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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Die private Feuerversicherung

ist ohne Verzicht auf die politische und die wirtschaftliche Machtstellung des
Reiches unmöglich, es handelt sich in der Gegenwart nicht weniger um Sein
oder Nichtsein des deutschen Volkstums als zur Zeit der Herrschaft des großen
Napoleon, Während aber der verarmte Bürger von Anno 1813 sein Letztes
hergab, um eine große Politik der Tat zu ermöglichen, hat heute der wohl¬
habende, seit den Siegen der Armee erst reichgewordne Bürger an vielen Orten,
namentlich in den volkreichen Städten, für die große Frage der Zeit nichts
übrig als die billigen Wortspiele der Zeitungen und die gequälte Ironie der
Witzblätter. Wenige macheu sich Gedanken darüber, was in Ostasien der Preis
des Siegers, was die Buße des Unterlegnen sein wird, oder gar wie sich die
Folgen für die Welt, und vor allem für uns gestalten mögen. Da die Witz¬
blätter aus naheliegenden Gründen für die Japaner Partei ergriffen haben, ist
man natürlich auch auf dieser Seite; warum denn auch nicht, hatte sich nicht
Bebel im "deutschen" Reichstage selbst für die Hereros erklärt? Dergleichen
ist ja in Deutschland nichts seltnes, die Zeit vor 1866 hat noch viel tollere
Dinge gesehen! Die Entwicklung in Ostnsien ist nun kaum danach angetan,
das; sie sich mit einer einfachen Parteinahme nach Gcfühlsrücksichten abmachen
ließe. Schon haben flüchtige russische Schiffe in einem deutscheu Hafen Asyl
begehrt, und die Japaner haben auch dabei ihre seltsamen Begriffe von Völker¬
recht merken lassen. Es ist durchaus nicht ausgeschlossen, daß bei der zu¬
nehmenden Erbitterung der Kämpfer einmal an Deutschland Zumutungen gestellt
werden, die es sich nicht gefallen lassen darf. Dann kann weder die Sympathie
der Witzblätter noch die Sympathie für diese etwas helfen, dann bedarf es der
Umsicht und der Festigkeit der deutschen Staatsmänner und der draußen stehenden
Offiziere. Man kann heute nicht voraussehen, was morgen geschehn mag, aber
"in Bereitschaft sein ist alles," sagt der Dichter.

(Schluß folgt)




Die private Feuerversicherung
(Fortsetzung)

cum man nun trotz dem schon Gesagten die Klage über zu hohe
Prämien damit begründen wollte, daß man auf die im allge¬
meinen recht guten Dividenden hinweist, die von den Feuerver-
sicherungsaktiengesellschafteu an ihre Aktionäre verteilt werden,
so ist darauf zu erwidern, daß diese Dividenden eben in der
Hauptsache aus deu Erträgen der Vermögensmassen stammen, die als ein¬
gezahltes Aktienkapital und als Reserven bei den Gesellschaften angesammelt
sind. Diese zum Teil ganz gewaltigen Kapitalien haben natürlich eine große
Werbekraft in geschickten Händen, sodaß bei gewandter Vermögensverwaltung
auch bei ungünstigem Ablauf des industriellen Geschäfts immer noch eine er¬
trägliche Dividende gezahlt werden kann, vorausgesetzt, daß das MißgeschickHM


Die private Feuerversicherung

ist ohne Verzicht auf die politische und die wirtschaftliche Machtstellung des
Reiches unmöglich, es handelt sich in der Gegenwart nicht weniger um Sein
oder Nichtsein des deutschen Volkstums als zur Zeit der Herrschaft des großen
Napoleon, Während aber der verarmte Bürger von Anno 1813 sein Letztes
hergab, um eine große Politik der Tat zu ermöglichen, hat heute der wohl¬
habende, seit den Siegen der Armee erst reichgewordne Bürger an vielen Orten,
namentlich in den volkreichen Städten, für die große Frage der Zeit nichts
übrig als die billigen Wortspiele der Zeitungen und die gequälte Ironie der
Witzblätter. Wenige macheu sich Gedanken darüber, was in Ostasien der Preis
des Siegers, was die Buße des Unterlegnen sein wird, oder gar wie sich die
Folgen für die Welt, und vor allem für uns gestalten mögen. Da die Witz¬
blätter aus naheliegenden Gründen für die Japaner Partei ergriffen haben, ist
man natürlich auch auf dieser Seite; warum denn auch nicht, hatte sich nicht
Bebel im „deutschen" Reichstage selbst für die Hereros erklärt? Dergleichen
ist ja in Deutschland nichts seltnes, die Zeit vor 1866 hat noch viel tollere
Dinge gesehen! Die Entwicklung in Ostnsien ist nun kaum danach angetan,
das; sie sich mit einer einfachen Parteinahme nach Gcfühlsrücksichten abmachen
ließe. Schon haben flüchtige russische Schiffe in einem deutscheu Hafen Asyl
begehrt, und die Japaner haben auch dabei ihre seltsamen Begriffe von Völker¬
recht merken lassen. Es ist durchaus nicht ausgeschlossen, daß bei der zu¬
nehmenden Erbitterung der Kämpfer einmal an Deutschland Zumutungen gestellt
werden, die es sich nicht gefallen lassen darf. Dann kann weder die Sympathie
der Witzblätter noch die Sympathie für diese etwas helfen, dann bedarf es der
Umsicht und der Festigkeit der deutschen Staatsmänner und der draußen stehenden
Offiziere. Man kann heute nicht voraussehen, was morgen geschehn mag, aber
„in Bereitschaft sein ist alles," sagt der Dichter.

(Schluß folgt)




Die private Feuerversicherung
(Fortsetzung)

cum man nun trotz dem schon Gesagten die Klage über zu hohe
Prämien damit begründen wollte, daß man auf die im allge¬
meinen recht guten Dividenden hinweist, die von den Feuerver-
sicherungsaktiengesellschafteu an ihre Aktionäre verteilt werden,
so ist darauf zu erwidern, daß diese Dividenden eben in der
Hauptsache aus deu Erträgen der Vermögensmassen stammen, die als ein¬
gezahltes Aktienkapital und als Reserven bei den Gesellschaften angesammelt
sind. Diese zum Teil ganz gewaltigen Kapitalien haben natürlich eine große
Werbekraft in geschickten Händen, sodaß bei gewandter Vermögensverwaltung
auch bei ungünstigem Ablauf des industriellen Geschäfts immer noch eine er¬
trägliche Dividende gezahlt werden kann, vorausgesetzt, daß das MißgeschickHM


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/627>, abgerufen am 27.04.2024.