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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Gräfin Susanna

Oh nein -- keinesfalls! Es darf gar keine Verbindung zwischen uns sein.
Sie müssen Ihr möglichstes tun, mich zu vergessen -- und nur an Ihre Cousine
zu denken.

Dann gehe ich nicht! versicherte Anthony, indem er sich mit anscheinend un¬
erschütterlich festem Entschluß ihr gegenüber in einen Sessel warf.
Aber Susanna stand auf.

Also leben Sie wohl! sagte sie und streckte ihm zum Abschied die Hand hin.

Was soll das heißen? fragte er, nahm aber ihre Hand und hielt sie fest.

Es ist alles aus zwischen uns -- wenn Sie nicht gehn.

Aber sie ließ ihre Hand in der seinen ruhn.

Wollen Sie mir schreiben?

Er streichelte ihre weichen, warmen Finger.

Nein.

Aber ich darf Ihnen schreiben?

Er küßte die duftenden Finger.

Sie zog langsam und sanft ihre Hand aus der seinen.

Wenn es Ihnen Befriedigung gewahrt, mir zu schreibe", so habe ich nichts
dagegen. Aber vergessen Sie nicht, daß Ihre Briefe unbeantwortet bleiben
werden.

Sie nahm ihren Platz auf dem Sofa wieder ein.

Er stand von seinem Stuhl auf und beugte sich wieder über sie.

Ich liebe Sie, sagte er.

Sie lächelte und spielte mit der Tresse des Kissens.

Das hatten Sie schon vorhin gesagt, antwortete sie.

Ach liebe Sie! wiederholte er glühend.

Übrigens habe ich vergessen zu erwähnen, das; Sie Mr. Wilkes mitnehmen
müssen.

Oh --? rief Anthony erstaunt. Wilkes? Warum?

Aus mehreren Gründen. Oder genügt einer?

Und der wäre?

Lachend sah sie ihn an.

Ich wünsche es!

Auch Anthony lachte.

Sie kennen Ihre Macht! sagte er.

Oh ja. gab sie zu. Also nehmen Sie Mr. Wilkes mit?

Sie haben ja gesagt, daß Sie es wünschen.

Und dann schwiegen beide eine Weile, aber ihre Augen setzten die Unter¬
haltung fort.


19

Kurz vor Essenszeit kehrte Anthony nach Hanse zurück. Er fand Adrian in
seinem Arbeitszimmer am Klavier, mit zerzaustem Haar, offnen, Hemdkragen, den
Kopf mit kritischer Miene auf die Seite geneigt, wie er wieder und wieder eine
Phrase spielte und kleine Änderungen daran machte, die er rasch in ein Notenhcft
eintrug, das neben ihm auf dem Tischchen lag.

Machst du diesen Sommer keine Erholungsreise? fragte ihn Anthony in
lässigen Tone.

Stille, stille! sagte Adrian, indem er sich in das neben ihm liegende Manu¬
skript versenkte.

Es ist Zeit zum Ankleiden, bemerkte Anthony und steckte sich eine Ziga¬
rette an.

Adrian probierte seine Phrase noch einmal mit znsammengezognen Augen¬
brauen und sehr kritischer Miene. Dann drehte er sich ans seinem Klavierstnhl um
und fragte zerstreut: Wie? Was sagtest du?

Ich fragte nur, ob du diesen Sommer keine Erholungsreise machest?


Gräfin Susanna

Oh nein — keinesfalls! Es darf gar keine Verbindung zwischen uns sein.
Sie müssen Ihr möglichstes tun, mich zu vergessen — und nur an Ihre Cousine
zu denken.

Dann gehe ich nicht! versicherte Anthony, indem er sich mit anscheinend un¬
erschütterlich festem Entschluß ihr gegenüber in einen Sessel warf.
Aber Susanna stand auf.

Also leben Sie wohl! sagte sie und streckte ihm zum Abschied die Hand hin.

Was soll das heißen? fragte er, nahm aber ihre Hand und hielt sie fest.

Es ist alles aus zwischen uns — wenn Sie nicht gehn.

Aber sie ließ ihre Hand in der seinen ruhn.

Wollen Sie mir schreiben?

Er streichelte ihre weichen, warmen Finger.

Nein.

Aber ich darf Ihnen schreiben?

Er küßte die duftenden Finger.

Sie zog langsam und sanft ihre Hand aus der seinen.

Wenn es Ihnen Befriedigung gewahrt, mir zu schreibe», so habe ich nichts
dagegen. Aber vergessen Sie nicht, daß Ihre Briefe unbeantwortet bleiben
werden.

Sie nahm ihren Platz auf dem Sofa wieder ein.

Er stand von seinem Stuhl auf und beugte sich wieder über sie.

Ich liebe Sie, sagte er.

Sie lächelte und spielte mit der Tresse des Kissens.

Das hatten Sie schon vorhin gesagt, antwortete sie.

Ach liebe Sie! wiederholte er glühend.

