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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches mit Unmaßgebliches

daktion der Grenzboten auf sie aufmerksam gemacht hätte, benutzt nun der genannte
Verleger, dem mit einer so einfachen Erledigung der Sache offenbar nicht gedient
gewesen wäre, die Grenzboten des Plagiats zu beschuldigen, den Staatsanwalt
anzurufen und "im Interesse der Ehrenhaftigkeit der Publizistik" an die deutsche
Presse zu appellieren. Die ganze ungeheuerliche Aufbauschung ist so offenbar ohne
Not und mit Gewalt unternommen worden und zeigt so deutlich die eigentliche
Absicht des Verlegers, eine möglichst gewaltige Reklame für sein Verlagswerk in
Szene zu setzen, daß die Grenzboten es als unter ihrer Würde hätten erachten können,
überhaupt ein Wort über diesen plumpen Anfall auf ihre Ehre zu äußern, wenn
die Sache nicht noch von einem besondern Umstand begleitet gewesen wäre. Wahrend
ein Teil der Presse wahrscheinlich das Rundschreiben des Münchner Verlegers ein¬
fach in den Papierkorb befördert haben wird, hat es ein andrer Teil, dessen Mi߬
fallen sich zuzuziehen die Grenzboten die Ehre gehabt haben, nicht über sich ver¬
mocht, die schöne Gelegenheit unbenutzt vorübergehn zu lassen, den Grenzboten eins
auszuwischen. Diese Zeitungen geben sich den Anschein, als merkten sie die Absicht
des Verlegers der Broschüre nicht, und geben sich dazu her, seinem Reklamekarren
Vorspanndienste zu leisten, indem sie das Rundschreiben ohne eigne Nachprüfung
in größerm oder kleinerm Umfange abdrucken, um deu Anschein zu erwecken, als habe
der Verleger, der ganz offenbar nur Lärm zu erregen suchte, ein Recht zu der
Insinuation, daß die Grenzboten ein Blatt seien, dem Unehrenhciftigkeiten zugetraut
werden könnten. Die Böswilligkeit, aber auch blinde Ungeschicktheit geht so weit,
daß Zeitungen, die die Grenzboten heftig wegen der Anschauungen ihres Artikels
in Heft 37 und 38 angegriffen hatten, jetzt die Broschüre, trotzdem daß sie die¬
selben Anschauungen vertritt, ihren Lesern empfehlen!

Diesen Zeitungen über ihren edeln Liebesdienst zu quittieren, wollen wir doch
nicht unterlassen; wir richten dabei nur noch die Frage an sie, was sie wohl
denken, wohin es führen würde, wenn alle solche "Plagiate," wie den Grenzboten
eins unabsichtlich und in geringem Umfange passiert ist, wie sie aber von andern
Leuten sogar oft wissentlich und oft in großem Umfange mit Schere und Kleistertopf
begangen werden, bei der Staatsanwaltschaft anhängig gemacht würden, und wenn
I. G. das zum Beispiel von den Grenzboten getan würde?




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig


Maßgebliches mit Unmaßgebliches

daktion der Grenzboten auf sie aufmerksam gemacht hätte, benutzt nun der genannte
Verleger, dem mit einer so einfachen Erledigung der Sache offenbar nicht gedient
gewesen wäre, die Grenzboten des Plagiats zu beschuldigen, den Staatsanwalt
anzurufen und „im Interesse der Ehrenhaftigkeit der Publizistik" an die deutsche
Presse zu appellieren. Die ganze ungeheuerliche Aufbauschung ist so offenbar ohne
Not und mit Gewalt unternommen worden und zeigt so deutlich die eigentliche
Absicht des Verlegers, eine möglichst gewaltige Reklame für sein Verlagswerk in
Szene zu setzen, daß die Grenzboten es als unter ihrer Würde hätten erachten können,
überhaupt ein Wort über diesen plumpen Anfall auf ihre Ehre zu äußern, wenn
die Sache nicht noch von einem besondern Umstand begleitet gewesen wäre. Wahrend
ein Teil der Presse wahrscheinlich das Rundschreiben des Münchner Verlegers ein¬
fach in den Papierkorb befördert haben wird, hat es ein andrer Teil, dessen Mi߬
fallen sich zuzuziehen die Grenzboten die Ehre gehabt haben, nicht über sich ver¬
mocht, die schöne Gelegenheit unbenutzt vorübergehn zu lassen, den Grenzboten eins
auszuwischen. Diese Zeitungen geben sich den Anschein, als merkten sie die Absicht
des Verlegers der Broschüre nicht, und geben sich dazu her, seinem Reklamekarren
Vorspanndienste zu leisten, indem sie das Rundschreiben ohne eigne Nachprüfung
in größerm oder kleinerm Umfange abdrucken, um deu Anschein zu erwecken, als habe
der Verleger, der ganz offenbar nur Lärm zu erregen suchte, ein Recht zu der
Insinuation, daß die Grenzboten ein Blatt seien, dem Unehrenhciftigkeiten zugetraut
werden könnten. Die Böswilligkeit, aber auch blinde Ungeschicktheit geht so weit,
daß Zeitungen, die die Grenzboten heftig wegen der Anschauungen ihres Artikels
in Heft 37 und 38 angegriffen hatten, jetzt die Broschüre, trotzdem daß sie die¬
selben Anschauungen vertritt, ihren Lesern empfehlen!

