ist. Daß dus Zentrum auch nach Abschaffung des Paragraphen 2 fortfahren wird, die Wiederzulassung des Ordens selbst zu verlangen, ist kein Grund, die Aufhebung dieser das katho¬ lische Rechtsgefühl verletzenden Ausnahmebestimmung zu verweigern. Über die schreckvolleu Züge, in denen der Jesuitenorden in der protestantischen Phantasie ausgemalt wird, soll hier nichts gesagt werden. Richtig ist, daß er in be¬ sondern, Grade den internationalen Charakter trägt, den auch die übrigen Orden mehr oder weniger haben. Immerhin find diese letzten mehr bodenständig, und soweit ihre Wirksamkeit nicht in Krankenpflege nud Unterrichten aufgeht, mehr auf das innere religiöse Leben gerichtet; ihr kirchlich-politischer Einfluß ans die Bevölkerung aber kann nach dem oben gesagten mit dem der Pfarrgeistlichkeit nicht verglichen werden. Auch die Jesuitemiiissioucn waren nicht etwa politische Wahlfeldzüge, sondern sie hatten den Charakter von religiösen Revivals, die ihres großen äußern Erfolges wegen der Ortsgeistlichkeit oft unbequem waren. Überhaupt wirken Pfarrgeistliche und Ordensleute keineswegs immer in voller Einmütigkeit zusammen. Daß ein Gegensatz zwischen ihnen besteh,, könne, wird zwar theoretisch nicht anerkannt, weil ein solcher dem Gebot der Selbst¬ verleugnung und der Unterordnung aller persönlichen Gefühle unter die höhern Interessen der Kirche widerspricht. Aber schließlich sind auch die katholische,, Pfarrer Menschen, und viele empfinden es tatsächlich unangenehm, wenn andre geistliche Einflüsse in die ihnen zustehende Sphäre eingreifen und sie in den Augen ihrer Gemeinde in die zweite Stelle drängen. Dagegen sträuben sich schon ihre deutschen Anschniuingeu von administrativer Ordnung, und so entsteht in den Kreisen der Weltgeistlichkeit, die im übrigen der römisch-katholischen Partei¬ politik treue Gefolgschaft leisten, doch vielfach eine instinktive Reaktion, die nur zur Belebung und Stärkung ihrer deutsch-vaterländischen Gesinnung dienen kann. Roon Zu feinem hundertsten Geburtstage Q drinne«? robur! In der großen Dreiheit, die in der Zeit unsrer Eiuigungskämpfe Preußens und Deutschlands Stärke war: Vismarck, Moltke, Roon, ist der Kriegsminister in der Regel der zuletzt genannte, aber sein Anteil an dem, was wir vor einen, Menschenalter glorreich errungen haben, steht dennoch hinter dem Lorbeer Moltkes nicht zurück. Roon hat nicht Schlachten befehligt, hat nicht den Heere» ihre Operationen vorgeschrieben, aber er hat die Heere geschaffen, mit denen wir unsre Kriege führen konnten. Der tadellos arbeitende Heeres- orgauismus, der für Moltkes Berechnung die erste und sicherste Unterlage bildete, war Novus Werk. Dem Verfasser dieser Zeilen sagte Vogel von Falcken- steiu, der Führer der Mninarmee, im Jahre lW7: „Dus Großartigste in diesen, Kriege waren in meine» Auge» die Leistungen des Kriegsministeriums.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/253>, abgerufen am 04.05.2024.