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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Bilder von der Roter und der Pulsuitz

der modernen Malerei" (.Heidelberg, Winter). Eine Kapitelüberschrift heißt:
Über den Inhalt in der Kunst, und das ganze Buch schließt mit dem Satze:
Das Wichtigste im Kunstwerke ist der Juhnlt. Er findet also mit Recht, daß
ohne ein bestimmtes Maß von Wissen der Genuß eines Kunstwerks unmöglich
ist. und erklärt seinen Zuhörern die Bilder nach ihren Gegenständen in gemein¬
verständlicher Weise, ohne dabei das Künstlerische zu vernachlässigen, sodaß
mich für die, die diese Bilder nicht gesehen haben, die Lektüre seines Buches
von einigem Nutzen sein wird. Seine Grundsätze sind gesund und vernünftig,
deswegen und weil sie ohne Anspruch vorgetragen sind, beschränken wir unsre
Kritik auf die Bemerkung, daß er seinem Publikum auch sehr viel Selbst¬
verständliches in unnötiger Breite bringt, so zum Beispiel, daß Anton von
Werner die Gemütsregnngen, die er auf einem Kriegsbilde darstellt, im Augen¬
blick des Schaffens selbst empfunden oder wenigstens mitempfunden haben
müsse, oder daß schon Aristoteles die Verbindung des Ethischen mit dem
Ästhetischen von der Kunst gefordert habe, oder daß das Fabeltier auf Böcklius
..Schweigen im Walde" nach seiner eignen Überzeugung keine Allegorie sei, oder
dnß Segantinis Triptychon "Werden, Sein und Vergehen" die drei Phasen dar¬
stelle, in denen sich jede Existenz in der Natur sowohl wie bei dem Menschen
abspiele. Geradezu unerlaubt ist eine Trivialität wie diese: "Daher der
Eindruck, den wir aus Werken von Leps gewinnen, jener (!). den die Worte
Schillers trefflich bezeichnen: Und wie er räuspert" (folgt das ganze abgegriffne
Zitat). Verkehrt und den Tatsachen der Kunstgeschichte zuwider ist es. wenn
er die alttestamentlichen Geschichten sür ungeeignete Gegenstünde der Malerei
erklärt, weil sie für uns weder als religiöse noch als geschichtliche Darstellungen
gelten könnten, oder wenn er dekretiert, eine Anbetung der Könige dürfe nur
im Kostüm ihrer oder unsrer, aber nicht einer dazwischen liegenden Zeit
gegeben werden. Komisch ist auch die "Hochzeit zu Kanaan." Unnötige
Gelehrsamkeit führt leicht zu Entgleisungen: die Statuen der Tvrannenmörder
in Athen waren nicht auf der Akropolis aufgestellt, die auch keineswegs der
"Schauplatz ihrer befreienden Tat" gewesen ist, was in frühern Zeiten ein guter
Primaner aus einem bekannten Kapitel seines Thukydides zu wissen pflegte.

(Schluß folgt)




Bilder von der Roter und der pulsnitz
Veto Eduard Schmidt vonin
3. Zabeltitz
(Die Grafen Ivackerbarth; Maria Antonia Malxnrgis; Prinz Xaver)

>er durch den bekannten Saal des Johanneums in Dresden
'wandert, wo die verhältnismäßig dürftigen Reste der Glanzzeit
> Augusts des Starken untergebracht sind, dem wird eine mit großen
Steinen besetzte Aufzäumuüg eines Reitpferdes nicht entgehn, an
! der die Bezeichnung angebracht ist: Zabeltitzer Kiesel.

Dieser Begriff mutet nus nu wie ein Klang aus einer ver-
!^"Ulm Welt. Denn seitdem die reichen Diamautfclder und Edelstcingrubcn
Usnkas und Australiens ihre in allen Farben des Regenbogens strahlenden


Bilder von der Roter und der Pulsuitz

der modernen Malerei" (.Heidelberg, Winter). Eine Kapitelüberschrift heißt:
Über den Inhalt in der Kunst, und das ganze Buch schließt mit dem Satze:
Das Wichtigste im Kunstwerke ist der Juhnlt. Er findet also mit Recht, daß
ohne ein bestimmtes Maß von Wissen der Genuß eines Kunstwerks unmöglich
ist. und erklärt seinen Zuhörern die Bilder nach ihren Gegenständen in gemein¬
verständlicher Weise, ohne dabei das Künstlerische zu vernachlässigen, sodaß
mich für die, die diese Bilder nicht gesehen haben, die Lektüre seines Buches
von einigem Nutzen sein wird. Seine Grundsätze sind gesund und vernünftig,
deswegen und weil sie ohne Anspruch vorgetragen sind, beschränken wir unsre
Kritik auf die Bemerkung, daß er seinem Publikum auch sehr viel Selbst¬
verständliches in unnötiger Breite bringt, so zum Beispiel, daß Anton von
Werner die Gemütsregnngen, die er auf einem Kriegsbilde darstellt, im Augen¬
blick des Schaffens selbst empfunden oder wenigstens mitempfunden haben
müsse, oder daß schon Aristoteles die Verbindung des Ethischen mit dem
Ästhetischen von der Kunst gefordert habe, oder daß das Fabeltier auf Böcklius
..Schweigen im Walde" nach seiner eignen Überzeugung keine Allegorie sei, oder
dnß Segantinis Triptychon „Werden, Sein und Vergehen" die drei Phasen dar¬
stelle, in denen sich jede Existenz in der Natur sowohl wie bei dem Menschen
abspiele. Geradezu unerlaubt ist eine Trivialität wie diese: „Daher der
Eindruck, den wir aus Werken von Leps gewinnen, jener (!). den die Worte
Schillers trefflich bezeichnen: Und wie er räuspert" (folgt das ganze abgegriffne
Zitat). Verkehrt und den Tatsachen der Kunstgeschichte zuwider ist es. wenn
er die alttestamentlichen Geschichten sür ungeeignete Gegenstünde der Malerei
erklärt, weil sie für uns weder als religiöse noch als geschichtliche Darstellungen
gelten könnten, oder wenn er dekretiert, eine Anbetung der Könige dürfe nur
im Kostüm ihrer oder unsrer, aber nicht einer dazwischen liegenden Zeit
gegeben werden. Komisch ist auch die „Hochzeit zu Kanaan." Unnötige
Gelehrsamkeit führt leicht zu Entgleisungen: die Statuen der Tvrannenmörder
in Athen waren nicht auf der Akropolis aufgestellt, die auch keineswegs der
»Schauplatz ihrer befreienden Tat" gewesen ist, was in frühern Zeiten ein guter
Primaner aus einem bekannten Kapitel seines Thukydides zu wissen pflegte.

