Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

mort entzog er sich, als die Tat bekannt geworden war, der irdischen Gerechtigkeit.
Alle diese Leute sind Menschen, deren Bildungsgrad wegen ihrer sozialen Stellung
weit über das Niveau der Mittelmäßigkeit hinausgeht, und doch sind sie Verbrecher!

Auch hier könnte man den Grund in der mangelhaften Erziehung suchen, die
hauptsächlich im Kindesalter nichts weniger als rationell ist. Es ist unglaublich,
wie in den bessern Ständen diese Kinder verwöhnt und ihnen die größten Unarten
erlaubt werden. Diese kleinen Haustyrannen kennen nur ihren eignen Willen; der
Begriff Gehorsam ist ihnen gänzlich fremd. So haben sie, wenn sie größer werden,
keine Ahnung von einem Pflichtgefühl, und daraus entspringen im spätern Leben
die ärgsten Konflikte. Auch der Hang zur Grausamkeit gegen Tiere, der italienischen
.Kindern angeboren zu sein scheint, wird durch nichts gemildert, und Eltern sehen
lächelnd zu, wenn die kleinen Unholde einen Vogel quälen oder einem Schmetterling
die Flügel ausreißen. Später kommen dann die großen Tiere an die Reihe. Jeder
Fremde wird peinlich berührt, wenn er mit ansehen muß, wie die Italiener Pferde
und Esel mißhandeln -- allerdings ist das mehr Privilegium der niedern Be¬
völkerung.

Vielleicht trägt auch an der krankhaften Richtung, die Leute aus den besten
Ständen nur zur sofortigen Befriedigung eines Wunsches Verbrechen ersinnen läßt,
die Literatur der Gegenwart mit Schuld.

Der erste Schriftsteller des Landes, auf den die Italiener stolz sind, ist gegen¬
wärtig Gabriele D'Annunzio, der sicher in der Literaturgeschichte unsrer Zeit eine
große Rolle spielt, der aber sein ungewöhnliches Talent an wenig erfreuliche Motive
verschwendet. Er bietet in glänzender vollendeter Form die gewagtesten Probleme,
die interessieren und fesseln müssen. Doch durch alle Werke des Dichters weht ein
solcher Hauch von ungesunder Sinnlichkeit, von Mystizismus, von krankhaften Ge¬
fühlserscheinungen und von wollüstiger Grausamkeit, daß seine Schriften wohl
schwerlich zur Erhebung oder Veredlung seiner Landsleute beitragen werden. Er
ist und bleibt der "Poet der Dekadenz."

Daß man Bluttateu und sonstige Verbrechen bei jeder Nation findet, ist ja
eine feststehende Tatsache, aber die Häufigkeit dieser Vorkommnisse ist für Italien
leider charakteristisch M. Vantone Helbig .


Bücher philosophischen Inhalts.

In der Anzeige der Metaphysik von
Dr. Alfons Bilharz haben wir vor fünf Jahren geschrieben: "Ob die vom Ver¬
fasser beliebte mathematische Erläuterung seiner Lehre für die Mehrzahl seiner Leser
eine Erläuterung oder eine Verdunkelung bedeuten wird, mag die Erfahrung lehren."
Was den Referenten betrifft, so gesteht er offen, daß er, obwohl durchaus kein Feind
mathematischer Analogien, sich außer stände fühlt, der Forderung nachzukommen, deren
Erfüllung allein nach des Verfassers Behauptung den Zugang zur Metaphysik
erschließt: man solle das Denken aus der Zeitrichtung hinausdrehen und im Raume
betrachten, "was einer Drehung des Denkens um einen rechten Winkel gleichkommt."
Diese Forderung erhebt er auch wieder in der "Fortsetzung des synthetischen Teils"
seiner Metaphysik, die er unter dem Titel: Die Lehre vom Leben (Wiesbaden,
I. F. Bergmann, 1902) veröffentlicht hat; darum verzichten wir im Bewußtsein
unsers Unvermögens darauf, an seiner Hand in das Geheimnis des Lebens ein¬
zudringen. Er überschreibt die drei Teile des Werkes: Prolegomena zur Biologie;
Nov-Biologie, Zoonomie; Logo-Biologie, Anthroponomie. Beim Durchblättern der
letzten Seiten, die von Ethik, namentlich vom Ethiker Friedrich Nietzsche, vou Ge¬
sellschaft, Staat und Recht handeln, gewahren wir zu unsrer Freude, daß Bilharz
auch die umnathematische und gemeinverständliche Alltagssprache reden kann. Vielleicht
kommt einer, der von hinten in das Werk ein- und bis zur ersten Seite vordringt,
ganz von selbst mit seinem Denken senkrecht aufs Sein zu stehn und erfüllt so
unbewußt die zweite der mathematischen Forderungen des Verfassers. --- Die von
Kirchmann begründete, in den Besitz der Dürrschen Buchhandlung übergegangne


