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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

zwanzig Jahren dem Reiche, seinen Aufgaben und Interessen ein Fremder. Seine
braunschweigischen Vorfahren haben von Friedrich dem Großen bis in die Be¬
freiungskriege ehrenvoll dem preußischen Heer angehört, zwei von ihnen sind für
Deutschland gefallen, der Name des tapfern Führers der schwarzen Schar, der bei
Quatrebras in den Tod sank, ist noch heute in Deutschland hoch gefeiert. Der
ruhmvollen Tradition zu Ehren ließ Kaiser Wilhelm der Erste den braunschweigischen
Husaren ihre schwarze Uniform. Von diesem Heldenerbe der Vorfahren ist auf
das Haus Cumberland nichts übergegangen. Dem Reich entfremdet, hat es sich,
dem Grafen Chambord mit seiner weißen Fahne gleich, auf ein passives Prtiten-
dententum zurückgezogen und sich die gelegentlichen Huldigungen der welfischen An¬
hänger in Hannover und Braunschweig gern gefallen lassen. Damit aber gewinnt mau
im heutigen Deutschland keine Krone. Die deutschen Fürsten müssen in ihren Ge¬
sinnungen die vornehmsten Repräsentanten des nationalen Gedankens sein, Prinz-
Regent Luitpold von Bayern, König Albert von Sachsen, Großherzog Friedrich sind
darin leuchtende Vorbilder. Wenn die Söhne des Herzogs von Cumberland hätten
in Braunschweig succedieren sollen, so hätte ihre Erziehung von Anfang an darauf
gerichtet werden müssen; im Gmündner Asyl erwächst die Legitimation für ein
deutsches Thronrecht nicht. Mit den welfischen Blättern, die auf dem Standpunkt
stehn, daß zwischen "Hannover" und Preußen überhaupt noch ein "Friede" zu
schließen sei -- "die Friedenshand ist von Seite Hannovers (!) ausgestreckt, Sache
Preußens ist es nun, sie zu ergreifen," schreibt die Deutsche Volkszeitung vom
17. August --, ist überhaupt nicht zu diskutieren. Preußen hat keinen "Frieden"
mit "Hannover" zu suchen, schon dieser Gedanke streift an Reichs- und Landes¬
verrat, sondern das Haus Cumberland hat, wenn anders es in irgend einer
Generation in Braunschweig regieren will, sich mit diesem Anspruch vor dem
nationalen Gewissen des Deutschen Reichs zu legitimieren, sofern dies heute über¬
haupt noch möglich ist. Über "Hannover" sind die Akten geschlossen, auch hat der
Herzog von Cumberland, der den Welfenfonds aus preußischer Hand entgegennahm,
^ damit den Hietzinger Protest längst durchlöchert.




Denifle noch einmal.

Im Vorwort zur zweiten Auflage seines Lutherwerks
schreibt der fanatische Mönch: "Weil ich nicht etwa eine Brandschrift ins Volk hinein¬
werfen, sondern in schlichter, unverblümter Ehrlichkeit ein Buch für die Gelehrten
schreiben wollte, setzte ich voraus, daß es wohl eine geraume Zeit dauern werde,
bis die Auflage vergriffen sein würde. Es sollte anders kommen. Dank dem Interesse,
das Katholiken wie Protestanten in gleichem Eifer meiner Forschung und ihrem
Gegenstand entgegengebracht haben, war der erste Band schon nach Monatsfrist
nicht mehr vorrätig." Sollte der grundehrliche Deutsche, als den sich Denifle so
gern gibt, hier nicht ein wenig Schauspielern? Dickleibigkeit und Gelehrsamkeit sind
kein Hindernis für den Absatz eines Buches, wenn das Publikum erfährt, daß viel
Pikantes und Saftiges drin vorkommt, und das mußte es in diesem Falle rasch
erfahren, denn die protestantische Gelehrtenwelt konnte nicht anders als mit einem
Schrei der Entrüstung auf diese unverschämte Herausfordrung antworten. Der buch¬
händlerische Erfolg war also vorauszusehen. Der Pater seinerseits entrüstet sich
darüber, daß sein Buch nicht allein von allen Protestanten, sondern auch von vielen
Katholiken, wie vom Professor Spahn, sehr ungünstig beurteilt wird. Er wirft
diesen Katholiken Konzessionsgelüste vor. Sie behandelten den Protestantismus
und den Katholizismus als zwei gleichberechtigte, einander ergänzende Seiten des
einen Christentums, nähmen es ihm übel, daß er den Protestantismus eine Häresie
und Luther einen Häresiarchen nenne. Hoffentlich sagt ihm der Vater des Professor
Spahn, der ja sowohl als Zentrumsführer wie als Mitglied des Reichsgerichts
eine sehr einflußreiche Stellung einnimmt, und sagen ihm andre Zentrumsführer
privatim, was sie vorläufig freilich noch nicht öffentlich sagen dürfen, daß er mit
seinem unsinnigen Wüten einen neuen Kulturkampf heraufbeschwört. Dogmatisch


