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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Säen in die Erde hinein und wieder das frohe Ernten nach der Reife, die so
sicher kommt, bewegten seine Gedanken und Gefühle und kehren in seiner Bilder¬
sprache immer wieder. Der Mensch sorge nicht, er säet, "und laßt die Sorg fallen,"
Gott sorget für alle die Dinge, die den Menschen belustigen, ihn ernähren, ihm
Krankheiten austreiben, "die Natur schickts ihm, machts ihm, schnitzelts ihm, ziert
es mit Farben." Zugleich aber wußte Paracelsus denselben Gott, der der Welt
Urgrund ist, in sich selbst, erlebte ihn glühend gläubig und sah in der äußern
Welt die Offenbarung desselben Gottes und in beiden eine Vorbereitung zum Reiche
Gottes, das ebenso im geheimen heranreifen mag wie die Frucht, die in der
Erde keimt.

Ein solcher Geist gehörte keiner Religionspartei an. Des Paracelsus Stellung
zur Reformation spiegelt sein Wort: Die falschen Propheten wollen den Papst ver¬
treiben und lassen sich wohl an wie ein warmer Wind, aber so sie abziehen, hinter¬
lassen sie einen neuen Schnee samt dem alten. Jetzt ist das letzte böser denn das
erste, das ist nun alles ein Winter. Paracelsus hat sich den Römlingen wie den
Lutheranern und den Zwinglmnern gegenüber ablehnend gehalten. Die Wahrheit
fand er bei keinem: Welcher Wider euch kommt und sagt die Wahrheit, der muß
sterben. Seine reinmenschliche Frömmigkeit kehrte sich von den Religionsparteien
seiner Zeit ab, und das war eben sein Schicksal, daß er in Gegensätze hineingeboren
war, zu deren keinem er sich bekennen konnte. Daran ist zwar nicht die Freiheit
seines Geistes, aber sein Handeln und Wirken gescheitert. Auch diese seine Stellung
zu den religiösen Problemen macht aus Paracelsus einen Mann, mit dem wir um¬
gehen mögen wie mit einem Manne von heute und gestern, und von dem wir so
manches lernen könnten für das, was wir heute oder morgen tun oder lassen.






Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig


Oclol-Oele! Ich will ein Lieä xu äeinem preise singen,
tira tönenä so" es in ale Acide Klingen.
0äol! Dem entier Sänger irischen Multa verleihst an,
In LIan2 unä Feinheit 6si>n unä gönnen weisse an
Oäol! Huch Lipp' unä Aunge spüren äeinen Segen,
von äeinem Nah gestärkt 2U lreier'in Hegen,
0av>! Dem Mem gibst an Keuschen Dult aer Mume...
Aas so" ich sagen noch 2" äeinem lMme,
Oäol! 0 magst cku jeäem Menschenmunä sul Kram
Kilt gue" aer Irische unä "esunäbeit weräen.
OäoU



Maßgebliches und Unmaßgebliches

Säen in die Erde hinein und wieder das frohe Ernten nach der Reife, die so
sicher kommt, bewegten seine Gedanken und Gefühle und kehren in seiner Bilder¬
sprache immer wieder. Der Mensch sorge nicht, er säet, „und laßt die Sorg fallen,"
Gott sorget für alle die Dinge, die den Menschen belustigen, ihn ernähren, ihm
Krankheiten austreiben, „die Natur schickts ihm, machts ihm, schnitzelts ihm, ziert
es mit Farben." Zugleich aber wußte Paracelsus denselben Gott, der der Welt
Urgrund ist, in sich selbst, erlebte ihn glühend gläubig und sah in der äußern
Welt die Offenbarung desselben Gottes und in beiden eine Vorbereitung zum Reiche
Gottes, das ebenso im geheimen heranreifen mag wie die Frucht, die in der
Erde keimt.