Grenzboten II 1904 8
Maßgebliches und Unmaßgebliches

mort entzog er sich, als die Tat bekannt geworden war, der irdischen Gerechtigkeit.
Alle diese Leute sind Menschen, deren Bildungsgrad wegen ihrer sozialen Stellung
weit über das Niveau der Mittelmäßigkeit hinausgeht, und doch sind sie Verbrecher!

Auch hier könnte man den Grund in der mangelhaften Erziehung suchen, die
hauptsächlich im Kindesalter nichts weniger als rationell ist. Es ist unglaublich,
wie in den bessern Ständen diese Kinder verwöhnt und ihnen die größten Unarten
erlaubt werden. Diese kleinen Haustyrannen kennen nur ihren eignen Willen; der
Begriff Gehorsam ist ihnen gänzlich fremd. So haben sie, wenn sie größer werden,
keine Ahnung von einem Pflichtgefühl, und daraus entspringen im spätern Leben
die ärgsten Konflikte. Auch der Hang zur Grausamkeit gegen Tiere, der italienischen
.Kindern angeboren zu sein scheint, wird durch nichts gemildert, und Eltern sehen
lächelnd zu, wenn die kleinen Unholde einen Vogel quälen oder einem Schmetterling
die Flügel ausreißen. Später kommen dann die großen Tiere an die Reihe. Jeder
Fremde wird peinlich berührt, wenn er mit ansehen muß, wie die Italiener Pferde
und Esel mißhandeln — allerdings ist das mehr Privilegium der niedern Be¬
völkerung.

Vielleicht trägt auch an der krankhaften Richtung, die Leute aus den besten
Ständen nur zur sofortigen Befriedigung eines Wunsches Verbrechen ersinnen läßt,
die Literatur der Gegenwart mit Schuld.

Der erste Schriftsteller des Landes, auf den die Italiener stolz sind, ist gegen¬
wärtig Gabriele D'Annunzio, der sicher in der Literaturgeschichte unsrer Zeit eine
große Rolle spielt, der aber sein ungewöhnliches Talent an wenig erfreuliche Motive
verschwendet. Er bietet in glänzender vollendeter Form die gewagtesten Probleme,
die interessieren und fesseln müssen. Doch durch alle Werke des Dichters weht ein
solcher Hauch von ungesunder Sinnlichkeit, von Mystizismus, von krankhaften Ge¬
fühlserscheinungen und von wollüstiger Grausamkeit, daß seine Schriften wohl
schwerlich zur Erhebung oder Veredlung seiner Landsleute beitragen werden. Er
ist und bleibt der „Poet der Dekadenz."

Daß man Bluttateu und sonstige Verbrechen bei jeder Nation findet, ist ja
eine feststehende Tatsache, aber die Häufigkeit dieser Vorkommnisse ist für Italien
leider charakteristisch M. Vantone Helbig .


Bücher philosophischen Inhalts.

