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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Königin Luise und die preußische Politik

le eine Jdealgestalt, die kaum noch am Irdischen haftet, schwebte
die Preußenkönigin vor dem Ange der Zeitgenossen. Allen von
ihnen, die ihr näher treten durften -- und es waren die Besten
der Nation --, erwachs daraus eine tiefe, merkwürdig einmütige
Verehrung für ihre Person. Nicht nur das Auge des Künstlers
wurde bezaubert von so viel Liebreiz der äußern Erscheinung, von dem hohe"
Ebenmaß der Gestalt, dem Sonnenglanz der seelenvollen Augen, der Anmut
zu gehen und zu grüßen, von dem Wohlklang der Sprache, der die süddeutsche
Mundart etwas Behagliches verlieh. Die Hofleute priesen ihre frische Lebens¬
lust und ihr heiteres Temperament, ernste Denker ihren feinen Esprit. Jeder
Gute war entzückt von der Reinheit ihrer Seele, ihrer gesunden, allem Senti¬
mentalen fernen Frömmigkeit, ihrer Herzensaufrichtigkeit.

Als sie aber dahin gesunken war in der Blütezeit ihres Lebens, dn er¬
schien sie -- jemand hat es den schönsten Teil dieses Lebens genannt -- auch
den Überlebenden wie der gute Engel für die gute Sache. Wir lese" aus den
Liedern der Freiheitsänger, wie die tapfern jungen Krieger entflammt waren
von dein Gedanken an ihren Schmerz um den Niedergang ihres Vaterlandes
von dein Verlangen, das frühe Verblühn der Königsrose an dem nngroßmütigen
Sieger zu rächen.

Dieses, der Zauber ihrer persönlichen Erscheinung und die Trauer um
ihren vorzeitige" Hingang, waren die Akkorde, auf denen sich den Zeitgenossen
die hohe Symphonie der Begeisterung für die kömgliche Fran aufbaute.

Und sie ist nicht nur in jenem Zeitalter erklungen! In man möchte fast
glauben, dem Geschlecht, das die Vollendung Deutschlands sah, sei gerade das
irdische Unvollendetsein an dem Leben und Streben der Königin als etwas be¬
sonders Ergreifendes und Sympathisches erschienen. Um so eher begnügte man
sich für die Erkenntnis ihres Wesens mit dem von den Zeitgenossen überlieferten
Gesamteindruck. Für den ernsten Forscher aber stellte sich immer wieder das
Unvermögen heraus, aus dem Wenige", was liebevolle Bewundrer von ihr
erzählten, aus einigen von ihr überlieferten Ansprüchen oder Briefe" ihre
innerste Art zu ergründen.


Gronzbotm II I 1904 97


Königin Luise und die preußische Politik

le eine Jdealgestalt, die kaum noch am Irdischen haftet, schwebte
die Preußenkönigin vor dem Ange der Zeitgenossen. Allen von
ihnen, die ihr näher treten durften — und es waren die Besten
der Nation —, erwachs daraus eine tiefe, merkwürdig einmütige
Verehrung für ihre Person. Nicht nur das Auge des Künstlers
wurde bezaubert von so viel Liebreiz der äußern Erscheinung, von dem hohe»
Ebenmaß der Gestalt, dem Sonnenglanz der seelenvollen Augen, der Anmut
zu gehen und zu grüßen, von dem Wohlklang der Sprache, der die süddeutsche
Mundart etwas Behagliches verlieh. Die Hofleute priesen ihre frische Lebens¬
lust und ihr heiteres Temperament, ernste Denker ihren feinen Esprit. Jeder
Gute war entzückt von der Reinheit ihrer Seele, ihrer gesunden, allem Senti¬
mentalen fernen Frömmigkeit, ihrer Herzensaufrichtigkeit.