Übrigens habe ich vergessen zu erwähnen, das; Sie Mr. Wilkes mitnehmen
müssen.

Oh —? rief Anthony erstaunt. Wilkes? Warum?

Aus mehreren Gründen. Oder genügt einer?

Und der wäre?

Lachend sah sie ihn an.

Ich wünsche es!

Auch Anthony lachte.

Sie kennen Ihre Macht! sagte er.

Oh ja. gab sie zu. Also nehmen Sie Mr. Wilkes mit?

Sie haben ja gesagt, daß Sie es wünschen.

Und dann schwiegen beide eine Weile, aber ihre Augen setzten die Unter¬
haltung fort.


19

Kurz vor Essenszeit kehrte Anthony nach Hanse zurück. Er fand Adrian in
seinem Arbeitszimmer am Klavier, mit zerzaustem Haar, offnen, Hemdkragen, den
Kopf mit kritischer Miene auf die Seite geneigt, wie er wieder und wieder eine
Phrase spielte und kleine Änderungen daran machte, die er rasch in ein Notenhcft
eintrug, das neben ihm auf dem Tischchen lag.

Machst du diesen Sommer keine Erholungsreise? fragte ihn Anthony in
lässigen Tone.

Stille, stille! sagte Adrian, indem er sich in das neben ihm liegende Manu¬
skript versenkte.

Es ist Zeit zum Ankleiden, bemerkte Anthony und steckte sich eine Ziga¬
rette an.

Adrian probierte seine Phrase noch einmal mit znsammengezognen Augen¬
brauen und sehr kritischer Miene. Dann drehte er sich ans seinem Klavierstnhl um
und fragte zerstreut: Wie? Was sagtest du?

Ich fragte nur, ob du diesen Sommer keine Erholungsreise machest?


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[0668] Gräfin Susanna Oh nein — keinesfalls! Es darf gar keine Verbindung zwischen uns sein. Sie müssen Ihr möglichstes tun, mich zu vergessen — und nur an Ihre Cousine zu denken. Dann gehe ich nicht! versicherte Anthony, indem er sich mit anscheinend un¬ erschütterlich festem Entschluß ihr gegenüber in einen Sessel warf. Aber Susanna stand auf. Also leben Sie wohl! sagte sie und streckte ihm zum Abschied die Hand hin. Was soll das heißen? fragte er, nahm aber ihre Hand und hielt sie fest. Es ist alles aus zwischen uns — wenn Sie nicht gehn. Aber sie ließ ihre Hand in der seinen ruhn. Wollen Sie mir schreiben? Er streichelte ihre weichen, warmen Finger. Nein. Aber ich darf Ihnen schreiben? Er küßte die duftenden Finger. Sie zog langsam und sanft ihre Hand aus der seinen. Wenn es Ihnen Befriedigung gewahrt, mir zu schreibe», so habe ich nichts dagegen. Aber vergessen Sie nicht, daß Ihre Briefe unbeantwortet bleiben werden. Sie nahm ihren Platz auf dem Sofa wieder ein. Er stand von seinem Stuhl auf und beugte sich wieder über sie. Ich liebe Sie, sagte er. Sie lächelte und spielte mit der Tresse des Kissens. Das hatten Sie schon vorhin gesagt, antwortete sie. Ach liebe Sie! wiederholte er glühend. Übrigens habe ich vergessen zu erwähnen, das; Sie Mr. Wilkes mitnehmen müssen. Oh —? rief Anthony erstaunt. Wilkes? Warum? Aus mehreren Gründen. Oder genügt einer? Und der wäre? Lachend sah sie ihn an. Ich wünsche es! Auch Anthony lachte. Sie kennen Ihre Macht! sagte er. Oh ja. gab sie zu. Also nehmen Sie Mr. Wilkes mit? Sie haben ja gesagt, daß Sie es wünschen. Und dann schwiegen beide eine Weile, aber ihre Augen setzten die Unter¬ haltung fort. 19 Kurz vor Essenszeit kehrte Anthony nach Hanse zurück. Er fand Adrian in seinem Arbeitszimmer am Klavier, mit zerzaustem Haar, offnen, Hemdkragen, den Kopf mit kritischer Miene auf die Seite geneigt, wie er wieder und wieder eine Phrase spielte und kleine Änderungen daran machte, die er rasch in ein Notenhcft eintrug, das neben ihm auf dem Tischchen lag. Machst du diesen Sommer keine Erholungsreise? fragte ihn Anthony in lässigen Tone. Stille, stille! sagte Adrian, indem er sich in das neben ihm liegende Manu¬ skript versenkte. Es ist Zeit zum Ankleiden, bemerkte Anthony und steckte sich eine Ziga¬ rette an. Adrian probierte seine Phrase noch einmal mit znsammengezognen Augen¬ brauen und sehr kritischer Miene. Dann drehte er sich ans seinem Klavierstnhl um und fragte zerstreut: Wie? Was sagtest du? Ich fragte nur, ob du diesen Sommer keine Erholungsreise machest?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/668>, abgerufen am 27.04.2024.