In der Anzeige der Metaphysik von
Dr. Alfons Bilharz haben wir vor fünf Jahren geschrieben: „Ob die vom Ver¬
fasser beliebte mathematische Erläuterung seiner Lehre für die Mehrzahl seiner Leser
eine Erläuterung oder eine Verdunkelung bedeuten wird, mag die Erfahrung lehren."
Was den Referenten betrifft, so gesteht er offen, daß er, obwohl durchaus kein Feind
mathematischer Analogien, sich außer stände fühlt, der Forderung nachzukommen, deren
Erfüllung allein nach des Verfassers Behauptung den Zugang zur Metaphysik
erschließt: man solle das Denken aus der Zeitrichtung hinausdrehen und im Raume
betrachten, „was einer Drehung des Denkens um einen rechten Winkel gleichkommt."
Diese Forderung erhebt er auch wieder in der „Fortsetzung des synthetischen Teils"
seiner Metaphysik, die er unter dem Titel: Die Lehre vom Leben (Wiesbaden,
I. F. Bergmann, 1902) veröffentlicht hat; darum verzichten wir im Bewußtsein
unsers Unvermögens darauf, an seiner Hand in das Geheimnis des Lebens ein¬
zudringen. Er überschreibt die drei Teile des Werkes: Prolegomena zur Biologie;
Nov-Biologie, Zoonomie; Logo-Biologie, Anthroponomie. Beim Durchblättern der
letzten Seiten, die von Ethik, namentlich vom Ethiker Friedrich Nietzsche, vou Ge¬
sellschaft, Staat und Recht handeln, gewahren wir zu unsrer Freude, daß Bilharz
auch die umnathematische und gemeinverständliche Alltagssprache reden kann. Vielleicht
kommt einer, der von hinten in das Werk ein- und bis zur ersten Seite vordringt,
ganz von selbst mit seinem Denken senkrecht aufs Sein zu stehn und erfüllt so
unbewußt die zweite der mathematischen Forderungen des Verfassers. -— Die von
Kirchmann begründete, in den Besitz der Dürrschen Buchhandlung übergegangne


