Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zwei Seelen

In entfernterer Beziehung zu der betriebsamen Gesellschaft stand endlich noch eine
Anzahl Händler und Händlerinnen, unter ihnen anch Frau Leopold, deren Auf¬
gabe es war, die Beute in einer geschickten und unauffälligen Weise zu barem
Gelde zu machen.

Als sich diese Verhältnisse allmählich vor mir zu entwirren begannen, und die
Personen aus dem Punsch- und Liebesnebel deutlich hervortraten, war ich schon
so tief in das Netz des schönen Mädchens verstrickt, daß mir, auch wenn noch
eignes Leben in mir gewesen wäre, ein Entweichen nicht mehr möglich gewesen
wäre. Dennoch spürte ich es als einen Schmerz, als mir ans diesem Nebel heraus
die Hemd eutgegengestreckt wurde. Da sah mich Laurette mit einem langen Blick
an, worin ebensoviel Spott wie verheißende Liebe lag, und sagte: Laßt ihn
doch, er fürchtet sich- Die Männer lachten, und unter diesem Lachen ging ich zu
ihnen über.

16

Das Jahr floß schnell dahin. Es wurde Herbst und wurde Winter. Aber
die Monate vergingen wie in einem Rausch. Nachdenken darf der nicht, der auf
solchem Wege wandelt. Mit Gedanken darf er sich nicht belasten. Er darf nicht
über sich schauen und uicht unter sich blicken. Über ihm im dunkeln Blau wandelt
das Licht, das ihn blendet, unter ihm gähnen die Tiefen. Er muß nur immer
Schritt für Schritt, Fuß vor Fuß setzen, nur der Augenblick ist sein. Und der so
dahinging, hatte einmal von einem goldnen Lande geträumt und wollte den Fuß
über die Wolken setzen. Er träumt nicht mehr. Denkt er einmal an die Traum¬
bilder, die wie stille schimmernde Wölkchen über seinem Hanpte dahinzogen, so setzt
er die Faust auf das Herz, das ihn betrogen, irre geleitet, in das Verderben
hinein gezogen hat, und möchte sie niederfallen lassen auf das Antlitz, das so
wundersam schön, so roh und gemein ist.

Von meinen Eltern hörte ich nichts, der Meister hatte mir meine Papiere
ohne eine Zeile dazu zu schreiben gesandt, erst viel später entdeckte ich, daß er mit
zarter Hand einen Bibelspruch eingetragen hatte. Sprüche 17, Vers 25 las ich
da. Da ich aber keine Bibel zur Hand hatte, wußte ich lauge nicht, was er mir
hatte sagen wollen. Der Spruch lautete: Ein närrischer Sohn ist seines Vaters
Traum und Betrübnis der Mutter, die ihn geboren hat. Er klang in mir, dieser
Spruch, ohne daß ich ihn kannte. Sie geben dich ans, sprach es in mir, und
ringen die Hände über deu Verlornen Sohn. Kein Haus auf Erden, keinen Gott
im Himmel, nichts mehr vor mir, und nichts hinter mir. Über mir Wolken über
Wolken, und nur unter mir uoch ein Ausblick, in dem ich versinken konnte, wenn
ich den Mut hatte, mich in diese lockenden Tiefen hinab zu stürzen. Stundenlang
konnte ich sitzen und um einem einzigen Gedanken arbeiten. Ich hätte mich los¬
reißen mögen und konnte es doch nicht. Zwar die Fesseln, in die mich Laurette
mit ihrer Schönheit geschlagen hatte, hielten nicht lange. Ihr trauerndes Antlitz
war mir bald kein Geheimnis mehr: sie wußte, daß ihr ein schwermütiger Ernst gut
se.lud, darum schmückte sie sich damit wie mit einem aufgeputzten Kleide, befand sich
aber sehr Wohl und war nur betrübt, wenn ihr irgend ein Anschlag mißlungen war.
So wie ich entdeckt hatte, was hinter der prächtigen Hülle steckte, verlor sich meine
Befangenheit, und das Feuer erlosch lcmgsnm. Bald brannte nur uoch eine einzige
Kohle, und endlich war alles tote Asche. Dieses Band war also locker geworden,
aber mich hielt nunmehr ein nudres Band fest, die gemeinsame Schuld. Wenn
ich mich so gequält hatte, ging ich wohl zum Meister Leopold hinein und arbeitete
mit ihm um die Wette. Die Arbeit sollte mich zerstreuen, sie mußte auch mein
Treiben vor der Welt verhüllen. Ein Schneidergeselle, der den großen Herrn
spielt, erregt Aufsehen und Verdacht. Arbeitet er am Tag einige Stunden, so
kann er den Abend verjubeln. Aber die Arbeit brachte keine Beruhigung, es war
kein Segen in ihr, weil sie nur Schein und Lüge sein sollte. Hatte ich dann eine
Stunde oder zwei gearbeitet, so schleuderte ich das Zeug weit von mir und starrte