Diesen Zeitungen über ihren edeln Liebesdienst zu quittieren, wollen wir doch
nicht unterlassen; wir richten dabei nur noch die Frage an sie, was sie wohl
denken, wohin es führen würde, wenn alle solche „Plagiate," wie den Grenzboten
eins unabsichtlich und in geringem Umfange passiert ist, wie sie aber von andern
Leuten sogar oft wissentlich und oft in großem Umfange mit Schere und Kleistertopf
begangen werden, bei der Staatsanwaltschaft anhängig gemacht würden, und wenn
I. G. das zum Beispiel von den Grenzboten getan würde?




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig


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[0244] Maßgebliches mit Unmaßgebliches daktion der Grenzboten auf sie aufmerksam gemacht hätte, benutzt nun der genannte Verleger, dem mit einer so einfachen Erledigung der Sache offenbar nicht gedient gewesen wäre, die Grenzboten des Plagiats zu beschuldigen, den Staatsanwalt anzurufen und „im Interesse der Ehrenhaftigkeit der Publizistik" an die deutsche Presse zu appellieren. Die ganze ungeheuerliche Aufbauschung ist so offenbar ohne Not und mit Gewalt unternommen worden und zeigt so deutlich die eigentliche Absicht des Verlegers, eine möglichst gewaltige Reklame für sein Verlagswerk in Szene zu setzen, daß die Grenzboten es als unter ihrer Würde hätten erachten können, überhaupt ein Wort über diesen plumpen Anfall auf ihre Ehre zu äußern, wenn die Sache nicht noch von einem besondern Umstand begleitet gewesen wäre. Wahrend ein Teil der Presse wahrscheinlich das Rundschreiben des Münchner Verlegers ein¬ fach in den Papierkorb befördert haben wird, hat es ein andrer Teil, dessen Mi߬ fallen sich zuzuziehen die Grenzboten die Ehre gehabt haben, nicht über sich ver¬ mocht, die schöne Gelegenheit unbenutzt vorübergehn zu lassen, den Grenzboten eins auszuwischen. Diese Zeitungen geben sich den Anschein, als merkten sie die Absicht des Verlegers der Broschüre nicht, und geben sich dazu her, seinem Reklamekarren Vorspanndienste zu leisten, indem sie das Rundschreiben ohne eigne Nachprüfung in größerm oder kleinerm Umfange abdrucken, um deu Anschein zu erwecken, als habe der Verleger, der ganz offenbar nur Lärm zu erregen suchte, ein Recht zu der Insinuation, daß die Grenzboten ein Blatt seien, dem Unehrenhciftigkeiten zugetraut werden könnten. Die Böswilligkeit, aber auch blinde Ungeschicktheit geht so weit, daß Zeitungen, die die Grenzboten heftig wegen der Anschauungen ihres Artikels in Heft 37 und 38 angegriffen hatten, jetzt die Broschüre, trotzdem daß sie die¬ selben Anschauungen vertritt, ihren Lesern empfehlen! Diesen Zeitungen über ihren edeln Liebesdienst zu quittieren, wollen wir doch nicht unterlassen; wir richten dabei nur noch die Frage an sie, was sie wohl denken, wohin es führen würde, wenn alle solche „Plagiate," wie den Grenzboten eins unabsichtlich und in geringem Umfange passiert ist, wie sie aber von andern Leuten sogar oft wissentlich und oft in großem Umfange mit Schere und Kleistertopf begangen werden, bei der Staatsanwaltschaft anhängig gemacht würden, und wenn I. G. das zum Beispiel von den Grenzboten getan würde? Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/244>, abgerufen am 03.05.2024.