(Schluß folgt)




Bilder von der Roter und der pulsnitz
Veto Eduard Schmidt vonin
3. Zabeltitz
(Die Grafen Ivackerbarth; Maria Antonia Malxnrgis; Prinz Xaver)

>er durch den bekannten Saal des Johanneums in Dresden
'wandert, wo die verhältnismäßig dürftigen Reste der Glanzzeit
> Augusts des Starken untergebracht sind, dem wird eine mit großen
Steinen besetzte Aufzäumuüg eines Reitpferdes nicht entgehn, an
! der die Bezeichnung angebracht ist: Zabeltitzer Kiesel.

Dieser Begriff mutet nus nu wie ein Klang aus einer ver-
!^"Ulm Welt. Denn seitdem die reichen Diamautfclder und Edelstcingrubcn
Usnkas und Australiens ihre in allen Farben des Regenbogens strahlenden


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[0725] Bilder von der Roter und der Pulsuitz der modernen Malerei" (.Heidelberg, Winter). Eine Kapitelüberschrift heißt: Über den Inhalt in der Kunst, und das ganze Buch schließt mit dem Satze: Das Wichtigste im Kunstwerke ist der Juhnlt. Er findet also mit Recht, daß ohne ein bestimmtes Maß von Wissen der Genuß eines Kunstwerks unmöglich ist. und erklärt seinen Zuhörern die Bilder nach ihren Gegenständen in gemein¬ verständlicher Weise, ohne dabei das Künstlerische zu vernachlässigen, sodaß mich für die, die diese Bilder nicht gesehen haben, die Lektüre seines Buches von einigem Nutzen sein wird. Seine Grundsätze sind gesund und vernünftig, deswegen und weil sie ohne Anspruch vorgetragen sind, beschränken wir unsre Kritik auf die Bemerkung, daß er seinem Publikum auch sehr viel Selbst¬ verständliches in unnötiger Breite bringt, so zum Beispiel, daß Anton von Werner die Gemütsregnngen, die er auf einem Kriegsbilde darstellt, im Augen¬ blick des Schaffens selbst empfunden oder wenigstens mitempfunden haben müsse, oder daß schon Aristoteles die Verbindung des Ethischen mit dem Ästhetischen von der Kunst gefordert habe, oder daß das Fabeltier auf Böcklius ..Schweigen im Walde" nach seiner eignen Überzeugung keine Allegorie sei, oder dnß Segantinis Triptychon „Werden, Sein und Vergehen" die drei Phasen dar¬ stelle, in denen sich jede Existenz in der Natur sowohl wie bei dem Menschen abspiele. Geradezu unerlaubt ist eine Trivialität wie diese: „Daher der Eindruck, den wir aus Werken von Leps gewinnen, jener (!). den die Worte Schillers trefflich bezeichnen: Und wie er räuspert" (folgt das ganze abgegriffne Zitat). Verkehrt und den Tatsachen der Kunstgeschichte zuwider ist es. wenn er die alttestamentlichen Geschichten sür ungeeignete Gegenstünde der Malerei erklärt, weil sie für uns weder als religiöse noch als geschichtliche Darstellungen gelten könnten, oder wenn er dekretiert, eine Anbetung der Könige dürfe nur im Kostüm ihrer oder unsrer, aber nicht einer dazwischen liegenden Zeit gegeben werden. Komisch ist auch die „Hochzeit zu Kanaan." Unnötige Gelehrsamkeit führt leicht zu Entgleisungen: die Statuen der Tvrannenmörder in Athen waren nicht auf der Akropolis aufgestellt, die auch keineswegs der »Schauplatz ihrer befreienden Tat" gewesen ist, was in frühern Zeiten ein guter Primaner aus einem bekannten Kapitel seines Thukydides zu wissen pflegte. (Schluß folgt) Bilder von der Roter und der pulsnitz Veto Eduard Schmidt vonin 3. Zabeltitz (Die Grafen Ivackerbarth; Maria Antonia Malxnrgis; Prinz Xaver) >er durch den bekannten Saal des Johanneums in Dresden 'wandert, wo die verhältnismäßig dürftigen Reste der Glanzzeit > Augusts des Starken untergebracht sind, dem wird eine mit großen Steinen besetzte Aufzäumuüg eines Reitpferdes nicht entgehn, an ! der die Bezeichnung angebracht ist: Zabeltitzer Kiesel. Dieser Begriff mutet nus nu wie ein Klang aus einer ver- !^"Ulm Welt. Denn seitdem die reichen Diamautfclder und Edelstcingrubcn Usnkas und Australiens ihre in allen Farben des Regenbogens strahlenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/725>, abgerufen am 04.05.2024.