Grenzboten II 1904 8
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0065" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293684"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_212" prev="#ID_211"> mort entzog er sich, als die Tat bekannt geworden war, der irdischen Gerechtigkeit.<lb/>
Alle diese Leute sind Menschen, deren Bildungsgrad wegen ihrer sozialen Stellung<lb/>
weit über das Niveau der Mittelmäßigkeit hinausgeht, und doch sind sie Verbrecher!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_213"> Auch hier könnte man den Grund in der mangelhaften Erziehung suchen, die<lb/>
hauptsächlich im Kindesalter nichts weniger als rationell ist. Es ist unglaublich,<lb/>
wie in den bessern Ständen diese Kinder verwöhnt und ihnen die größten Unarten<lb/>
erlaubt werden. Diese kleinen Haustyrannen kennen nur ihren eignen Willen; der<lb/>
Begriff Gehorsam ist ihnen gänzlich fremd. So haben sie, wenn sie größer werden,<lb/>
keine Ahnung von einem Pflichtgefühl, und daraus entspringen im spätern Leben<lb/>
die ärgsten Konflikte. Auch der Hang zur Grausamkeit gegen Tiere, der italienischen<lb/>
.Kindern angeboren zu sein scheint, wird durch nichts gemildert, und Eltern sehen<lb/>
lächelnd zu, wenn die kleinen Unholde einen Vogel quälen oder einem Schmetterling<lb/>
die Flügel ausreißen. Später kommen dann die großen Tiere an die Reihe. Jeder<lb/>
Fremde wird peinlich berührt, wenn er mit ansehen muß, wie die Italiener Pferde<lb/>
und Esel mißhandeln &#x2014; allerdings ist das mehr Privilegium der niedern Be¬<lb/>
völkerung.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_214"> Vielleicht trägt auch an der krankhaften Richtung, die Leute aus den besten<lb/>
Ständen nur zur sofortigen Befriedigung eines Wunsches Verbrechen ersinnen läßt,<lb/>
die Literatur der Gegenwart mit Schuld.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_215"> Der erste Schriftsteller des Landes, auf den die Italiener stolz sind, ist gegen¬<lb/>
wärtig Gabriele D'Annunzio, der sicher in der Literaturgeschichte unsrer Zeit eine<lb/>
große Rolle spielt, der aber sein ungewöhnliches Talent an wenig erfreuliche Motive<lb/>
verschwendet. Er bietet in glänzender vollendeter Form die gewagtesten Probleme,<lb/>
die interessieren und fesseln müssen. Doch durch alle Werke des Dichters weht ein<lb/>
solcher Hauch von ungesunder Sinnlichkeit, von Mystizismus, von krankhaften Ge¬<lb/>
fühlserscheinungen und von wollüstiger Grausamkeit, daß seine Schriften wohl<lb/>
schwerlich zur Erhebung oder Veredlung seiner Landsleute beitragen werden. Er<lb/>
ist und bleibt der &#x201E;Poet der Dekadenz."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_216"> Daß man Bluttateu und sonstige Verbrechen bei jeder Nation findet, ist ja<lb/>
eine feststehende Tatsache, aber die Häufigkeit dieser Vorkommnisse ist für Italien<lb/>
leider charakteristisch<note type="byline"> M. Vantone Helbig</note> . </p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Bücher philosophischen Inhalts.</head>
            <p xml:id="ID_217" next="#ID_218"> In der Anzeige der Metaphysik von<lb/>
Dr. Alfons Bilharz haben wir vor fünf Jahren geschrieben: &#x201E;Ob die vom Ver¬<lb/>
fasser beliebte mathematische Erläuterung seiner Lehre für die Mehrzahl seiner Leser<lb/>
eine Erläuterung oder eine Verdunkelung bedeuten wird, mag die Erfahrung lehren."<lb/>
Was den Referenten betrifft, so gesteht er offen, daß er, obwohl durchaus kein Feind<lb/>
mathematischer Analogien, sich außer stände fühlt, der Forderung nachzukommen, deren<lb/>
Erfüllung allein nach des Verfassers Behauptung den Zugang zur Metaphysik<lb/>
erschließt: man solle das Denken aus der Zeitrichtung hinausdrehen und im Raume<lb/>
betrachten, &#x201E;was einer Drehung des Denkens um einen rechten Winkel gleichkommt."<lb/>
Diese Forderung erhebt er auch wieder in der &#x201E;Fortsetzung des synthetischen Teils"<lb/>
seiner Metaphysik, die er unter dem Titel: Die Lehre vom Leben (Wiesbaden,<lb/>
I. F. Bergmann, 1902) veröffentlicht hat; darum verzichten wir im Bewußtsein<lb/>
unsers Unvermögens darauf, an seiner Hand in das Geheimnis des Lebens ein¬<lb/>
zudringen. Er überschreibt die drei Teile des Werkes: Prolegomena zur Biologie;<lb/>
Nov-Biologie, Zoonomie; Logo-Biologie, Anthroponomie. Beim Durchblättern der<lb/>
letzten Seiten, die von Ethik, namentlich vom Ethiker Friedrich Nietzsche, vou Ge¬<lb/>
sellschaft, Staat und Recht handeln, gewahren wir zu unsrer Freude, daß Bilharz<lb/>
auch die umnathematische und gemeinverständliche Alltagssprache reden kann. Vielleicht<lb/>
kommt einer, der von hinten in das Werk ein- und bis zur ersten Seite vordringt,<lb/>
