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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Leben die Amtsfreudigkeit und die Arbeitskraft keinen Schaden erleiden. Was soll
der Hilfsprediger tun? Er vermehrt seine Schulden und wird sie Zeit seines Lebens
nicht wieder los; denn wenn er wirklich auch Pfarrer wird, so ist sein Einkommen
so gering, daß es nur für die nötigsten Lebensbedürfnisse ausreicht, nicht aber dazu,
Schulden abzustoßen.

Solche Zustände darf die Kirche, und darf der Patron der Kirche, der Staat,
nicht dulden. Man hat eine Besolduugsordnung herausgebracht, man soll aber
seine Arbeit nicht halb tun, man soll nicht dem Manne gleichen, der ein Haus baut
und an den Ziegeln auf dem Dache spart. -- Aber was kann getan werden? Die
königliche Stnatsregterung hält sich nach wie vor mit Entschiedenheit die Tasche zu!
Der wird sich ein Verdienst um unsre armen Hilfsprediger erwerben, der die hohe
Staatsregierung darauf aufmerksam macht, daß jetzt wieder etwas in der Tasche ist.
Preußen ist ein Eisenbahnstaat. Die Eisenbahnen haben im verfloßnen Vierteljahr
dreißig Millionen mehr eingebracht, als veranschlagt worden war. Also bitte, die
Hand nur ein klein wenig von der Tasche!


Die Seele des Negers.

Es sind vierhundert Jahre, da stritten sich die
Weisen des Abendlandes, ob der Neger eine Seele habe, und ob man ihn zum
Christen machen dürfe, und es sind fünfzig Jahre, da behauptete" grundgelehrte
Männer in Europa und in Nordamerika, der Neger gehöre zu einer besondern
Art von Säugetieren, die vom Weißen Menschen durch eine weite Kluft getrennt
sei. Groß ist noch heute die Zahl Gelehrter und Ungelehrter, die dem Neger die
Fähigkeit des geistigen Fortschritts dnrch Erziehung und Bildung absprechen. Wie
wichtig diese Dinge sind, hat uns jüngst Wilhelm von Potenz in den Grenzboten
(Ur. 11 und folgende) gezeigt, wo er die Bedeutung der Negerfrage in den Ver¬
einigten Staaten von Amerika erörterte; aber die Neger von Nordamerika sind
nur der zwanzigste Teil der Neger von Afrika, und es gibt mehr als 200 Millionen
Neger auf der Erde. Die Frage: Was können die Neger? und: Was können die
Neger werden? ist also eine Frage der Menschheit. Daß sie Deutschland nahe
angeht, liegt auf der Hand, schon weil es in Afrika gegen zwölf Millionen Neger
in seinen Schutzgebieten als Untertanen zählt; aber Deutschland hat schon zu Herders
Zeit das tiefste und wärmste Interesse für alle Humanitätsfragen gehegt, und die
Zeit der Weltwirtschaft und der Weltpolitik kann dieses Interesse nur vertieft habe".
Hier liegt nun ein kleines Buch vor uns, worin ein Neger sein Aufsteigen vom
Sklavenkind zu einem der geistigen Führer seines Volkes erzählt;") es ist ein Buch,
das hoffentlich viele Leser findet. Wir wünschen ihm das nicht als nußern Erfolg,
sondern vor allem, weil wir uns freuen, daß endlich in den langen Auseinander¬
setzungen über die Neger ein Manu dieser Nasse selbst das Wort ergreift; das ist
zwar früher schon dagewesen, aber sehr selten. Die einfachste Gerechtigkeit ver¬
langt, daß nicht beständig in Abwesenheit derer verhandelt werde, die von uns
angeklagt und verteidigt werden. Unsrer Gerechtigkeitsliebe ist es eine Genugtuung,
daß ein Neger das Wort für die Seinen führt, und wir empfinden das doppelt
wohltuend, weil es so ernst und sachlich geschieht. Booker Washington hat
seine frühesten Jugendjahre als Sklave verlebt, hat sich nach der Befreiung unter
den größten Schwierigkeiten mit Hilfe wohltätiger Weißer eine tüchtige Bildung
erworben und leitet heute in Georgia eine große technische Schule für Neger, die
er in der Überzeugung begründet hat, daß das Heil der Neger, besonders in den
Südstaaten der Union, nicht in der Politik, sondern in ihrer geschickten und fleißigen
Teilnahme am Wirtschaftsleben liege. Wir erfahren aus dem Vorwort, daß er in
dieser Richtung auch schon den deutschen Kolonien Dienste geleistet hat, denen er
Lehrer des Banmwollenbaus zur Verfügung stellen konnte. In dem Verfasser
dieses Buches haben wir einen der besten Typen der Neger, das zeigt schon sein



*) .Booker T. Washington, Vom Sklaven empor. Eine Selbstbiographie. Autorisierte
deutsche Überhebung von Estelle Dubois-Neumond. Mit einem Vorwort von Ernst Vohsen,
Konsul n. D. Berlin, Dietrich Reimer (Erich Vohsen), 1902.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Leben die Amtsfreudigkeit und die Arbeitskraft keinen Schaden erleiden. Was soll
der Hilfsprediger tun? Er vermehrt seine Schulden und wird sie Zeit seines Lebens
nicht wieder los; denn wenn er wirklich auch Pfarrer wird, so ist sein Einkommen
so gering, daß es nur für die nötigsten Lebensbedürfnisse ausreicht, nicht aber dazu,
Schulden abzustoßen.

