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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Die Sage vom Strandsegen und das Strandrecht an der deutschen Rüste

Überzeugung von der nie wankenden Zukunft Englands, und wir wissen aus
der Geschichte, daß eine solche Überzeugungfreudigkeit zu großen Dingen be¬
fähigt und ganze Völker zum Siege oder Untergang reißen kann. Welches
von beiden in unserm Falle eintritt, kann nur die Geschichte der nächsten
zwanzig Jahre entscheiden.




Die Hage vom Htrandsegen und das Htrandrecht
an der deutschen Küste
Ludwig Uemmer von in München
(Fortsetzung)

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^^1^5!s gelang den preußischen Fürsten, ihren Strand fast ganz von
dem Makel des Strandrechts zu reinigen. Die Bedeutung ihrer
Tätigkeit ist jedoch größer. Sie milderten und beseitigten durch
Verträge die Handhabung des barbarischen Brauches auch an
!der Küste benachbarter Staaten. Allerdings sahen sie sich im
Kampfe mit dem Strandrechte bisweilen gezwungen, die nicht von allen Nach¬
barn durch Entgegenkommen belohnte Humanität ihrer Strandgesetze einzu¬
schränken und das Strandrecht anzuwenden, um rückständige Staaten durch die
Retorsion zur Aufgabe ihrer Strandrechtsbräuche zu veranlassen. Die Durch¬
führung der trefflichen Strcmdgesetzc wurde besonders an der Küste der Provinz
Preußen dadurch gesichert und gefördert, daß der Strand des Bernsteinregals
wegen besonders sorgfältig überwacht wurde, und nach der Bernsteinordnung
vom Jahre 1693 nicht nur die Strandreiter und die Strandbauern, sondern
auch deren Kinder einen Eid leisten mußten, der sie zur Meldung aller am
Strande gefundnen Güter verpflichtete. Was sich der Seemann dieser Zeiten
an Strandsicherheit und Hilfe in Strandungsnot wünschte, erhielt er an der
altpreußischen Küste.

Daß trotz der Strenge, mit der die preußische" Fürsten über ihrem
Strande wachten, vereinzelte Fälle von Stranddiebstahl und Strandraub vor¬
kamen, kann man natürlich nicht bestreiten. Und dafür, daß einzelne Orte
an der pommerschen und preußischen Küste vor andern des Strandraubes
bezichtigt wurden, sorgte schon die Mißgunst, die so häufig aus kleinen
Zwistigkeiten zwischen Nachbarorten entsteht und die Sagenbildung beeinflußt.
In diesem Falle brauchte ja nur in das Sagenformnlar von den Strand¬
bewohnern, die ein Nachbar durch den Ruf "Schep upn Strand!" zur Er¬
leichterung des himmlischen Pförtners aus dem Himmel lockt, der Name eines
mißliebigen Nachbarortes eingesetzt zu werden, und die Sage blieb an diesem
Orte haften.

Eines aber dürfte sich aus dem Überblick über die alten preußischen
Strandgesetze ergeben: Wo eine das Strandrecht ausschließende Strandungs¬
ordnung immer und immer wieder den Strandbewohnern eingeschärft, häufig


Die Sage vom Strandsegen und das Strandrecht an der deutschen Rüste

Überzeugung von der nie wankenden Zukunft Englands, und wir wissen aus
der Geschichte, daß eine solche Überzeugungfreudigkeit zu großen Dingen be¬
fähigt und ganze Völker zum Siege oder Untergang reißen kann. Welches
von beiden in unserm Falle eintritt, kann nur die Geschichte der nächsten
zwanzig Jahre entscheiden.




Die Hage vom Htrandsegen und das Htrandrecht
an der deutschen Küste
Ludwig Uemmer von in München
(Fortsetzung)

KMtz^
. /A?-
^^1^5!s gelang den preußischen Fürsten, ihren Strand fast ganz von
dem Makel des Strandrechts zu reinigen. Die Bedeutung ihrer
Tätigkeit ist jedoch größer. Sie milderten und beseitigten durch
Verträge die Handhabung des barbarischen Brauches auch an
!der Küste benachbarter Staaten. Allerdings sahen sie sich im
Kampfe mit dem Strandrechte bisweilen gezwungen, die nicht von allen Nach¬
barn durch Entgegenkommen belohnte Humanität ihrer Strandgesetze einzu¬
schränken und das Strandrecht anzuwenden, um rückständige Staaten durch die
Retorsion zur Aufgabe ihrer Strandrechtsbräuche zu veranlassen. Die Durch¬
führung der trefflichen Strcmdgesetzc wurde besonders an der Küste der Provinz
Preußen dadurch gesichert und gefördert, daß der Strand des Bernsteinregals
wegen besonders sorgfältig überwacht wurde, und nach der Bernsteinordnung
vom Jahre 1693 nicht nur die Strandreiter und die Strandbauern, sondern
auch deren Kinder einen Eid leisten mußten, der sie zur Meldung aller am
Strande gefundnen Güter verpflichtete. Was sich der Seemann dieser Zeiten
an Strandsicherheit und Hilfe in Strandungsnot wünschte, erhielt er an der
altpreußischen Küste.

