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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Familienfideikommisse und Heimstätten

le preußische Regierung hat eiuen Gesetzentwurf über Familien-
fideikommisse veröffentlichen lassen, der seinerzeit dem Landtag vor¬
gelegt werden soll. Die konservative und die ultrcimoutcine Partei
haben auf Anregung des Kammerherrn von Riepenhausen-Crcmgen
wiederum einen Heimstüttengesetzentwurf im Reichstag eingebracht.
Er ist eine Wiederholung des Entwurfs von 1890 und 1894. Beide Gesetz¬
entwürfe erstreben dasselbe: den Familiensinn und die Familie zu stärken, aber
teils auf verschiednen Wege, teils für verschiedne Kreise. Für jedes Familien-
fideikvmmiß verlangt der Entwurf ein Jahreseinkommen von 10000 Mark (nach
dem Preußischen Landrecht, Paragraph 51, II, 4 genügt ein Mindestreiuertrag
von 7500 Mark); was die Größe der Heimstätte alilangt, so schreibt der Gesetz¬
entwurf vor, daß sie die eines Bauernhofs nicht übersteigen dürfe.

Also für die Fideikommisse eine Beschränkung nach unten, für die Heim¬
stätte nach oben. Das Fideikommiß soll nicht zu klein, die Heimstätte nicht zu
groß sein. Wie reimt sich dies mit demselben Zweck zusammen, wird man
fragen, und wo bleiben die zwischen den beiden Größen liegenden Güter?
Offenbar sind beide Gesetzentwürfe etwas einseitig. In der Tat will man durch
das Familienfideikommiß Wohlhabenheit in einer Familie (sxlsnclor tÄiniliklö)
erhalten. Deshalb wird durch das Fideikommiß das große Gut entrückt:
erstens dem Pslichtteilsrecht (der Fideikommißnachfolger erbt es nicht, sondern
wird zur Nachfolge durch die alte Stiftungsurkunde berufen) und zweitens dem
Angriffe aller zukünftigen Gläubiger. Es ist nicht bloß unveräußerlich und
im gewissen Sinne unvererblich, sondern auch der Hauptsache nach der Zwangs¬
vollstreckung entzogen.

Die Heimstätte dagegen, wie sie sich in Nordamerika ausgebildet hat, be¬
schränkt sich auf eine Mindestgröße an Grund und Boden, die allerhöchstens
so groß sein darf, daß sie einer Familie entweder nur Wohnung oder auch
außerdem durch ländliche Nutzung und Verwertung ihrer Arbeitskräfte Nahrung
gewähren kann. *)



") Das Gutachten vom Stadirat Dr. Flesch, erstattet dem dreiundzwanzigsten Juristentage
in dessen Verhandlungen Bd. Gutachten 189S. S. 367 bis 393, enthält eine Darstellung
des amerikanischen Heimstättenrechts nebst Literaturnachweis.
Grenzboten 1 1904 73


Familienfideikommisse und Heimstätten

le preußische Regierung hat eiuen Gesetzentwurf über Familien-
fideikommisse veröffentlichen lassen, der seinerzeit dem Landtag vor¬
gelegt werden soll. Die konservative und die ultrcimoutcine Partei
haben auf Anregung des Kammerherrn von Riepenhausen-Crcmgen
wiederum einen Heimstüttengesetzentwurf im Reichstag eingebracht.
Er ist eine Wiederholung des Entwurfs von 1890 und 1894. Beide Gesetz¬
entwürfe erstreben dasselbe: den Familiensinn und die Familie zu stärken, aber
teils auf verschiednen Wege, teils für verschiedne Kreise. Für jedes Familien-
fideikvmmiß verlangt der Entwurf ein Jahreseinkommen von 10000 Mark (nach
dem Preußischen Landrecht, Paragraph 51, II, 4 genügt ein Mindestreiuertrag
von 7500 Mark); was die Größe der Heimstätte alilangt, so schreibt der Gesetz¬
entwurf vor, daß sie die eines Bauernhofs nicht übersteigen dürfe.

Also für die Fideikommisse eine Beschränkung nach unten, für die Heim¬
stätte nach oben. Das Fideikommiß soll nicht zu klein, die Heimstätte nicht zu
groß sein. Wie reimt sich dies mit demselben Zweck zusammen, wird man
fragen, und wo bleiben die zwischen den beiden Größen liegenden Güter?
Offenbar sind beide Gesetzentwürfe etwas einseitig. In der Tat will man durch
das Familienfideikommiß Wohlhabenheit in einer Familie (sxlsnclor tÄiniliklö)
erhalten. Deshalb wird durch das Fideikommiß das große Gut entrückt:
erstens dem Pslichtteilsrecht (der Fideikommißnachfolger erbt es nicht, sondern
wird zur Nachfolge durch die alte Stiftungsurkunde berufen) und zweitens dem
Angriffe aller zukünftigen Gläubiger. Es ist nicht bloß unveräußerlich und
im gewissen Sinne unvererblich, sondern auch der Hauptsache nach der Zwangs¬
vollstreckung entzogen.

Die Heimstätte dagegen, wie sie sich in Nordamerika ausgebildet hat, be¬
schränkt sich auf eine Mindestgröße an Grund und Boden, die allerhöchstens
so groß sein darf, daß sie einer Familie entweder nur Wohnung oder auch
außerdem durch ländliche Nutzung und Verwertung ihrer Arbeitskräfte Nahrung
gewähren kann. *)



") Das Gutachten vom Stadirat Dr. Flesch, erstattet dem dreiundzwanzigsten Juristentage
in dessen Verhandlungen Bd. Gutachten 189S. S. 367 bis 393, enthält eine Darstellung
des amerikanischen Heimstättenrechts nebst Literaturnachweis.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/565>, abgerufen am 05.05.2024.