Als sie aber dahin gesunken war in der Blütezeit ihres Lebens, dn er¬
schien sie — jemand hat es den schönsten Teil dieses Lebens genannt — auch
den Überlebenden wie der gute Engel für die gute Sache. Wir lese» aus den
Liedern der Freiheitsänger, wie die tapfern jungen Krieger entflammt waren
von dein Gedanken an ihren Schmerz um den Niedergang ihres Vaterlandes
von dein Verlangen, das frühe Verblühn der Königsrose an dem nngroßmütigen
Sieger zu rächen.

Dieses, der Zauber ihrer persönlichen Erscheinung und die Trauer um
ihren vorzeitige» Hingang, waren die Akkorde, auf denen sich den Zeitgenossen
die hohe Symphonie der Begeisterung für die kömgliche Fran aufbaute.

Und sie ist nicht nur in jenem Zeitalter erklungen! In man möchte fast
glauben, dem Geschlecht, das die Vollendung Deutschlands sah, sei gerade das
irdische Unvollendetsein an dem Leben und Streben der Königin als etwas be¬
sonders Ergreifendes und Sympathisches erschienen. Um so eher begnügte man
sich für die Erkenntnis ihres Wesens mit dem von den Zeitgenossen überlieferten
Gesamteindruck. Für den ernsten Forscher aber stellte sich immer wieder das
Unvermögen heraus, aus dem Wenige», was liebevolle Bewundrer von ihr
erzählten, aus einigen von ihr überlieferten Ansprüchen oder Briefe» ihre
innerste Art zu ergründen.


Gronzbotm II I 1904 97
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[0737] [Abbildung] Königin Luise und die preußische Politik le eine Jdealgestalt, die kaum noch am Irdischen haftet, schwebte die Preußenkönigin vor dem Ange der Zeitgenossen. Allen von ihnen, die ihr näher treten durften — und es waren die Besten der Nation —, erwachs daraus eine tiefe, merkwürdig einmütige Verehrung für ihre Person. Nicht nur das Auge des Künstlers wurde bezaubert von so viel Liebreiz der äußern Erscheinung, von dem hohe» Ebenmaß der Gestalt, dem Sonnenglanz der seelenvollen Augen, der Anmut zu gehen und zu grüßen, von dem Wohlklang der Sprache, der die süddeutsche Mundart etwas Behagliches verlieh. Die Hofleute priesen ihre frische Lebens¬ lust und ihr heiteres Temperament, ernste Denker ihren feinen Esprit. Jeder Gute war entzückt von der Reinheit ihrer Seele, ihrer gesunden, allem Senti¬ mentalen fernen Frömmigkeit, ihrer Herzensaufrichtigkeit. Als sie aber dahin gesunken war in der Blütezeit ihres Lebens, dn er¬ schien sie — jemand hat es den schönsten Teil dieses Lebens genannt — auch den Überlebenden wie der gute Engel für die gute Sache. Wir lese» aus den Liedern der Freiheitsänger, wie die tapfern jungen Krieger entflammt waren von dein Gedanken an ihren Schmerz um den Niedergang ihres Vaterlandes von dein Verlangen, das frühe Verblühn der Königsrose an dem nngroßmütigen Sieger zu rächen. Dieses, der Zauber ihrer persönlichen Erscheinung und die Trauer um ihren vorzeitige» Hingang, waren die Akkorde, auf denen sich den Zeitgenossen die hohe Symphonie der Begeisterung für die kömgliche Fran aufbaute. Und sie ist nicht nur in jenem Zeitalter erklungen! In man möchte fast glauben, dem Geschlecht, das die Vollendung Deutschlands sah, sei gerade das irdische Unvollendetsein an dem Leben und Streben der Königin als etwas be¬ sonders Ergreifendes und Sympathisches erschienen. Um so eher begnügte man sich für die Erkenntnis ihres Wesens mit dem von den Zeitgenossen überlieferten Gesamteindruck. Für den ernsten Forscher aber stellte sich immer wieder das Unvermögen heraus, aus dem Wenige», was liebevolle Bewundrer von ihr erzählten, aus einigen von ihr überlieferten Ansprüchen oder Briefe» ihre innerste Art zu ergründen. Gronzbotm II I 1904 97

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/737>, abgerufen am 27.04.2024.