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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

wenn sie aus der Wolle attischer Schafe bereitet war, galt als ein Heilmittel
gegen mancherlei Übel. Dioskurides empfiehlt sie gegen Verhärtungen und Ge¬
schwülste, gegen Ausschlag oder Schuppen im Gesicht, gegen Entzündungen der
Augen und Triefäugigkeit und bei Frauenkrankheiten. Nach Plinius wurde das
Mittel auch gegen Wundschäden angewandt, ferner gegen Entzündungen aller Art,
besonders auch gegen den iAnis Mehr, d. i. eine Art der Rose, die auch wohl mit
dem Namen Antoniusfeuer bezeichnet wird; aber auch gegen Krebs, Podagra,
Epilepsie, Wassersucht, ja sogar gegen Schlaflosigkeit sollte es wirksam sein, allein
oder auch gemischt rin Butter, Gänsefett, Honig, Myrrhentinktur, Rosenöl und
andern Substanzen. Aber auch auf dem Putztisch der römischen Damen fehlte das
Wollfell nicht, es ivar beliebt als kosmetisches Mittel und sollte dazu dienen, die
Haut weich und glänzend zu machen. Ovid jedoch bemängelt es wegen seiner nicht
ganz einwandfreien Herkunft und sagt -- viel bedenklicher als später in einem
ähnlichen Falle Kaiser Vespasian -- mit verächtlichem Spott:


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Wenn Plinius ein andermal von dem vos^xus der Ziegen spricht, so hat es
damit eine andre Bewandtnis als mit dem Lanolin. Er meint damit nicht ein
animalisches Fett, sondern das wohlriechende Harz der Cistusstcmde, das eigentüm¬
licherweise mit Hilfe der Ziegen gewonnen wurde. Es blieb nämlich in den
zottigen Haaren dieser Tiere, die die Cistusbüsche mit besondrer Vorliebe zur
Weide aufsuchten, hängen und wurde dann von den Besitzern der Herden sorgfältig
abgekämmt und gesammelt. I^ahura nannte man das Harz, das hauptsächlich zum
Räuchern, aber auch zu Heilzwecken verwandt wurde. Die kräftigsten Sträucher
dieser Art wuchsen auf Cypern. Wenn aber Plinius als die Quelle des geschätzten
Aromas den Efeu (boäsra) nennt, so hat er das griechische Wort xloro-,' mit xtcwo^
verwechselt, in Wirklichkeit war auch auf Cypern die Cistusstcmde der Strauch, der
das wohlriechende Harz hergab. Übrigens gab es noch eine andre Art, den wert¬
vollen Stoff zu gewinnen. Man spannte Stricke über die Cistusbüsche, woran sich
F. A. das Harz festsetzte wie an den zottigen Haaren der Ziegen.




Herausgegeben von Johannes Grunoiv in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunom in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig





Maßgebliches und Unmaßgebliches

wenn sie aus der Wolle attischer Schafe bereitet war, galt als ein Heilmittel
gegen mancherlei Übel. Dioskurides empfiehlt sie gegen Verhärtungen und Ge¬
schwülste, gegen Ausschlag oder Schuppen im Gesicht, gegen Entzündungen der
Augen und Triefäugigkeit und bei Frauenkrankheiten. Nach Plinius wurde das
Mittel auch gegen Wundschäden angewandt, ferner gegen Entzündungen aller Art,
besonders auch gegen den iAnis Mehr, d. i. eine Art der Rose, die auch wohl mit
dem Namen Antoniusfeuer bezeichnet wird; aber auch gegen Krebs, Podagra,
Epilepsie, Wassersucht, ja sogar gegen Schlaflosigkeit sollte es wirksam sein, allein
oder auch gemischt rin Butter, Gänsefett, Honig, Myrrhentinktur, Rosenöl und
andern Substanzen. Aber auch auf dem Putztisch der römischen Damen fehlte das
Wollfell nicht, es ivar beliebt als kosmetisches Mittel und sollte dazu dienen, die
Haut weich und glänzend zu machen. Ovid jedoch bemängelt es wegen seiner nicht
ganz einwandfreien Herkunft und sagt — viel bedenklicher als später in einem
ähnlichen Falle Kaiser Vespasian — mit verächtlichem Spott:


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Wenn Plinius ein andermal von dem vos^xus der Ziegen spricht, so hat es
damit eine andre Bewandtnis als mit dem Lanolin. Er meint damit nicht ein
animalisches Fett, sondern das wohlriechende Harz der Cistusstcmde, das eigentüm¬
licherweise mit Hilfe der Ziegen gewonnen wurde. Es blieb nämlich in den
zottigen Haaren dieser Tiere, die die Cistusbüsche mit besondrer Vorliebe zur
Weide aufsuchten, hängen und wurde dann von den Besitzern der Herden sorgfältig
abgekämmt und gesammelt. I^ahura nannte man das Harz, das hauptsächlich zum
Räuchern, aber auch zu Heilzwecken verwandt wurde. Die kräftigsten Sträucher
dieser Art wuchsen auf Cypern. Wenn aber Plinius als die Quelle des geschätzten
Aromas den Efeu (boäsra) nennt, so hat er das griechische Wort xloro-,' mit xtcwo^
verwechselt, in Wirklichkeit war auch auf Cypern die Cistusstcmde der Strauch, der
das wohlriechende Harz hergab. Übrigens gab es noch eine andre Art, den wert¬
vollen Stoff zu gewinnen. Man spannte Stricke über die Cistusbüsche, woran sich
F. A. das Harz festsetzte wie an den zottigen Haaren der Ziegen.




Herausgegeben von Johannes Grunoiv in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunom in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig





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[0496] Maßgebliches und Unmaßgebliches wenn sie aus der Wolle attischer Schafe bereitet war, galt als ein Heilmittel gegen mancherlei Übel. Dioskurides empfiehlt sie gegen Verhärtungen und Ge¬ schwülste, gegen Ausschlag oder Schuppen im Gesicht, gegen Entzündungen der Augen und Triefäugigkeit und bei Frauenkrankheiten. Nach Plinius wurde das Mittel auch gegen Wundschäden angewandt, ferner gegen Entzündungen aller Art, besonders auch gegen den iAnis Mehr, d. i. eine Art der Rose, die auch wohl mit dem Namen Antoniusfeuer bezeichnet wird; aber auch gegen Krebs, Podagra, Epilepsie, Wassersucht, ja sogar gegen Schlaflosigkeit sollte es wirksam sein, allein oder auch gemischt rin Butter, Gänsefett, Honig, Myrrhentinktur, Rosenöl und andern Substanzen. Aber auch auf dem Putztisch der römischen Damen fehlte das Wollfell nicht, es ivar beliebt als kosmetisches Mittel und sollte dazu dienen, die Haut weich und glänzend zu machen. Ovid jedoch bemängelt es wegen seiner nicht ganz einwandfreien Herkunft und sagt — viel bedenklicher als später in einem ähnlichen Falle Kaiser Vespasian — mit verächtlichem Spott: Os»^>a <miet roclolsnt? Hnmnvis witwtnr ^tiioni«, Domptn8 kb iminumlav vsllörs 8non3 ovis. Wenn Plinius ein andermal von dem vos^xus der Ziegen spricht, so hat es damit eine andre Bewandtnis als mit dem Lanolin. Er meint damit nicht ein animalisches Fett, sondern das wohlriechende Harz der Cistusstcmde, das eigentüm¬ licherweise mit Hilfe der Ziegen gewonnen wurde. Es blieb nämlich in den zottigen Haaren dieser Tiere, die die Cistusbüsche mit besondrer Vorliebe zur Weide aufsuchten, hängen und wurde dann von den Besitzern der Herden sorgfältig abgekämmt und gesammelt. I^ahura nannte man das Harz, das hauptsächlich zum Räuchern, aber auch zu Heilzwecken verwandt wurde. Die kräftigsten Sträucher dieser Art wuchsen auf Cypern. Wenn aber Plinius als die Quelle des geschätzten Aromas den Efeu (boäsra) nennt, so hat er das griechische Wort xloro-,' mit xtcwo^ verwechselt, in Wirklichkeit war auch auf Cypern die Cistusstcmde der Strauch, der das wohlriechende Harz hergab. Übrigens gab es noch eine andre Art, den wert¬ vollen Stoff zu gewinnen. Man spannte Stricke über die Cistusbüsche, woran sich F. A. das Harz festsetzte wie an den zottigen Haaren der Ziegen. Herausgegeben von Johannes Grunoiv in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grunom in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/496>, abgerufen am 28.04.2024.