Maßgebliches und Unmaßgebliches

zwanzig Jahren dem Reiche, seinen Aufgaben und Interessen ein Fremder. Seine
braunschweigischen Vorfahren haben von Friedrich dem Großen bis in die Be¬
freiungskriege ehrenvoll dem preußischen Heer angehört, zwei von ihnen sind für
Deutschland gefallen, der Name des tapfern Führers der schwarzen Schar, der bei
Quatrebras in den Tod sank, ist noch heute in Deutschland hoch gefeiert. Der
ruhmvollen Tradition zu Ehren ließ Kaiser Wilhelm der Erste den braunschweigischen
Husaren ihre schwarze Uniform. Von diesem Heldenerbe der Vorfahren ist auf
das Haus Cumberland nichts übergegangen. Dem Reich entfremdet, hat es sich,
dem Grafen Chambord mit seiner weißen Fahne gleich, auf ein passives Prtiten-
dententum zurückgezogen und sich die gelegentlichen Huldigungen der welfischen An¬
hänger in Hannover und Braunschweig gern gefallen lassen. Damit aber gewinnt mau
im heutigen Deutschland keine Krone. Die deutschen Fürsten müssen in ihren Ge¬
sinnungen die vornehmsten Repräsentanten des nationalen Gedankens sein, Prinz-
Regent Luitpold von Bayern, König Albert von Sachsen, Großherzog Friedrich sind
darin leuchtende Vorbilder. Wenn die Söhne des Herzogs von Cumberland hätten
in Braunschweig succedieren sollen, so hätte ihre Erziehung von Anfang an darauf
gerichtet werden müssen; im Gmündner Asyl erwächst die Legitimation für ein
deutsches Thronrecht nicht. Mit den welfischen Blättern, die auf dem Standpunkt
stehn, daß zwischen „Hannover" und Preußen überhaupt noch ein „Friede" zu
schließen sei — „die Friedenshand ist von Seite Hannovers (!) ausgestreckt, Sache
Preußens ist es nun, sie zu ergreifen," schreibt die Deutsche Volkszeitung vom
17. August —, ist überhaupt nicht zu diskutieren. Preußen hat keinen „Frieden"
mit „Hannover" zu suchen, schon dieser Gedanke streift an Reichs- und Landes¬
verrat, sondern das Haus Cumberland hat, wenn anders es in irgend einer
Generation in Braunschweig regieren will, sich mit diesem Anspruch vor dem
nationalen Gewissen des Deutschen Reichs zu legitimieren, sofern dies heute über¬
haupt noch möglich ist. Über „Hannover" sind die Akten geschlossen, auch hat der
Herzog von Cumberland, der den Welfenfonds aus preußischer Hand entgegennahm,
^ damit den Hietzinger Protest längst durchlöchert.




Denifle noch einmal.

Im Vorwort zur zweiten Auflage seines Lutherwerks
schreibt der fanatische Mönch: „Weil ich nicht etwa eine Brandschrift ins Volk hinein¬
werfen, sondern in schlichter, unverblümter Ehrlichkeit ein Buch für die Gelehrten
schreiben wollte, setzte ich voraus, daß es wohl eine geraume Zeit dauern werde,
bis die Auflage vergriffen sein würde. Es sollte anders kommen. Dank dem Interesse,
das Katholiken wie Protestanten in gleichem Eifer meiner Forschung und ihrem
Gegenstand entgegengebracht haben, war der erste Band schon nach Monatsfrist
nicht mehr vorrätig." Sollte der grundehrliche Deutsche, als den sich Denifle so
gern gibt, hier nicht ein wenig Schauspielern? Dickleibigkeit und Gelehrsamkeit sind
kein Hindernis für den Absatz eines Buches, wenn das Publikum erfährt, daß viel
Pikantes und Saftiges drin vorkommt, und das mußte es in diesem Falle rasch
erfahren, denn die protestantische Gelehrtenwelt konnte nicht anders als mit einem
Schrei der Entrüstung auf diese unverschämte Herausfordrung antworten. Der buch¬
händlerische Erfolg war also vorauszusehen. Der Pater seinerseits entrüstet sich
darüber, daß sein Buch nicht allein von allen Protestanten, sondern auch von vielen
Katholiken, wie vom Professor Spahn, sehr ungünstig beurteilt wird. Er wirft
diesen Katholiken Konzessionsgelüste vor. Sie behandelten den Protestantismus
und den Katholizismus als zwei gleichberechtigte, einander ergänzende Seiten des
einen Christentums, nähmen es ihm übel, daß er den Protestantismus eine Häresie
und Luther einen Häresiarchen nenne. Hoffentlich sagt ihm der Vater des Professor
Spahn, der ja sowohl als Zentrumsführer wie als Mitglied des Reichsgerichts
eine sehr einflußreiche Stellung einnimmt, und sagen ihm andre Zentrumsführer
privatim, was sie vorläufig freilich noch nicht öffentlich sagen dürfen, daß er mit
seinem unsinnigen Wüten einen neuen Kulturkampf heraufbeschwört. Dogmatisch