Zwei Seelen

In entfernterer Beziehung zu der betriebsamen Gesellschaft stand endlich noch eine
Anzahl Händler und Händlerinnen, unter ihnen anch Frau Leopold, deren Auf¬
gabe es war, die Beute in einer geschickten und unauffälligen Weise zu barem
Gelde zu machen.

Als sich diese Verhältnisse allmählich vor mir zu entwirren begannen, und die
Personen aus dem Punsch- und Liebesnebel deutlich hervortraten, war ich schon
so tief in das Netz des schönen Mädchens verstrickt, daß mir, auch wenn noch
eignes Leben in mir gewesen wäre, ein Entweichen nicht mehr möglich gewesen
wäre. Dennoch spürte ich es als einen Schmerz, als mir ans diesem Nebel heraus
die Hemd eutgegengestreckt wurde. Da sah mich Laurette mit einem langen Blick
an, worin ebensoviel Spott wie verheißende Liebe lag, und sagte: Laßt ihn
doch, er fürchtet sich- Die Männer lachten, und unter diesem Lachen ging ich zu
ihnen über.

16

Das Jahr floß schnell dahin. Es wurde Herbst und wurde Winter. Aber
die Monate vergingen wie in einem Rausch. Nachdenken darf der nicht, der auf
solchem Wege wandelt. Mit Gedanken darf er sich nicht belasten. Er darf nicht
über sich schauen und uicht unter sich blicken. Über ihm im dunkeln Blau wandelt
das Licht, das ihn blendet, unter ihm gähnen die Tiefen. Er muß nur immer
Schritt für Schritt, Fuß vor Fuß setzen, nur der Augenblick ist sein. Und der so
dahinging, hatte einmal von einem goldnen Lande geträumt und wollte den Fuß
über die Wolken setzen. Er träumt nicht mehr. Denkt er einmal an die Traum¬
bilder, die wie stille schimmernde Wölkchen über seinem Hanpte dahinzogen, so setzt
er die Faust auf das Herz, das ihn betrogen, irre geleitet, in das Verderben
hinein gezogen hat, und möchte sie niederfallen lassen auf das Antlitz, das so
wundersam schön, so roh und gemein ist.