Daß trotz der Strenge, mit der die preußische« Fürsten über ihrem
Strande wachten, vereinzelte Fälle von Stranddiebstahl und Strandraub vor¬
kamen, kann man natürlich nicht bestreiten. Und dafür, daß einzelne Orte
an der pommerschen und preußischen Küste vor andern des Strandraubes
bezichtigt wurden, sorgte schon die Mißgunst, die so häufig aus kleinen
Zwistigkeiten zwischen Nachbarorten entsteht und die Sagenbildung beeinflußt.
In diesem Falle brauchte ja nur in das Sagenformnlar von den Strand¬
bewohnern, die ein Nachbar durch den Ruf „Schep upn Strand!" zur Er¬
leichterung des himmlischen Pförtners aus dem Himmel lockt, der Name eines
mißliebigen Nachbarortes eingesetzt zu werden, und die Sage blieb an diesem
Orte haften.

Eines aber dürfte sich aus dem Überblick über die alten preußischen
Strandgesetze ergeben: Wo eine das Strandrecht ausschließende Strandungs¬
ordnung immer und immer wieder den Strandbewohnern eingeschärft, häufig


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[0388] Die Sage vom Strandsegen und das Strandrecht an der deutschen Rüste Überzeugung von der nie wankenden Zukunft Englands, und wir wissen aus der Geschichte, daß eine solche Überzeugungfreudigkeit zu großen Dingen be¬ fähigt und ganze Völker zum Siege oder Untergang reißen kann. Welches von beiden in unserm Falle eintritt, kann nur die Geschichte der nächsten zwanzig Jahre entscheiden. Die Hage vom Htrandsegen und das Htrandrecht an der deutschen Küste Ludwig Uemmer von in München (Fortsetzung) KMtz^ . /A?- ^^1^5!s gelang den preußischen Fürsten, ihren Strand fast ganz von dem Makel des Strandrechts zu reinigen. Die Bedeutung ihrer Tätigkeit ist jedoch größer. Sie milderten und beseitigten durch Verträge die Handhabung des barbarischen Brauches auch an !der Küste benachbarter Staaten. Allerdings sahen sie sich im Kampfe mit dem Strandrechte bisweilen gezwungen, die nicht von allen Nach¬ barn durch Entgegenkommen belohnte Humanität ihrer Strandgesetze einzu¬ schränken und das Strandrecht anzuwenden, um rückständige Staaten durch die Retorsion zur Aufgabe ihrer Strandrechtsbräuche zu veranlassen. Die Durch¬ führung der trefflichen Strcmdgesetzc wurde besonders an der Küste der Provinz Preußen dadurch gesichert und gefördert, daß der Strand des Bernsteinregals wegen besonders sorgfältig überwacht wurde, und nach der Bernsteinordnung vom Jahre 1693 nicht nur die Strandreiter und die Strandbauern, sondern auch deren Kinder einen Eid leisten mußten, der sie zur Meldung aller am Strande gefundnen Güter verpflichtete. Was sich der Seemann dieser Zeiten an Strandsicherheit und Hilfe in Strandungsnot wünschte, erhielt er an der altpreußischen Küste. Daß trotz der Strenge, mit der die preußische« Fürsten über ihrem Strande wachten, vereinzelte Fälle von Stranddiebstahl und Strandraub vor¬ kamen, kann man natürlich nicht bestreiten. Und dafür, daß einzelne Orte an der pommerschen und preußischen Küste vor andern des Strandraubes bezichtigt wurden, sorgte schon die Mißgunst, die so häufig aus kleinen Zwistigkeiten zwischen Nachbarorten entsteht und die Sagenbildung beeinflußt. In diesem Falle brauchte ja nur in das Sagenformnlar von den Strand¬ bewohnern, die ein Nachbar durch den Ruf „Schep upn Strand!" zur Er¬ leichterung des himmlischen Pförtners aus dem Himmel lockt, der Name eines mißliebigen Nachbarortes eingesetzt zu werden, und die Sage blieb an diesem Orte haften. Eines aber dürfte sich aus dem Überblick über die alten preußischen Strandgesetze ergeben: Wo eine das Strandrecht ausschließende Strandungs¬ ordnung immer und immer wieder den Strandbewohnern eingeschärft, häufig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/388>, abgerufen am 27.04.2024.