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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Gin bisher unbekannt gebliebner Brief
Theodor Körners

Wien am 23. October 1812.


Liebster Hegcir.

FGM
T5M"6
v--_^K>U /^verzeihlich, wie Dein Stillschweigen jetzt, war Deine Abreise, Du
hast, bey Gott, viel wieder gut zu machen. Wie, wo, und womit
lebst Du? -- Bist Du schon verheyrathet? Was macht Deine Luise?
^Was macht die Kunst? -- Tausend solche Fragen habe ich auf¬
zuweisen, die ich rüsten und mobil machen könnte, um landstürmerisch
l Deine Seelen- und Freundschaftsfestung zu überrumpeln. Da ich im
Augenblick Deines Fortgehens mit dem Loose meiner Zukunft in der Hand da¬
stand, und der nächste Augenblick es aufrollen mußte, und dennoch keine Frage um
die Entscheidung aus Deinem Munde zu vernehmen war, so mögte sich das leicht
einem gewissen Kaltsinne zuschreiben lassen, den ich ungern in dem Seelen Garten
meines (?) unsres (?) Hegar gewahr würde. Zu Deiner Ehre glaube ich, Dich dennoch
mit der Nachricht zu erfreuen, daß ich ganz glücklich bin. Toni ist meinem Vater eine
liebe Tochter, er hat sie gesehen und uns geseegnet. Meine Eltern waren 3 Wochen
lang hier. Ich gestehe, ich habe sie mit anderm Gefühl als sonst begrüßt. Wenn
man liebt, so sinkt jedes Verhältniß in seiner Kraft, obgleich es zugleich an Heilig¬
keit und Innigkeit gewinnt. Was meine Kunst betrifft, so bin ich ziemlich zufrieden
mit meinem Fleiße. Der Zriny, mein großes Trauerspiel, ist geendet, und ich darf
wohl sagen, zu der Meisten Zufriedenheit. Humbolds, Schlegels, hev., haben auf
das liebreichste drüber geurtheilt. So wäre denn mein Weg bestimmt, das Ziel
ist da, die Rosse aufgezäumt, und Muth und Glück stehen mit mir im Wagen.
Wie gehts denn meinen Manuskripten. Ich bitte Dich, bey der Direcktion doch ja
auf meine Honorare zu dringen, und sie mir unter der Addresse /

Xöruör
x. Ää6. ^ K. SeuAötsr in der Köllnerhofgasse (?)

zuzusenden. Bis Ende November bleibe ich noch hier, und erwarte die baldigste
Antwort. Deiner Luise meine innigsten Grüße. Ich beneide Dich um ein Glück,
das mir erst in 3 Jahren lächelt. Hoffentlich finden wir uns wieder bald einmal
Herz an Herzen, und wir sagen uus dann mit dem nehmlichen strengen Blick wie
vor 4 (?) Jahren und einem halben Jahre, daß wir glücklich sind, und uns dessen
nicht unwürdig glauben. Mit einem Bruderkuß scheide ich. -- Grüß D. August!


Dein LtuzoÄor Körner


Vorstehender, mir durch die Liebenswürdigkeit einer Berliner Autographen¬
sammlerin zur Verfügung gestellter, hier zum erstenmal veröffentlichter Brief
stammt aus Theodor Körners glücklichster Zeit. Einen Monat zuvor hatte er
wie in einem Freudenrausche seinen einundzwanzigsten Geburtstag gefeiert und
seiner Familie nach Dresden darüber berichtet: "Noch nie hat mich ein
23. September so glücklich gefunden. Der Kranz der Liebe ist um mich ge¬
schlungen, und alle Blüten, die Ihr in mir erzogen habt, hat die Sommerzeit




Gin bisher unbekannt gebliebner Brief
Theodor Körners

Wien am 23. October 1812.


Liebster Hegcir.

FGM
T5M»6
v--_^K>U /^verzeihlich, wie Dein Stillschweigen jetzt, war Deine Abreise, Du
hast, bey Gott, viel wieder gut zu machen. Wie, wo, und womit
lebst Du? — Bist Du schon verheyrathet? Was macht Deine Luise?
^Was macht die Kunst? — Tausend solche Fragen habe ich auf¬
zuweisen, die ich rüsten und mobil machen könnte, um landstürmerisch
l Deine Seelen- und Freundschaftsfestung zu überrumpeln. Da ich im
Augenblick Deines Fortgehens mit dem Loose meiner Zukunft in der Hand da¬
stand, und der nächste Augenblick es aufrollen mußte, und dennoch keine Frage um
die Entscheidung aus Deinem Munde zu vernehmen war, so mögte sich das leicht
einem gewissen Kaltsinne zuschreiben lassen, den ich ungern in dem Seelen Garten
meines (?) unsres (?) Hegar gewahr würde. Zu Deiner Ehre glaube ich, Dich dennoch
mit der Nachricht zu erfreuen, daß ich ganz glücklich bin. Toni ist meinem Vater eine
liebe Tochter, er hat sie gesehen und uns geseegnet. Meine Eltern waren 3 Wochen
lang hier. Ich gestehe, ich habe sie mit anderm Gefühl als sonst begrüßt. Wenn
man liebt, so sinkt jedes Verhältniß in seiner Kraft, obgleich es zugleich an Heilig¬
keit und Innigkeit gewinnt. Was meine Kunst betrifft, so bin ich ziemlich zufrieden
mit meinem Fleiße. Der Zriny, mein großes Trauerspiel, ist geendet, und ich darf
wohl sagen, zu der Meisten Zufriedenheit. Humbolds, Schlegels, hev., haben auf
das liebreichste drüber geurtheilt. So wäre denn mein Weg bestimmt, das Ziel
ist da, die Rosse aufgezäumt, und Muth und Glück stehen mit mir im Wagen.
Wie gehts denn meinen Manuskripten. Ich bitte Dich, bey der Direcktion doch ja
auf meine Honorare zu dringen, und sie mir unter der Addresse /

Xöruör
x. Ää6. ^ K. SeuAötsr in der Köllnerhofgasse (?)

zuzusenden. Bis Ende November bleibe ich noch hier, und erwarte die baldigste
Antwort. Deiner Luise meine innigsten Grüße. Ich beneide Dich um ein Glück,
das mir erst in 3 Jahren lächelt. Hoffentlich finden wir uns wieder bald einmal
Herz an Herzen, und wir sagen uus dann mit dem nehmlichen strengen Blick wie
vor 4 (?) Jahren und einem halben Jahre, daß wir glücklich sind, und uns dessen
nicht unwürdig glauben. Mit einem Bruderkuß scheide ich. — Grüß D. August!


Dein LtuzoÄor Körner


Vorstehender, mir durch die Liebenswürdigkeit einer Berliner Autographen¬
sammlerin zur Verfügung gestellter, hier zum erstenmal veröffentlichter Brief
stammt aus Theodor Körners glücklichster Zeit. Einen Monat zuvor hatte er
wie in einem Freudenrausche seinen einundzwanzigsten Geburtstag gefeiert und
seiner Familie nach Dresden darüber berichtet: „Noch nie hat mich ein
23. September so glücklich gefunden. Der Kranz der Liebe ist um mich ge¬
schlungen, und alle Blüten, die Ihr in mir erzogen habt, hat die Sommerzeit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/666>, abgerufen am 06.05.2024.