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[0488] Maßgebliches und Unmaßgebliches zwanzig Jahren dem Reiche, seinen Aufgaben und Interessen ein Fremder. Seine braunschweigischen Vorfahren haben von Friedrich dem Großen bis in die Be¬ freiungskriege ehrenvoll dem preußischen Heer angehört, zwei von ihnen sind für Deutschland gefallen, der Name des tapfern Führers der schwarzen Schar, der bei Quatrebras in den Tod sank, ist noch heute in Deutschland hoch gefeiert. Der ruhmvollen Tradition zu Ehren ließ Kaiser Wilhelm der Erste den braunschweigischen Husaren ihre schwarze Uniform. Von diesem Heldenerbe der Vorfahren ist auf das Haus Cumberland nichts übergegangen. Dem Reich entfremdet, hat es sich, dem Grafen Chambord mit seiner weißen Fahne gleich, auf ein passives Prtiten- dententum zurückgezogen und sich die gelegentlichen Huldigungen der welfischen An¬ hänger in Hannover und Braunschweig gern gefallen lassen. Damit aber gewinnt mau im heutigen Deutschland keine Krone. Die deutschen Fürsten müssen in ihren Ge¬ sinnungen die vornehmsten Repräsentanten des nationalen Gedankens sein, Prinz- Regent Luitpold von Bayern, König Albert von Sachsen, Großherzog Friedrich sind darin leuchtende Vorbilder. Wenn die Söhne des Herzogs von Cumberland hätten in Braunschweig succedieren sollen, so hätte ihre Erziehung von Anfang an darauf gerichtet werden müssen; im Gmündner Asyl erwächst die Legitimation für ein deutsches Thronrecht nicht. Mit den welfischen Blättern, die auf dem Standpunkt stehn, daß zwischen „Hannover" und Preußen überhaupt noch ein „Friede" zu schließen sei — „die Friedenshand ist von Seite Hannovers (!) ausgestreckt, Sache Preußens ist es nun, sie zu ergreifen," schreibt die Deutsche Volkszeitung vom 17. August —, ist überhaupt nicht zu diskutieren. Preußen hat keinen „Frieden" mit „Hannover" zu suchen, schon dieser Gedanke streift an Reichs- und Landes¬ verrat, sondern das Haus Cumberland hat, wenn anders es in irgend einer Generation in Braunschweig regieren will, sich mit diesem Anspruch vor dem nationalen Gewissen des Deutschen Reichs zu legitimieren, sofern dies heute über¬ haupt noch möglich ist. Über „Hannover" sind die Akten geschlossen, auch hat der Herzog von Cumberland, der den Welfenfonds aus preußischer Hand entgegennahm, ^ damit den Hietzinger Protest längst durchlöchert. Denifle noch einmal. Im Vorwort zur zweiten Auflage seines Lutherwerks schreibt der fanatische Mönch: „Weil ich nicht etwa eine Brandschrift ins Volk hinein¬ werfen, sondern in schlichter, unverblümter Ehrlichkeit ein Buch für die Gelehrten schreiben wollte, setzte ich voraus, daß es wohl eine geraume Zeit dauern werde, bis die Auflage vergriffen sein würde. Es sollte anders kommen. Dank dem Interesse, das Katholiken wie Protestanten in gleichem Eifer meiner Forschung und ihrem Gegenstand entgegengebracht haben, war der erste Band schon nach Monatsfrist nicht mehr vorrätig." Sollte der grundehrliche Deutsche, als den sich Denifle so gern gibt, hier nicht ein wenig Schauspielern? Dickleibigkeit und Gelehrsamkeit sind kein Hindernis für den Absatz eines Buches, wenn das Publikum erfährt, daß viel Pikantes und Saftiges drin vorkommt, und das mußte es in diesem Falle rasch erfahren, denn die protestantische Gelehrtenwelt konnte nicht anders als mit einem Schrei der Entrüstung auf diese unverschämte Herausfordrung antworten. Der buch¬ händlerische Erfolg war also vorauszusehen. Der Pater seinerseits entrüstet sich darüber, daß sein Buch nicht allein von allen Protestanten, sondern auch von vielen Katholiken, wie vom Professor Spahn, sehr ungünstig beurteilt wird. Er wirft diesen Katholiken Konzessionsgelüste vor. Sie behandelten den Protestantismus und den Katholizismus als zwei gleichberechtigte, einander ergänzende Seiten des einen Christentums, nähmen es ihm übel, daß er den Protestantismus eine Häresie und Luther einen Häresiarchen nenne. Hoffentlich sagt ihm der Vater des Professor Spahn, der ja sowohl als Zentrumsführer wie als Mitglied des Reichsgerichts eine sehr einflußreiche Stellung einnimmt, und sagen ihm andre Zentrumsführer privatim, was sie vorläufig freilich noch nicht öffentlich sagen dürfen, daß er mit seinem unsinnigen Wüten einen neuen Kulturkampf heraufbeschwört. Dogmatisch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/488>, abgerufen am 28.04.2024.