Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.Die Rlabimkerstraße Sie waren alle unten im Gcirtenzimmer, dessen Türen weit offen standen. Sie haben die Herrschaften nach der Bahn fahren lassen? In zwei Wagen, Herr Baron. Die Fledermaus umkreiste das Licht, und Melitta trat einen Schritt vor. Wo ist Herr Heinemann? Er ist ebenfalls mitgefahren. Der Baron machte eine entlastende Bewegung. Sie können gehn, Herr Schröder! Als der alte Mann geräuschlos das Zimmer verlassen hatte, wandte Wolf Können Sie mir eine Erklärung geben? Die Gefragte schüttelte den Kopf. Ich hatte mich zu Elsie hingesetzt, Baron. Sie wissen, die Kleine muß noch Sie sprach ruhig, und Wolf hörte ihr gedankenlos zu. Dann nahm er den Lieber Wolf. Ich lasse dir den Dovenhof, laste du mir die Kinder. Unsre Die drei Menschen sahen sich an, und die Fledermaus traitee sich an die Asta fand zuerst Worte. Sie hatte Elisabeth niemals geliebt, und in diesem Eine Frau, die so weggeht, darf uicht wiederkehren, rief sie. Niemals! Das Niemals. Wolf wiederholte das Wort. Aber sein Gesicht war entstellt. Schwer ließ er sich auf einen Stuhl fallen und zuckte zusammen, als Melitta Ich will allein sein! sagte er rauh, aber sie legte ihre weichen Arme um Laß mich bei dir bleiben, rief sie leidenschaftlich. Ich liebe dich, und ich werde Sie wandte ihr lebensprühendes Gesicht Asta zu, die sie in wortlosen Staunen Auch dir will ich zeigen, wie ich dich liebe. Betty Eberstein soll niemals Die Fledermaus hatte den Ausweg gefunden und huschte geräuschlos in die War die Strafe verdient, die ihn ereilte? Er dachte nicht darüber nach. 15 Die alte Äbtissin, Frau von Borkenhagen, saß früh am Morgen in ihrem Die Rlabimkerstraße Sie waren alle unten im Gcirtenzimmer, dessen Türen weit offen standen. Sie haben die Herrschaften nach der Bahn fahren lassen? In zwei Wagen, Herr Baron. Die Fledermaus umkreiste das Licht, und Melitta trat einen Schritt vor. Wo ist Herr Heinemann? Er ist ebenfalls mitgefahren. Der Baron machte eine entlastende Bewegung. Sie können gehn, Herr Schröder! Als der alte Mann geräuschlos das Zimmer verlassen hatte, wandte Wolf Können Sie mir eine Erklärung geben? Die Gefragte schüttelte den Kopf. Ich hatte mich zu Elsie hingesetzt, Baron. Sie wissen, die Kleine muß noch Sie sprach ruhig, und Wolf hörte ihr gedankenlos zu. Dann nahm er den Lieber Wolf. Ich lasse dir den Dovenhof, laste du mir die Kinder. Unsre Die drei Menschen sahen sich an, und die Fledermaus traitee sich an die Asta fand zuerst Worte. Sie hatte Elisabeth niemals geliebt, und in diesem Eine Frau, die so weggeht, darf uicht wiederkehren, rief sie. Niemals! Das Niemals. Wolf wiederholte das Wort. Aber sein Gesicht war entstellt. Schwer ließ er sich auf einen Stuhl fallen und zuckte zusammen, als Melitta Ich will allein sein! sagte er rauh, aber sie legte ihre weichen Arme um Laß mich bei dir bleiben, rief sie leidenschaftlich. Ich liebe dich, und ich werde Sie wandte ihr lebensprühendes Gesicht Asta zu, die sie in wortlosen Staunen Auch dir will ich zeigen, wie ich dich liebe. Betty Eberstein soll niemals Die Fledermaus hatte den Ausweg gefunden und huschte geräuschlos in die War die Strafe verdient, die ihn ereilte? Er dachte nicht darüber nach. 15 Die alte Äbtissin, Frau von Borkenhagen, saß früh am Morgen in ihrem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0549" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293346"/> <fw type="header" place="top"> Die Rlabimkerstraße</fw><lb/> <p xml:id="ID_3003"> Sie waren alle unten im Gcirtenzimmer, dessen Türen weit offen standen.<lb/> Eine Fledermaus huschte ins Zimmer, flog gegen die Wand und fiel schwer nieder.<lb/> Wolf hatte die brennende Kerze auf den Tisch gesetzt und starrte den Verwalter<lb/> an. Langsam nahm er den Brief, riß ihn auf, tat einen Blick hinein und sah<lb/> dann wieder in Herrn Schröters Gesicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_3004"> Sie haben die Herrschaften nach der Bahn fahren lassen?