Von meinen Eltern hörte ich nichts, der Meister hatte mir meine Papiere
ohne eine Zeile dazu zu schreiben gesandt, erst viel später entdeckte ich, daß er mit
zarter Hand einen Bibelspruch eingetragen hatte. Sprüche 17, Vers 25 las ich
da. Da ich aber keine Bibel zur Hand hatte, wußte ich lauge nicht, was er mir
hatte sagen wollen. Der Spruch lautete: Ein närrischer Sohn ist seines Vaters
Traum und Betrübnis der Mutter, die ihn geboren hat. Er klang in mir, dieser
Spruch, ohne daß ich ihn kannte. Sie geben dich ans, sprach es in mir, und
ringen die Hände über deu Verlornen Sohn. Kein Haus auf Erden, keinen Gott
im Himmel, nichts mehr vor mir, und nichts hinter mir. Über mir Wolken über
Wolken, und nur unter mir uoch ein Ausblick, in dem ich versinken konnte, wenn
ich den Mut hatte, mich in diese lockenden Tiefen hinab zu stürzen. Stundenlang
konnte ich sitzen und um einem einzigen Gedanken arbeiten. Ich hätte mich los¬
reißen mögen und konnte es doch nicht. Zwar die Fesseln, in die mich Laurette
mit ihrer Schönheit geschlagen hatte, hielten nicht lange. Ihr trauerndes Antlitz
war mir bald kein Geheimnis mehr: sie wußte, daß ihr ein schwermütiger Ernst gut
se.lud, darum schmückte sie sich damit wie mit einem aufgeputzten Kleide, befand sich
aber sehr Wohl und war nur betrübt, wenn ihr irgend ein Anschlag mißlungen war.
So wie ich entdeckt hatte, was hinter der prächtigen Hülle steckte, verlor sich meine
Befangenheit, und das Feuer erlosch lcmgsnm. Bald brannte nur uoch eine einzige
Kohle, und endlich war alles tote Asche. Dieses Band war also locker geworden,
aber mich hielt nunmehr ein nudres Band fest, die gemeinsame Schuld. Wenn
ich mich so gequält hatte, ging ich wohl zum Meister Leopold hinein und arbeitete
mit ihm um die Wette. Die Arbeit sollte mich zerstreuen, sie mußte auch mein
Treiben vor der Welt verhüllen. Ein Schneidergeselle, der den großen Herrn
spielt, erregt Aufsehen und Verdacht. Arbeitet er am Tag einige Stunden, so
kann er den Abend verjubeln. Aber die Arbeit brachte keine Beruhigung, es war
kein Segen in ihr, weil sie nur Schein und Lüge sein sollte. Hatte ich dann eine
Stunde oder zwei gearbeitet, so schleuderte ich das Zeug weit von mir und starrte