Solche Zustände darf die Kirche, und darf der Patron der Kirche, der Staat,
nicht dulden. Man hat eine Besolduugsordnung herausgebracht, man soll aber
seine Arbeit nicht halb tun, man soll nicht dem Manne gleichen, der ein Haus baut
und an den Ziegeln auf dem Dache spart. — Aber was kann getan werden? Die
königliche Stnatsregterung hält sich nach wie vor mit Entschiedenheit die Tasche zu!
Der wird sich ein Verdienst um unsre armen Hilfsprediger erwerben, der die hohe
Staatsregierung darauf aufmerksam macht, daß jetzt wieder etwas in der Tasche ist.
Preußen ist ein Eisenbahnstaat. Die Eisenbahnen haben im verfloßnen Vierteljahr
dreißig Millionen mehr eingebracht, als veranschlagt worden war. Also bitte, die
Hand nur ein klein wenig von der Tasche!


Die Seele des Negers.

Es sind vierhundert Jahre, da stritten sich die
Weisen des Abendlandes, ob der Neger eine Seele habe, und ob man ihn zum
Christen machen dürfe, und es sind fünfzig Jahre, da behauptete» grundgelehrte
Männer in Europa und in Nordamerika, der Neger gehöre zu einer besondern
Art von Säugetieren, die vom Weißen Menschen durch eine weite Kluft getrennt
sei. Groß ist noch heute die Zahl Gelehrter und Ungelehrter, die dem Neger die
Fähigkeit des geistigen Fortschritts dnrch Erziehung und Bildung absprechen. Wie
wichtig diese Dinge sind, hat uns jüngst Wilhelm von Potenz in den Grenzboten
(Ur. 11 und folgende) gezeigt, wo er die Bedeutung der Negerfrage in den Ver¬
einigten Staaten von Amerika erörterte; aber die Neger von Nordamerika sind
nur der zwanzigste Teil der Neger von Afrika, und es gibt mehr als 200 Millionen
Neger auf der Erde. Die Frage: Was können die Neger? und: Was können die
Neger werden? ist also eine Frage der Menschheit. Daß sie Deutschland nahe
angeht, liegt auf der Hand, schon weil es in Afrika gegen zwölf Millionen Neger
in seinen Schutzgebieten als Untertanen zählt; aber Deutschland hat schon zu Herders
Zeit das tiefste und wärmste Interesse für alle Humanitätsfragen gehegt, und die
Zeit der Weltwirtschaft und der Weltpolitik kann dieses Interesse nur vertieft habe».
Hier liegt nun ein kleines Buch vor uns, worin ein Neger sein Aufsteigen vom
Sklavenkind zu einem der geistigen Führer seines Volkes erzählt;") es ist ein Buch,
das hoffentlich viele Leser findet. Wir wünschen ihm das nicht als nußern Erfolg,
sondern vor allem, weil wir uns freuen, daß endlich in den langen Auseinander¬
setzungen über die Neger ein Manu dieser Nasse selbst das Wort ergreift; das ist
zwar früher schon dagewesen, aber sehr selten. Die einfachste Gerechtigkeit ver¬
langt, daß nicht beständig in Abwesenheit derer verhandelt werde, die von uns
angeklagt und verteidigt werden. Unsrer Gerechtigkeitsliebe ist es eine Genugtuung,
daß ein Neger das Wort für die Seinen führt, und wir empfinden das doppelt
wohltuend, weil es so ernst und sachlich geschieht. Booker Washington hat
seine frühesten Jugendjahre als Sklave verlebt, hat sich nach der Befreiung unter
den größten Schwierigkeiten mit Hilfe wohltätiger Weißer eine tüchtige Bildung
erworben und leitet heute in Georgia eine große technische Schule für Neger, die
er in der Überzeugung begründet hat, daß das Heil der Neger, besonders in den
Südstaaten der Union, nicht in der Politik, sondern in ihrer geschickten und fleißigen
Teilnahme am Wirtschaftsleben liege. Wir erfahren aus dem Vorwort, daß er in
dieser Richtung auch schon den deutschen Kolonien Dienste geleistet hat, denen er
Lehrer des Banmwollenbaus zur Verfügung stellen konnte. In dem Verfasser
dieses Buches haben wir einen der besten Typen der Neger, das zeigt schon sein