</p><lb/> <p xml:id="ID_3005"> In zwei Wagen, Herr Baron.</p><lb/> <p xml:id="ID_3006"> Die Fledermaus umkreiste das Licht, und Melitta trat einen Schritt vor.</p><lb/> <p xml:id="ID_3007"> Wo ist Herr Heinemann?</p><lb/> <p xml:id="ID_3008"> Er ist ebenfalls mitgefahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_3009"> Der Baron machte eine entlastende Bewegung.</p><lb/> <p xml:id="ID_3010"> Sie können gehn, Herr Schröder!</p><lb/> <p xml:id="ID_3011"> Als der alte Mann geräuschlos das Zimmer verlassen hatte, wandte Wolf<lb/> sich an Melitta, die noch immer Asta umschlungen hielt.</p><lb/> <p xml:id="ID_3012"> Können Sie mir eine Erklärung geben?</p><lb/> <p xml:id="ID_3013"> Die Gefragte schüttelte den Kopf.</p><lb/> <p xml:id="ID_3014"> Ich hatte mich zu Elsie hingesetzt, Baron. Sie wissen, die Kleine muß noch<lb/> immer gepflegt werde». Schließlich wunderte ich mich, daß es kein Abendessen<lb/> gab, bin dann aber darüber eingeschlafen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3015"> Sie sprach ruhig, und Wolf hörte ihr gedankenlos zu. Dann nahm er den<lb/> Brief und las ihn halblaut vor sich hin.</p><lb/> <p xml:id="ID_3016"> Lieber Wolf. Ich lasse dir den Dovenhof, laste du mir die Kinder. Unsre<lb/> Wege gehn auseinander, deine Freuden kann ich nicht gutheißen, du vielleicht<lb/> nicht meine Art der Lebensauffassung. Schon einmal hast du an Scheidung ge¬<lb/> dacht, nun tritt auch dieser Gedanke in meine Seele. Ich gehe nach Moorheide;<lb/> solltest du mir sagen können, daß du mir immer die Treue gehalten hast, sowohl<lb/> in Gedanken wie in Werken, so bin ich bereit, zurückzukehren. Sonst laß uns<lb/> in Frieden scheiden! Elisabeth.</p><lb/> <p xml:id="ID_3017"> Die drei Menschen sahen sich an, und die Fledermaus traitee sich an die<lb/> Wand, und fiel von neuem schwer nieder.</p><lb/> <p xml:id="ID_3018"> Asta fand zuerst Worte. Sie hatte Elisabeth niemals geliebt, und in diesem<lb/> Augenblick vergaß sie sogar die Kinder.</p><lb/> <p xml:id="ID_3019"> Eine Frau, die so weggeht, darf uicht wiederkehren, rief sie. Niemals! Das<lb/> verbietet die Ehre unsrer Familie.</p><lb/> <p xml:id="ID_3020"> Niemals. Wolf wiederholte das Wort. Aber sein Gesicht war entstellt.</p><lb/> <p xml:id="ID_3021"> Schwer ließ er sich auf einen Stuhl fallen und zuckte zusammen, als Melitta<lb/> neben ihn trat.</p><lb/> <p xml:id="ID_3022"> Ich will allein sein! sagte er rauh, aber sie legte ihre weichen Arme um<lb/> seinen Nacken.</p><lb/> <p xml:id="ID_3023"> Laß mich bei dir bleiben, rief sie leidenschaftlich. Ich liebe dich, und ich werde<lb/> dir die Treue halten.</p><lb/> <p xml:id="ID_3024"> Sie wandte ihr lebensprühendes Gesicht Asta zu, die sie in wortlosen Staunen<lb/> anblickte.</p><lb/> <p xml:id="ID_3025"> Auch dir will ich zeigen, wie ich dich liebe. Betty Eberstein soll niemals<lb/> Äbtissin von Wittekind werden!</p><lb/> <p xml:id="ID_3026"> Die Fledermaus hatte den Ausweg gefunden und huschte geräuschlos in die<lb/> Sommernacht. Wolf Wolffenradt aber empfand nichts als eine ungeheure Bitterkeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_3027"> War die Strafe verdient, die ihn ereilte? Er dachte nicht darüber nach.<lb/> Der brennende Wunsch, sich an Elisabeth zu rächen, kam über ihn, und er stieß<lb/> Melitta nicht zurück.</p><lb/> <div n="2"> <head> 15</head><lb/> <p xml:id="ID_3028" next="#ID_3029"> Die alte Äbtissin, Frau von Borkenhagen, saß früh am Morgen in ihrem<lb/> Arbeitszimmer und ärgerte sich. Zum ersten über ihre zunehmende Schwache, und<lb/> dann darüber, daß Gräfin Eberstein manchmal zu vergessen schien, daß sie, die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0549]
Die Rlabimkerstraße
Sie waren alle unten im Gcirtenzimmer, dessen Türen weit offen standen.
