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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Ödland und Landeskultur im Herzogtum Oldenburg
V. Gramberg von (Schluß)

on Gottes strafender Hand sind sie aufgebaut, ein Fluch für die Ein¬
wohner des Landes -- so hat, wie Professor Fleischer, der Gründer
der Bremer Moorversuchsstation erzählt,*) der alte Prediger Johann
Piccardt von Coevorden vor zweihundert Jahren die Moore ge¬
schildert. Nicht von Menschenhänden gemacht, "naar doer de
strafende heute Gotts verordineert too een plagh voor die menschen, die in
vnden tyden hier te lande gewoont hebben." -- "Gewaltige Flüchen, fährt
Fleischer fort (a. a. O.), kahl und unwirklich, nur hier und da mit spärlicher
Heide bewachsen, im übrigen einem ungeheuern Schwamm vergleichbar, in den
des Wandrers Fuß tief hineinsinkt, so scheinen die Hochmoore in ihrem ur¬
sprünglichen Zustande in der Tat jenen Ausspruch zu rechtfertigen. Und doch
erblicken wir heute in ihnen ein wertvolles Mittel, um zahlreichen, wenig
bemittelten, aber arbeitswilligen und arbeitstüchtigen Menschen zu einem eignen
Heim zu verhelfen."

Im Königreich Preußen hat man die Moorbodenfläche auf etwa 400 Quadrat¬
meilen berechnet. Obenan unter seinen Provinzen steht Hannover mit reichlich
100 Quadratmeilen, etwa 14^ Prozent seiner Gesamtflüche. Für das Herzog¬
tum nehmen wir etwa 100000 bis 120000 Hektar Moorland, etwa ein Fünftel
seines Gesamtflächeninhalts, davon etwa 75000 bis 90000 Hektar Hochmoor und
etwa 25000 bis 30000 Hektar meist in Privatbesitz übergegangnes Niederungs¬
moor an, dieses meist kultiviert, von jenem noch etwa 70000 bis 80000 Hektar
unkultiviert, davon 20000 Hektar im Besitz des Staats.

Der Unterschied zwischen Hochmoor und Niederungsmoor ist nach Fleischer
folgender: "Bedürfnislose Pflanzen, die sonst auf wenig fruchtbaren Boden, un¬
beeinflußt vom Grundwasser und nur getränkt vom Himmelswnsser, noch mit
einiger Üppigkeit zu gedeihen vermögen, wie Heidekräuter, Torfmoose, gewisse
Scheingrüser, darunter das Wollgras, und andre lieferten, nach ihrem Absterben
bei dem allmählichen Zerfall ihrer Gewebe immer von neuem und von Schicht
zu Schicht die Unterlage und den dürftigen Nährboden nur für ihresgleichen
bietend, eine Moorgattung, die man nach ihrer Herkunft und nach ihrer natür¬
lichen Pflanzendecke als "Heidemoosmoore", nach ihrer Höhenlage als "Hoch¬
moore" zu bezeichnen pflegt. Wo dagegen unter gewissen der Moorbildung
günstigen Verhältnissen ein reicherer Boden und der Zufluß fruchtbaren Wassers
das Wachstum anspruchsvollerer Gewächse beförderte, da entstanden andersartige



Vergleiche Mitteilungen für Moorkultur, 1838, Ur. 6.
Grenzboten III 190427


Ödland und Landeskultur im Herzogtum Oldenburg
V. Gramberg von (Schluß)

on Gottes strafender Hand sind sie aufgebaut, ein Fluch für die Ein¬
wohner des Landes — so hat, wie Professor Fleischer, der Gründer
der Bremer Moorversuchsstation erzählt,*) der alte Prediger Johann
Piccardt von Coevorden vor zweihundert Jahren die Moore ge¬
schildert. Nicht von Menschenhänden gemacht, „naar doer de
strafende heute Gotts verordineert too een plagh voor die menschen, die in
vnden tyden hier te lande gewoont hebben." — „Gewaltige Flüchen, fährt
Fleischer fort (a. a. O.), kahl und unwirklich, nur hier und da mit spärlicher
Heide bewachsen, im übrigen einem ungeheuern Schwamm vergleichbar, in den
des Wandrers Fuß tief hineinsinkt, so scheinen die Hochmoore in ihrem ur¬
sprünglichen Zustande in der Tat jenen Ausspruch zu rechtfertigen. Und doch
erblicken wir heute in ihnen ein wertvolles Mittel, um zahlreichen, wenig
bemittelten, aber arbeitswilligen und arbeitstüchtigen Menschen zu einem eignen
Heim zu verhelfen."

Im Königreich Preußen hat man die Moorbodenfläche auf etwa 400 Quadrat¬
meilen berechnet. Obenan unter seinen Provinzen steht Hannover mit reichlich
100 Quadratmeilen, etwa 14^ Prozent seiner Gesamtflüche. Für das Herzog¬
tum nehmen wir etwa 100000 bis 120000 Hektar Moorland, etwa ein Fünftel
seines Gesamtflächeninhalts, davon etwa 75000 bis 90000 Hektar Hochmoor und
etwa 25000 bis 30000 Hektar meist in Privatbesitz übergegangnes Niederungs¬
moor an, dieses meist kultiviert, von jenem noch etwa 70000 bis 80000 Hektar
unkultiviert, davon 20000 Hektar im Besitz des Staats.