Ein solcher Geist gehörte keiner Religionspartei an. Des Paracelsus Stellung
zur Reformation spiegelt sein Wort: Die falschen Propheten wollen den Papst ver¬
treiben und lassen sich wohl an wie ein warmer Wind, aber so sie abziehen, hinter¬
lassen sie einen neuen Schnee samt dem alten. Jetzt ist das letzte böser denn das
erste, das ist nun alles ein Winter. Paracelsus hat sich den Römlingen wie den
Lutheranern und den Zwinglmnern gegenüber ablehnend gehalten. Die Wahrheit
fand er bei keinem: Welcher Wider euch kommt und sagt die Wahrheit, der muß
sterben. Seine reinmenschliche Frömmigkeit kehrte sich von den Religionsparteien
seiner Zeit ab, und das war eben sein Schicksal, daß er in Gegensätze hineingeboren
war, zu deren keinem er sich bekennen konnte. Daran ist zwar nicht die Freiheit
seines Geistes, aber sein Handeln und Wirken gescheitert. Auch diese seine Stellung
zu den religiösen Problemen macht aus Paracelsus einen Mann, mit dem wir um¬
gehen mögen wie mit einem Manne von heute und gestern, und von dem wir so
manches lernen könnten für das, was wir heute oder morgen tun oder lassen.






Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig


Oclol-Oele! Ich will ein Lieä xu äeinem preise singen,
tira tönenä so» es in ale Acide Klingen.
0äol! Dem entier Sänger irischen Multa verleihst an,
In LIan2 unä Feinheit 6si>n unä gönnen weisse an
Oäol! Huch Lipp' unä Aunge spüren äeinen Segen,
von äeinem Nah gestärkt 2U lreier'in Hegen,
0av>! Dem Mem gibst an Keuschen Dult aer Mume...
Aas so» ich sagen noch 2» äeinem lMme,
Oäol! 0 magst cku jeäem Menschenmunä sul Kram
Kilt gue» aer Irische unä «esunäbeit weräen.
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[0248] Maßgebliches und Unmaßgebliches Säen in die Erde hinein und wieder das frohe Ernten nach der Reife, die so sicher kommt, bewegten seine Gedanken und Gefühle und kehren in seiner Bilder¬ sprache immer wieder. Der Mensch sorge nicht, er säet, „und laßt die Sorg fallen," Gott sorget für alle die Dinge, die den Menschen belustigen, ihn ernähren, ihm Krankheiten austreiben, „die Natur schickts ihm, machts ihm, schnitzelts ihm, ziert es mit Farben." Zugleich aber wußte Paracelsus denselben Gott, der der Welt Urgrund ist, in sich selbst, erlebte ihn glühend gläubig und sah in der äußern Welt die Offenbarung desselben Gottes und in beiden eine Vorbereitung zum Reiche Gottes, das ebenso im geheimen heranreifen mag wie die Frucht, die in der Erde keimt. Ein solcher Geist gehörte keiner Religionspartei an. Des Paracelsus Stellung zur Reformation spiegelt sein Wort: Die falschen Propheten wollen den Papst ver¬ treiben und lassen sich wohl an wie ein warmer Wind, aber so sie abziehen, hinter¬ lassen sie einen neuen Schnee samt dem alten. Jetzt ist das letzte böser denn das erste, das ist nun alles ein Winter. Paracelsus hat sich den Römlingen wie den Lutheranern und den Zwinglmnern gegenüber ablehnend gehalten. Die Wahrheit fand er bei keinem: Welcher Wider euch kommt und sagt die Wahrheit, der muß sterben. Seine reinmenschliche Frömmigkeit kehrte sich von den Religionsparteien seiner Zeit ab, und das war eben sein Schicksal, daß er in Gegensätze hineingeboren war, zu deren keinem er sich bekennen konnte. Daran ist zwar nicht die Freiheit seines Geistes, aber sein Handeln und Wirken gescheitert. Auch diese seine Stellung zu den religiösen Problemen macht aus Paracelsus einen Mann, mit dem wir um¬ gehen mögen wie mit einem Manne von heute und gestern, und von dem wir so manches lernen könnten für das, was wir heute oder morgen tun oder lassen. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig [Abbildung] Oclol-Oele! Ich will ein Lieä xu äeinem preise singen, tira tönenä so» es in ale Acide Klingen. 0äol! Dem entier Sänger irischen Multa verleihst an, In LIan2 unä Feinheit 6si>n unä gönnen weisse an Oäol! Huch Lipp' unä Aunge spüren äeinen Segen, von äeinem Nah gestärkt 2U lreier'in Hegen, 0av>! Dem Mem gibst an Keuschen Dult aer Mume... Aas so» ich sagen noch 2» äeinem lMme, Oäol! 0 magst cku jeäem Menschenmunä sul Kram Kilt gue» aer Irische unä «esunäbeit weräen. OäoU

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/248>, abgerufen am 27.04.2024.