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/242530"/>
          <fw type="header" place="top"> Zwei Seelen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1630" prev="#ID_1629"> In entfernterer Beziehung zu der betriebsamen Gesellschaft stand endlich noch eine<lb/>
Anzahl Händler und Händlerinnen, unter ihnen anch Frau Leopold, deren Auf¬<lb/>
gabe es war, die Beute in einer geschickten und unauffälligen Weise zu barem<lb/>
Gelde zu machen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1631"> Als sich diese Verhältnisse allmählich vor mir zu entwirren begannen, und die<lb/>
Personen aus dem Punsch- und Liebesnebel deutlich hervortraten, war ich schon<lb/>
so tief in das Netz des schönen Mädchens verstrickt, daß mir, auch wenn noch<lb/>
eignes Leben in mir gewesen wäre, ein Entweichen nicht mehr möglich gewesen<lb/>
wäre. Dennoch spürte ich es als einen Schmerz, als mir ans diesem Nebel heraus<lb/>
die Hemd eutgegengestreckt wurde. Da sah mich Laurette mit einem langen Blick<lb/>
an, worin ebensoviel Spott wie verheißende Liebe lag, und sagte: Laßt ihn<lb/>
doch, er fürchtet sich- Die Männer lachten, und unter diesem Lachen ging ich zu<lb/>
ihnen über.</p><lb/>
          <div n="2">
            <head> 16</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1632"> Das Jahr floß schnell dahin. Es wurde Herbst und wurde Winter. Aber<lb/>
die Monate vergingen wie in einem Rausch. Nachdenken darf der nicht, der auf<lb/>
solchem Wege wandelt. Mit Gedanken darf er sich nicht belasten. Er darf nicht<lb/>
über sich schauen und uicht unter sich blicken. Über ihm im dunkeln Blau wandelt<lb/>
das Licht, das ihn blendet, unter ihm gähnen die Tiefen. Er muß nur immer<lb/>
Schritt für Schritt, Fuß vor Fuß setzen, nur der Augenblick ist sein. Und der so<lb/>
dahinging, hatte einmal von einem goldnen Lande geträumt und wollte den Fuß<lb/>
über die Wolken setzen. Er träumt nicht mehr. Denkt er einmal an die Traum¬<lb/>
bilder, die wie stille schimmernde Wölkchen über seinem Hanpte dahinzogen, so setzt<lb/>
er die Faust auf das Herz, das ihn betrogen, irre geleitet, in das Verderben<lb/>
hinein gezogen hat, und möchte sie niederfallen lassen auf das Antlitz, das so<lb/>
wundersam schön, so roh und gemein ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1633" next="#ID_1634"> Von meinen Eltern hörte ich nichts, der Meister hatte mir meine Papiere<lb/>
ohne eine Zeile dazu zu schreiben gesandt, erst viel später entdeckte ich, daß er mit<lb/>
zarter Hand einen Bibelspruch eingetragen hatte. Sprüche 17, Vers 25 las ich<lb/>
da. Da ich aber keine Bibel zur Hand hatte, wußte ich lauge nicht, was er mir<lb/>
hatte sagen wollen. Der Spruch lautete: Ein närrischer Sohn ist seines Vaters<lb/>
Traum und Betrübnis der Mutter, die ihn geboren hat. Er klang in mir, dieser<lb/>
Spruch, ohne daß ich ihn kannte. Sie geben dich ans, sprach es in mir, und<lb/>
ringen die Hände über deu Verlornen Sohn. Kein Haus auf Erden, keinen Gott<lb/>
im Himmel, nichts mehr vor mir, und nichts hinter mir. Über mir Wolken über<lb/>
Wolken, und nur unter mir uoch ein Ausblick, in dem ich versinken konnte, wenn<lb/>
ich den Mut hatte, mich in diese lockenden Tiefen hinab zu stürzen. Stundenlang<lb/>
konnte ich sitzen und um einem einzigen Gedanken arbeiten. Ich hätte mich los¬<lb/>
reißen mögen und konnte es doch nicht. Zwar die Fesseln, in die mich Laurette<lb/>
mit ihrer Schönheit geschlagen hatte, hielten nicht lange. Ihr trauerndes Antlitz<lb/>
war mir bald kein Geheimnis mehr: sie wußte, daß ihr ein schwermütiger Ernst gut<lb/>
se.lud, darum schmückte sie sich damit wie mit einem aufgeputzten Kleide, befand sich<lb/>
aber sehr Wohl und war nur betrübt, wenn ihr irgend ein Anschlag mißlungen war.<lb/>
So wie ich entdeckt hatte, was hinter der prächtigen Hülle steckte, verlor sich meine<lb/>
Befangenheit, und das Feuer erlosch lcmgsnm. Bald brannte nur uoch eine einzige<lb/>
Kohle, und endlich war alles tote Asche. Dieses Band war also locker geworden,<lb/>
aber mich hielt nunmehr ein nudres Band fest, die gemeinsame Schuld. Wenn<lb/>
ich mich so gequält hatte, ging ich wohl zum Meister Leopold hinein und arbeitete<lb/>
mit ihm um die Wette. Die Arbeit sollte mich zerstreuen, sie mußte auch mein<lb/>
Treiben vor der Welt verhüllen. Ein Schneidergeselle, der den großen Herrn<lb/>
spielt, erregt Aufsehen und Verdacht. Arbeitet er am Tag einige Stunden, so<lb/>
