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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Das Masserstraszengesetz in Preußen und der deutsche Seehandel

"Isolierung" Deutschlands jammern. Wir glauben vorläufig weder an die
eine noch an die andre. Die drohende Entwicklung der Dinge in Ostasien,
das völlige Versagen der russischen Flotte, die jetzt nach den herbsten Verlusten
in Port Arthur wohl hoffnungslos eingeschlossen ist, wie einst während des
Krimkriegs in Sebastopol, das energische Vordringen der japanischen Armee
in die Mandschurei nach dem Siege am Jalu, und die bisher auch zu Lande
offenbar unzulängliche russische Führung, die bis jetzt noch nicht den kleinsten
Erfolg aufweisen kann, endlich das Anwachsen der fremdenfeindlichen Volks¬
stimmung in China, der die chinesische Regierung trotz allen diplomatischen
Einwirkungen vielleicht doch nicht auf die Dauer wird widerstehn können, das
sind Ereignisse und Aussichten, die alle europäischen Mächte gebieterisch zwingen
können, gegen die wachsende "gelbe Gefahr" zusammenzustehn, auf die jetzt der
Kaiser in Karlsruhe unverkennbar hingewiesen hat, und die sie jedenfalls ab¬
halten müssen, nnter sich Händel anzufangen. Wieder einmal zeigt es sich,
daß es eine europäische Politik im alten Sinne gar nicht mehr gibt; alle große
Politik ist Weltpolitik geworden.




Das Wasserstraßengesetz in Preußen und der deutsche
^eehandel
v Uurt Freiherrn von Maltzahn on

tzMch
^s/M^Fjie fünf Gesetzentwürfe, über die im preußischen Abgeordneten¬
hause jetzt verhandelt wird, betreffen alle die Verhältnisse in den
Stromgebieten des Staates. Mit den Fragen, die ich hier be¬
handeln will, stehn jedoch nur die direkt in Verbindung, die
! unter der Bezeichnung: "Entwurf eines Gesetzes betreffend die
Herstellung und den Ausbau von Wasserstraßen" zusammengefaßt sind. Für
diese Bauten: den Schiffahrtskannl vom Rhein nach Hannover, den Gro߬
schiffahrtsweg Berlin-Stettin, die Verbesserung der Wasserstraße zwischen
Oder und Weichsel sowie die Kcmalisieruug der Oder bis Fürstenberg,
werden im ganzen 280275000 Mark gefordert, die zum Teil vom Staat,
zum Teil von den einzelnen Landesteilen aufgebracht werden sollen. Zur
Begründung dieser Forderung sind dem Entwurf ausführliche Denkschriften
beigegeben, die die wirtschaftliche Bedeutung der Bauten beleuchten und zum
Teil örtlichen Rivalitäten -- ich möchte sagen provinzpartikularistischcn
Bedenken -- entgegentreten, zum Teil Interessen gegeneinander abwägen, die
den preußischen Seehafen Stettin einerseits und andrerseits die Hansastädte
Hamburg und Lübeck betreffen. Während hier also preußische und nicht¬
preußische Verhältnisse berührt und einander gegenübergestellt werden, wird
bei der Begründung für die im Westen der Monarchie geplanten Kanäle schon
mehr von deutscher Flußschiffahrt und deutscher Seeschiffahrt gesprochen
und damit die allgemeine Bedeutung dieser Gcsetzesvorlagen mehr in den


Das Masserstraszengesetz in Preußen und der deutsche Seehandel

„Isolierung" Deutschlands jammern. Wir glauben vorläufig weder an die
eine noch an die andre. Die drohende Entwicklung der Dinge in Ostasien,
das völlige Versagen der russischen Flotte, die jetzt nach den herbsten Verlusten
in Port Arthur wohl hoffnungslos eingeschlossen ist, wie einst während des
Krimkriegs in Sebastopol, das energische Vordringen der japanischen Armee
in die Mandschurei nach dem Siege am Jalu, und die bisher auch zu Lande
offenbar unzulängliche russische Führung, die bis jetzt noch nicht den kleinsten
Erfolg aufweisen kann, endlich das Anwachsen der fremdenfeindlichen Volks¬
stimmung in China, der die chinesische Regierung trotz allen diplomatischen
Einwirkungen vielleicht doch nicht auf die Dauer wird widerstehn können, das
sind Ereignisse und Aussichten, die alle europäischen Mächte gebieterisch zwingen
können, gegen die wachsende „gelbe Gefahr" zusammenzustehn, auf die jetzt der
Kaiser in Karlsruhe unverkennbar hingewiesen hat, und die sie jedenfalls ab¬
halten müssen, nnter sich Händel anzufangen. Wieder einmal zeigt es sich,
daß es eine europäische Politik im alten Sinne gar nicht mehr gibt; alle große
Politik ist Weltpolitik geworden.