*) .Booker T. Washington, Vom Sklaven empor. Eine Selbstbiographie. Autorisierte
deutsche Überhebung von Estelle Dubois-Neumond. Mit einem Vorwort von Ernst Vohsen,
Konsul n. D. Berlin, Dietrich Reimer (Erich Vohsen), 1902.
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[0820] Maßgebliches und Unmaßgebliches Leben die Amtsfreudigkeit und die Arbeitskraft keinen Schaden erleiden. Was soll der Hilfsprediger tun? Er vermehrt seine Schulden und wird sie Zeit seines Lebens nicht wieder los; denn wenn er wirklich auch Pfarrer wird, so ist sein Einkommen so gering, daß es nur für die nötigsten Lebensbedürfnisse ausreicht, nicht aber dazu, Schulden abzustoßen. Solche Zustände darf die Kirche, und darf der Patron der Kirche, der Staat, nicht dulden. Man hat eine Besolduugsordnung herausgebracht, man soll aber seine Arbeit nicht halb tun, man soll nicht dem Manne gleichen, der ein Haus baut und an den Ziegeln auf dem Dache spart. — Aber was kann getan werden? Die königliche Stnatsregterung hält sich nach wie vor mit Entschiedenheit die Tasche zu! Der wird sich ein Verdienst um unsre armen Hilfsprediger erwerben, der die hohe Staatsregierung darauf aufmerksam macht, daß jetzt wieder etwas in der Tasche ist. Preußen ist ein Eisenbahnstaat. Die Eisenbahnen haben im verfloßnen Vierteljahr dreißig Millionen mehr eingebracht, als veranschlagt worden war. Also bitte, die Hand nur ein klein wenig von der Tasche! Die Seele des Negers. Es sind vierhundert Jahre, da stritten sich die Weisen des Abendlandes, ob der Neger eine Seele habe, und ob man ihn zum Christen machen dürfe, und es sind fünfzig Jahre, da behauptete» grundgelehrte Männer in Europa und in Nordamerika, der Neger gehöre zu einer besondern Art von Säugetieren, die vom Weißen Menschen durch eine weite Kluft getrennt sei. Groß ist noch heute die Zahl Gelehrter und Ungelehrter, die dem Neger die Fähigkeit des geistigen Fortschritts dnrch Erziehung und Bildung absprechen. Wie wichtig diese Dinge sind, hat uns jüngst Wilhelm von Potenz in den Grenzboten (Ur. 11 und folgende) gezeigt, wo er die Bedeutung der Negerfrage in den Ver¬ einigten Staaten von Amerika erörterte; aber die Neger von Nordamerika sind nur der zwanzigste Teil der Neger von Afrika, und es gibt mehr als 200 Millionen Neger auf der Erde. Die Frage: Was können die Neger? und: Was können die Neger werden? ist also eine Frage der Menschheit. Daß sie Deutschland nahe angeht, liegt auf der Hand, schon weil es in Afrika gegen zwölf Millionen Neger in seinen Schutzgebieten als Untertanen zählt; aber Deutschland hat schon zu Herders Zeit das tiefste und wärmste Interesse für alle Humanitätsfragen gehegt, und die Zeit der Weltwirtschaft und der Weltpolitik kann dieses Interesse nur vertieft habe». Hier liegt nun ein kleines Buch vor uns, worin ein Neger sein Aufsteigen vom Sklavenkind zu einem der geistigen Führer seines Volkes erzählt;") es ist ein Buch, das hoffentlich viele Leser findet. Wir wünschen ihm das nicht als nußern Erfolg, sondern vor allem, weil wir uns freuen, daß endlich in den langen Auseinander¬ setzungen über die Neger ein Manu dieser Nasse selbst das Wort ergreift; das ist zwar früher schon dagewesen, aber sehr selten. Die einfachste Gerechtigkeit ver¬ langt, daß nicht beständig in Abwesenheit derer verhandelt werde, die von uns angeklagt und verteidigt werden. Unsrer Gerechtigkeitsliebe ist es eine Genugtuung, daß ein Neger das Wort für die Seinen führt, und wir empfinden das doppelt wohltuend, weil es so ernst und sachlich geschieht. Booker Washington hat seine frühesten Jugendjahre als Sklave verlebt, hat sich nach der Befreiung unter den größten Schwierigkeiten mit Hilfe wohltätiger Weißer eine tüchtige Bildung erworben und leitet heute in Georgia eine große technische Schule für Neger, die er in der Überzeugung begründet hat, daß das Heil der Neger, besonders in den Südstaaten der Union, nicht in der Politik, sondern in ihrer geschickten und fleißigen Teilnahme am Wirtschaftsleben liege. Wir erfahren aus dem Vorwort, daß er in dieser Richtung auch schon den deutschen Kolonien Dienste geleistet hat, denen er Lehrer des Banmwollenbaus zur Verfügung stellen konnte. In dem Verfasser dieses Buches haben wir einen der besten Typen der Neger, das zeigt schon sein *) .Booker T. Washington, Vom Sklaven empor. Eine Selbstbiographie. Autorisierte deutsche Überhebung von Estelle Dubois-Neumond. Mit einem Vorwort von Ernst Vohsen, Konsul n. D. Berlin, Dietrich Reimer (Erich Vohsen), 1902.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/820>, abgerufen am 04.05.2024.