ganz von selbst mit seinem Denken senkrecht aufs Sein zu stehn und erfüllt so<lb/>
unbewußt die zweite der mathematischen Forderungen des Verfassers. -&#x2014; Die von<lb/>
Kirchmann begründete, in den Besitz der Dürrschen Buchhandlung übergegangne</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1904 8</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0065] Maßgebliches und Unmaßgebliches mort entzog er sich, als die Tat bekannt geworden war, der irdischen Gerechtigkeit. Alle diese Leute sind Menschen, deren Bildungsgrad wegen ihrer sozialen Stellung weit über das Niveau der Mittelmäßigkeit hinausgeht, und doch sind sie Verbrecher! Auch hier könnte man den Grund in der mangelhaften Erziehung suchen, die hauptsächlich im Kindesalter nichts weniger als rationell ist. Es ist unglaublich, wie in den bessern Ständen diese Kinder verwöhnt und ihnen die größten Unarten erlaubt werden. Diese kleinen Haustyrannen kennen nur ihren eignen Willen; der Begriff Gehorsam ist ihnen gänzlich fremd. So haben sie, wenn sie größer werden, keine Ahnung von einem Pflichtgefühl, und daraus entspringen im spätern Leben die ärgsten Konflikte. Auch der Hang zur Grausamkeit gegen Tiere, der italienischen .Kindern angeboren zu sein scheint, wird durch nichts gemildert, und Eltern sehen lächelnd zu, wenn die kleinen Unholde einen Vogel quälen oder einem Schmetterling die Flügel ausreißen. Später kommen dann die großen Tiere an die Reihe. Jeder Fremde wird peinlich berührt, wenn er mit ansehen muß, wie die Italiener Pferde und Esel mißhandeln — allerdings ist das mehr Privilegium der niedern Be¬ völkerung. Vielleicht trägt auch an der krankhaften Richtung, die Leute aus den besten Ständen nur zur sofortigen Befriedigung eines Wunsches Verbrechen ersinnen läßt, die Literatur der Gegenwart mit Schuld. Der erste Schriftsteller des Landes, auf den die Italiener stolz sind, ist gegen¬ wärtig Gabriele D'Annunzio, der sicher in der Literaturgeschichte unsrer Zeit eine große Rolle spielt, der aber sein ungewöhnliches Talent an wenig erfreuliche Motive verschwendet. Er bietet in glänzender vollendeter Form die gewagtesten Probleme, die interessieren und fesseln müssen. Doch durch alle Werke des Dichters weht ein solcher Hauch von ungesunder Sinnlichkeit, von Mystizismus, von krankhaften Ge¬ fühlserscheinungen und von wollüstiger Grausamkeit, daß seine Schriften wohl schwerlich zur Erhebung oder Veredlung seiner Landsleute beitragen werden. Er ist und bleibt der „Poet der Dekadenz." Daß man Bluttateu und sonstige Verbrechen bei jeder Nation findet, ist ja eine feststehende Tatsache, aber die Häufigkeit dieser Vorkommnisse ist für Italien leider charakteristisch M. Vantone Helbig . Bücher philosophischen Inhalts. In der Anzeige der Metaphysik von Dr. Alfons Bilharz haben wir vor fünf Jahren geschrieben: „Ob die vom Ver¬ fasser beliebte mathematische Erläuterung seiner Lehre für die Mehrzahl seiner Leser eine Erläuterung oder eine Verdunkelung bedeuten wird, mag die Erfahrung lehren." Was den Referenten betrifft, so gesteht er offen, daß er, obwohl durchaus kein Feind mathematischer Analogien, sich außer stände fühlt, der Forderung nachzukommen, deren Erfüllung allein nach des Verfassers Behauptung den Zugang zur Metaphysik erschließt: man solle das Denken aus der Zeitrichtung hinausdrehen und im Raume betrachten, „was einer Drehung des Denkens um einen rechten Winkel gleichkommt." Diese Forderung erhebt er auch wieder in der „Fortsetzung des synthetischen Teils" seiner Metaphysik, die er unter dem Titel: Die Lehre vom Leben (Wiesbaden, I. F. Bergmann, 1902) veröffentlicht hat; darum verzichten wir im Bewußtsein unsers Unvermögens darauf, an seiner Hand in das Geheimnis des Lebens ein¬ zudringen. Er überschreibt die drei Teile des Werkes: Prolegomena zur Biologie; Nov-Biologie, Zoonomie; Logo-Biologie, Anthroponomie. Beim Durchblättern der letzten Seiten, die von Ethik, namentlich vom Ethiker Friedrich Nietzsche, vou Ge¬ sellschaft, Staat und Recht handeln, gewahren wir zu unsrer Freude, daß Bilharz auch die umnathematische und gemeinverständliche Alltagssprache reden kann. Vielleicht kommt einer, der von hinten in das Werk ein- und bis zur ersten Seite vordringt, ganz von selbst mit seinem Denken senkrecht aufs Sein zu stehn und erfüllt so unbewußt die zweite der mathematischen Forderungen des Verfassers. -— Die von Kirchmann begründete, in den Besitz der Dürrschen Buchhandlung übergegangne Grenzboten II 1904 8

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/65
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/65>, abgerufen am 03.05.2024.