Der Unterschied zwischen Hochmoor und Niederungsmoor ist nach Fleischer
folgender: „Bedürfnislose Pflanzen, die sonst auf wenig fruchtbaren Boden, un¬
beeinflußt vom Grundwasser und nur getränkt vom Himmelswnsser, noch mit
einiger Üppigkeit zu gedeihen vermögen, wie Heidekräuter, Torfmoose, gewisse
Scheingrüser, darunter das Wollgras, und andre lieferten, nach ihrem Absterben
bei dem allmählichen Zerfall ihrer Gewebe immer von neuem und von Schicht
zu Schicht die Unterlage und den dürftigen Nährboden nur für ihresgleichen
bietend, eine Moorgattung, die man nach ihrer Herkunft und nach ihrer natür¬
lichen Pflanzendecke als »Heidemoosmoore«, nach ihrer Höhenlage als »Hoch¬
moore« zu bezeichnen pflegt. Wo dagegen unter gewissen der Moorbildung
günstigen Verhältnissen ein reicherer Boden und der Zufluß fruchtbaren Wassers
das Wachstum anspruchsvollerer Gewächse beförderte, da entstanden andersartige



Vergleiche Mitteilungen für Moorkultur, 1838, Ur. 6.
Grenzboten III 190427
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[0203] [Abbildung] Ödland und Landeskultur im Herzogtum Oldenburg V. Gramberg von (Schluß) on Gottes strafender Hand sind sie aufgebaut, ein Fluch für die Ein¬ wohner des Landes — so hat, wie Professor Fleischer, der Gründer der Bremer Moorversuchsstation erzählt,*) der alte Prediger Johann Piccardt von Coevorden vor zweihundert Jahren die Moore ge¬ schildert. Nicht von Menschenhänden gemacht, „naar doer de strafende heute Gotts verordineert too een plagh voor die menschen, die in vnden tyden hier te lande gewoont hebben." — „Gewaltige Flüchen, fährt Fleischer fort (a. a. O.), kahl und unwirklich, nur hier und da mit spärlicher Heide bewachsen, im übrigen einem ungeheuern Schwamm vergleichbar, in den des Wandrers Fuß tief hineinsinkt, so scheinen die Hochmoore in ihrem ur¬ sprünglichen Zustande in der Tat jenen Ausspruch zu rechtfertigen. Und doch erblicken wir heute in ihnen ein wertvolles Mittel, um zahlreichen, wenig bemittelten, aber arbeitswilligen und arbeitstüchtigen Menschen zu einem eignen Heim zu verhelfen." Im Königreich Preußen hat man die Moorbodenfläche auf etwa 400 Quadrat¬ meilen berechnet. Obenan unter seinen Provinzen steht Hannover mit reichlich 100 Quadratmeilen, etwa 14^ Prozent seiner Gesamtflüche. Für das Herzog¬ tum nehmen wir etwa 100000 bis 120000 Hektar Moorland, etwa ein Fünftel seines Gesamtflächeninhalts, davon etwa 75000 bis 90000 Hektar Hochmoor und etwa 25000 bis 30000 Hektar meist in Privatbesitz übergegangnes Niederungs¬ moor an, dieses meist kultiviert, von jenem noch etwa 70000 bis 80000 Hektar unkultiviert, davon 20000 Hektar im Besitz des Staats. Der Unterschied zwischen Hochmoor und Niederungsmoor ist nach Fleischer folgender: „Bedürfnislose Pflanzen, die sonst auf wenig fruchtbaren Boden, un¬ beeinflußt vom Grundwasser und nur getränkt vom Himmelswnsser, noch mit einiger Üppigkeit zu gedeihen vermögen, wie Heidekräuter, Torfmoose, gewisse Scheingrüser, darunter das Wollgras, und andre lieferten, nach ihrem Absterben bei dem allmählichen Zerfall ihrer Gewebe immer von neuem und von Schicht zu Schicht die Unterlage und den dürftigen Nährboden nur für ihresgleichen bietend, eine Moorgattung, die man nach ihrer Herkunft und nach ihrer natür¬ lichen Pflanzendecke als »Heidemoosmoore«, nach ihrer Höhenlage als »Hoch¬ moore« zu bezeichnen pflegt. Wo dagegen unter gewissen der Moorbildung günstigen Verhältnissen ein reicherer Boden und der Zufluß fruchtbaren Wassers das Wachstum anspruchsvollerer Gewächse beförderte, da entstanden andersartige Vergleiche Mitteilungen für Moorkultur, 1838, Ur. 6. Grenzboten III 190427

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/203>, abgerufen am 28.04.2024.