kann er den Abend verjubeln. Aber die Arbeit brachte keine Beruhigung, es war<lb/>
kein Segen in ihr, weil sie nur Schein und Lüge sein sollte. Hatte ich dann eine<lb/>
Stunde oder zwei gearbeitet, so schleuderte ich das Zeug weit von mir und starrte</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0460] Zwei Seelen In entfernterer Beziehung zu der betriebsamen Gesellschaft stand endlich noch eine Anzahl Händler und Händlerinnen, unter ihnen anch Frau Leopold, deren Auf¬ gabe es war, die Beute in einer geschickten und unauffälligen Weise zu barem Gelde zu machen. Als sich diese Verhältnisse allmählich vor mir zu entwirren begannen, und die Personen aus dem Punsch- und Liebesnebel deutlich hervortraten, war ich schon so tief in das Netz des schönen Mädchens verstrickt, daß mir, auch wenn noch eignes Leben in mir gewesen wäre, ein Entweichen nicht mehr möglich gewesen wäre. Dennoch spürte ich es als einen Schmerz, als mir ans diesem Nebel heraus die Hemd eutgegengestreckt wurde. Da sah mich Laurette mit einem langen Blick an, worin ebensoviel Spott wie verheißende Liebe lag, und sagte: Laßt ihn doch, er fürchtet sich- Die Männer lachten, und unter diesem Lachen ging ich zu ihnen über. 16 Das Jahr floß schnell dahin. Es wurde Herbst und wurde Winter. Aber die Monate vergingen wie in einem Rausch. Nachdenken darf der nicht, der auf solchem Wege wandelt. Mit Gedanken darf er sich nicht belasten. Er darf nicht über sich schauen und uicht unter sich blicken. Über ihm im dunkeln Blau wandelt das Licht, das ihn blendet, unter ihm gähnen die Tiefen. Er muß nur immer Schritt für Schritt, Fuß vor Fuß setzen, nur der Augenblick ist sein. Und der so dahinging, hatte einmal von einem goldnen Lande geträumt und wollte den Fuß über die Wolken setzen. Er träumt nicht mehr. Denkt er einmal an die Traum¬ bilder, die wie stille schimmernde Wölkchen über seinem Hanpte dahinzogen, so setzt er die Faust auf das Herz, das ihn betrogen, irre geleitet, in das Verderben hinein gezogen hat, und möchte sie niederfallen lassen auf das Antlitz, das so wundersam schön, so roh und gemein ist. Von meinen Eltern hörte ich nichts, der Meister hatte mir meine Papiere ohne eine Zeile dazu zu schreiben gesandt, erst viel später entdeckte ich, daß er mit zarter Hand einen Bibelspruch eingetragen hatte. Sprüche 17, Vers 25 las ich da. Da ich aber keine Bibel zur Hand hatte, wußte ich lauge nicht, was er mir hatte sagen wollen. Der Spruch lautete: Ein närrischer Sohn ist seines Vaters Traum und Betrübnis der Mutter, die ihn geboren hat. Er klang in mir, dieser Spruch, ohne daß ich ihn kannte. Sie geben dich ans, sprach es in mir, und ringen die Hände über deu Verlornen Sohn. Kein Haus auf Erden, keinen Gott im Himmel, nichts mehr vor mir, und nichts hinter mir. Über mir Wolken über Wolken, und nur unter mir uoch ein Ausblick, in dem ich versinken konnte, wenn ich den Mut hatte, mich in diese lockenden Tiefen hinab zu stürzen. Stundenlang konnte ich sitzen und um einem einzigen Gedanken arbeiten. Ich hätte mich los¬ reißen mögen und konnte es doch nicht. Zwar die Fesseln, in die mich Laurette mit ihrer Schönheit geschlagen hatte, hielten nicht lange. Ihr trauerndes Antlitz war mir bald kein Geheimnis mehr: sie wußte, daß ihr ein schwermütiger Ernst gut se.lud, darum schmückte sie sich damit wie mit einem aufgeputzten Kleide, befand sich aber sehr Wohl und war nur betrübt, wenn ihr irgend ein Anschlag mißlungen war. So wie ich entdeckt hatte, was hinter der prächtigen Hülle steckte, verlor sich meine Befangenheit, und das Feuer erlosch lcmgsnm. Bald brannte nur uoch eine einzige Kohle, und endlich war alles tote Asche. Dieses Band war also locker geworden, aber mich hielt nunmehr ein nudres Band fest, die gemeinsame Schuld. Wenn ich mich so gequält hatte, ging ich wohl zum Meister Leopold hinein und arbeitete mit ihm um die Wette. Die Arbeit sollte mich zerstreuen, sie mußte auch mein Treiben vor der Welt verhüllen. Ein Schneidergeselle, der den großen Herrn spielt, erregt Aufsehen und Verdacht. Arbeitet er am Tag einige Stunden, so kann er den Abend verjubeln. Aber die Arbeit brachte keine Beruhigung, es war kein Segen in ihr, weil sie nur Schein und Lüge sein sollte. Hatte ich dann eine Stunde oder zwei gearbeitet, so schleuderte ich das Zeug weit von mir und starrte

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/460
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/460>, abgerufen am 05.05.2024.