Das Wasserstraßengesetz in Preußen und der deutsche
^eehandel
v Uurt Freiherrn von Maltzahn on

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^s/M^Fjie fünf Gesetzentwürfe, über die im preußischen Abgeordneten¬
hause jetzt verhandelt wird, betreffen alle die Verhältnisse in den
Stromgebieten des Staates. Mit den Fragen, die ich hier be¬
handeln will, stehn jedoch nur die direkt in Verbindung, die
! unter der Bezeichnung: „Entwurf eines Gesetzes betreffend die
Herstellung und den Ausbau von Wasserstraßen" zusammengefaßt sind. Für
diese Bauten: den Schiffahrtskannl vom Rhein nach Hannover, den Gro߬
schiffahrtsweg Berlin-Stettin, die Verbesserung der Wasserstraße zwischen
Oder und Weichsel sowie die Kcmalisieruug der Oder bis Fürstenberg,
werden im ganzen 280275000 Mark gefordert, die zum Teil vom Staat,
zum Teil von den einzelnen Landesteilen aufgebracht werden sollen. Zur
Begründung dieser Forderung sind dem Entwurf ausführliche Denkschriften
beigegeben, die die wirtschaftliche Bedeutung der Bauten beleuchten und zum
Teil örtlichen Rivalitäten — ich möchte sagen provinzpartikularistischcn
Bedenken — entgegentreten, zum Teil Interessen gegeneinander abwägen, die
den preußischen Seehafen Stettin einerseits und andrerseits die Hansastädte
Hamburg und Lübeck betreffen. Während hier also preußische und nicht¬
preußische Verhältnisse berührt und einander gegenübergestellt werden, wird
bei der Begründung für die im Westen der Monarchie geplanten Kanäle schon
mehr von deutscher Flußschiffahrt und deutscher Seeschiffahrt gesprochen
und damit die allgemeine Bedeutung dieser Gcsetzesvorlagen mehr in den


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[0377] Das Masserstraszengesetz in Preußen und der deutsche Seehandel „Isolierung" Deutschlands jammern. Wir glauben vorläufig weder an die eine noch an die andre. Die drohende Entwicklung der Dinge in Ostasien, das völlige Versagen der russischen Flotte, die jetzt nach den herbsten Verlusten in Port Arthur wohl hoffnungslos eingeschlossen ist, wie einst während des Krimkriegs in Sebastopol, das energische Vordringen der japanischen Armee in die Mandschurei nach dem Siege am Jalu, und die bisher auch zu Lande offenbar unzulängliche russische Führung, die bis jetzt noch nicht den kleinsten Erfolg aufweisen kann, endlich das Anwachsen der fremdenfeindlichen Volks¬ stimmung in China, der die chinesische Regierung trotz allen diplomatischen Einwirkungen vielleicht doch nicht auf die Dauer wird widerstehn können, das sind Ereignisse und Aussichten, die alle europäischen Mächte gebieterisch zwingen können, gegen die wachsende „gelbe Gefahr" zusammenzustehn, auf die jetzt der Kaiser in Karlsruhe unverkennbar hingewiesen hat, und die sie jedenfalls ab¬ halten müssen, nnter sich Händel anzufangen. Wieder einmal zeigt es sich, daß es eine europäische Politik im alten Sinne gar nicht mehr gibt; alle große Politik ist Weltpolitik geworden. Das Wasserstraßengesetz in Preußen und der deutsche ^eehandel v Uurt Freiherrn von Maltzahn on tzMch ^s/M^Fjie fünf Gesetzentwürfe, über die im preußischen Abgeordneten¬ hause jetzt verhandelt wird, betreffen alle die Verhältnisse in den Stromgebieten des Staates. Mit den Fragen, die ich hier be¬ handeln will, stehn jedoch nur die direkt in Verbindung, die ! unter der Bezeichnung: „Entwurf eines Gesetzes betreffend die Herstellung und den Ausbau von Wasserstraßen" zusammengefaßt sind. Für diese Bauten: den Schiffahrtskannl vom Rhein nach Hannover, den Gro߬ schiffahrtsweg Berlin-Stettin, die Verbesserung der Wasserstraße zwischen Oder und Weichsel sowie die Kcmalisieruug der Oder bis Fürstenberg, werden im ganzen 280275000 Mark gefordert, die zum Teil vom Staat, zum Teil von den einzelnen Landesteilen aufgebracht werden sollen. Zur Begründung dieser Forderung sind dem Entwurf ausführliche Denkschriften beigegeben, die die wirtschaftliche Bedeutung der Bauten beleuchten und zum Teil örtlichen Rivalitäten — ich möchte sagen provinzpartikularistischcn Bedenken — entgegentreten, zum Teil Interessen gegeneinander abwägen, die den preußischen Seehafen Stettin einerseits und andrerseits die Hansastädte Hamburg und Lübeck betreffen. Während hier also preußische und nicht¬ preußische Verhältnisse berührt und einander gegenübergestellt werden, wird bei der Begründung für die im Westen der Monarchie geplanten Kanäle schon mehr von deutscher Flußschiffahrt und deutscher Seeschiffahrt gesprochen und damit die allgemeine Bedeutung dieser Gcsetzesvorlagen mehr in den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/377>, abgerufen am 03.05.2024.