Eine Fledermaus huschte ins Zimmer, flog gegen die Wand und fiel schwer nieder.
Wolf hatte die brennende Kerze auf den Tisch gesetzt und starrte den Verwalter
an. Langsam nahm er den Brief, riß ihn auf, tat einen Blick hinein und sah
dann wieder in Herrn Schröters Gesicht.
Sie haben die Herrschaften nach der Bahn fahren lassen?
In zwei Wagen, Herr Baron.
Die Fledermaus umkreiste das Licht, und Melitta trat einen Schritt vor.
Wo ist Herr Heinemann?
Er ist ebenfalls mitgefahren.
Der Baron machte eine entlastende Bewegung.
Sie können gehn, Herr Schröder!
Als der alte Mann geräuschlos das Zimmer verlassen hatte, wandte Wolf
sich an Melitta, die noch immer Asta umschlungen hielt.
Können Sie mir eine Erklärung geben?
Die Gefragte schüttelte den Kopf.
Ich hatte mich zu Elsie hingesetzt, Baron. Sie wissen, die Kleine muß noch
immer gepflegt werde». Schließlich wunderte ich mich, daß es kein Abendessen
gab, bin dann aber darüber eingeschlafen.
Sie sprach ruhig, und Wolf hörte ihr gedankenlos zu. Dann nahm er den
Brief und las ihn halblaut vor sich hin.
Lieber Wolf. Ich lasse dir den Dovenhof, laste du mir die Kinder. Unsre
Wege gehn auseinander, deine Freuden kann ich nicht gutheißen, du vielleicht
nicht meine Art der Lebensauffassung. Schon einmal hast du an Scheidung ge¬
dacht, nun tritt auch dieser Gedanke in meine Seele. Ich gehe nach Moorheide;
solltest du mir sagen können, daß du mir immer die Treue gehalten hast, sowohl
in Gedanken wie in Werken, so bin ich bereit, zurückzukehren. Sonst laß uns
in Frieden scheiden! Elisabeth.
Die drei Menschen sahen sich an, und die Fledermaus traitee sich an die
Wand, und fiel von neuem schwer nieder.
Asta fand zuerst Worte. Sie hatte Elisabeth niemals geliebt, und in diesem
Augenblick vergaß sie sogar die Kinder.
Eine Frau, die so weggeht, darf uicht wiederkehren, rief sie. Niemals! Das
verbietet die Ehre unsrer Familie.
Niemals. Wolf wiederholte das Wort. Aber sein Gesicht war entstellt.
Schwer ließ er sich auf einen Stuhl fallen und zuckte zusammen, als Melitta
neben ihn trat.
Ich will allein sein! sagte er rauh, aber sie legte ihre weichen Arme um
seinen Nacken.
Laß mich bei dir bleiben, rief sie leidenschaftlich. Ich liebe dich, und ich werde
dir die Treue halten.
Sie wandte ihr lebensprühendes Gesicht Asta zu, die sie in wortlosen Staunen
anblickte.
Auch dir will ich zeigen, wie ich dich liebe. Betty Eberstein soll niemals
Äbtissin von Wittekind werden!
Die Fledermaus hatte den Ausweg gefunden und huschte geräuschlos in die
Sommernacht. Wolf Wolffenradt aber empfand nichts als eine ungeheure Bitterkeit.
War die Strafe verdient, die ihn ereilte? Er dachte nicht darüber nach.
Der brennende Wunsch, sich an Elisabeth zu rächen, kam über ihn, und er stieß
Melitta nicht zurück.
15
Die alte Äbtissin, Frau von Borkenhagen, saß früh am Morgen in ihrem
Arbeitszimmer und ärgerte sich. Zum ersten über ihre zunehmende Schwache, und
dann darüber, daß Gräfin Eberstein manchmal zu vergessen schien, daß sie, die
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |