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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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spähn, als er in der Etatsdebatte zum zweitenmal das Wort ergriff, an der
Negierung Revanche für die Abweisung des Diätenbegehrens nehmen wollte
-- dem Zentrum ist dies in der Tat eine der bittersten Pillen, die man ihm
hätte bieten können --; jedenfalls hat der Wortführer des Zentrums mit
aller nur möglichen Schärfe erklärt, daß Ausgaben, für die in den eignen
Einnahmen des Reiches keine Deckung zu finden ist, fortan entweder durch
Erhöhung der Matrikularbeiträge bestritten werden oder aber, auch wenn sie
als notwendig anerkannt worden sind, unterbleiben sollen. Bis auf weiteres
ist dies des Zentrums letztes Wort.

Die ehemaligen Kartcllparteien, Konservative und Nationalliberale, stehn
selbstverständlich, wie schon immer in dieser Finanzreformfrage, auf feiten der
Regierung. Aber damit ist wenig geholfen, solange das Zentrum in der
starren Negation verharrt. Für die, denen die Ewigkeit und die Unverrück
harten dieser Negation über allem Zweifel steht, ist damit die Finanzreform
aussichtslos. Wie viele sind es aber, die wirklich mit diesem Glauben be¬
haftet sind? Das Zentrum kann, wenn es sein muß, auch anders, das
würde man im vorliegenden Falle nicht zum erstenmal erfahren. Aber es
muß ihm nur erst klar geworden sein, daß es in der Tat nicht anders
geht. Dazu bedarf es von der Negierung, und zwar von ihrer eindrucks¬
vollsten Stelle aus, einer sehr viel deutlichern Sprache, als sie der ausschlag¬
gebenden Partei gegenüber bisher geführt worden ist. Das Zentrum mit
irgendwelchen Konzessionen auf einem andern Gebiete gewinnen zu wollen,
würde in dem vorliegenden Falle der unglücklichste Weg sein, den die Re¬
gierung einschlagen könnte. Man wird sie eines solchen Fehlers nicht für
fähig halten wollen. Dagegen erscheint die Erwartung keineswegs unbegründet,
daß die besonnenen Führer des Zentrums andre Saiten aufziehn werden,
wenn sie die endgiltige Gewißheit haben, daß die Regierung unwiderruflich
entschlossen ist, dem bisherigen finanzpolitischen Zustande unter allen Umständen
ein Ende zu machen. Lasse man also nur den vollen Ernst der Situation heran¬
kommen! Dann wollen wir sehen.




Ungarn
Albin Geyer von(Schluß)

le schon gesagt wurde, ist der Kreis, aus dem sich die Macht¬
haber in Ungarn zusammensetzen, sehr eng begrenzt. Die ur¬
sprünglichen Lenker des Staats, der höhere und der niedre
Adel, vermorscht in seinem politischen und wirtschaftlichen Kern
Zimmer mehr und wird durch die sich an ihm emporrankenden
und zum Teil sehr wenig rücksichtsvollen Elemente der Börse allmählich bei¬
seite geschoben; er kommt zu gewissen Zeiten nur noch als hergebrachte SchauMZ


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spähn, als er in der Etatsdebatte zum zweitenmal das Wort ergriff, an der
Negierung Revanche für die Abweisung des Diätenbegehrens nehmen wollte
— dem Zentrum ist dies in der Tat eine der bittersten Pillen, die man ihm
hätte bieten können —; jedenfalls hat der Wortführer des Zentrums mit
aller nur möglichen Schärfe erklärt, daß Ausgaben, für die in den eignen
Einnahmen des Reiches keine Deckung zu finden ist, fortan entweder durch
Erhöhung der Matrikularbeiträge bestritten werden oder aber, auch wenn sie
als notwendig anerkannt worden sind, unterbleiben sollen. Bis auf weiteres
ist dies des Zentrums letztes Wort.

Die ehemaligen Kartcllparteien, Konservative und Nationalliberale, stehn
selbstverständlich, wie schon immer in dieser Finanzreformfrage, auf feiten der
Regierung. Aber damit ist wenig geholfen, solange das Zentrum in der
starren Negation verharrt. Für die, denen die Ewigkeit und die Unverrück
harten dieser Negation über allem Zweifel steht, ist damit die Finanzreform
aussichtslos. Wie viele sind es aber, die wirklich mit diesem Glauben be¬
haftet sind? Das Zentrum kann, wenn es sein muß, auch anders, das
würde man im vorliegenden Falle nicht zum erstenmal erfahren. Aber es
muß ihm nur erst klar geworden sein, daß es in der Tat nicht anders
geht. Dazu bedarf es von der Negierung, und zwar von ihrer eindrucks¬
vollsten Stelle aus, einer sehr viel deutlichern Sprache, als sie der ausschlag¬
gebenden Partei gegenüber bisher geführt worden ist. Das Zentrum mit
irgendwelchen Konzessionen auf einem andern Gebiete gewinnen zu wollen,
würde in dem vorliegenden Falle der unglücklichste Weg sein, den die Re¬
gierung einschlagen könnte. Man wird sie eines solchen Fehlers nicht für
fähig halten wollen. Dagegen erscheint die Erwartung keineswegs unbegründet,
daß die besonnenen Führer des Zentrums andre Saiten aufziehn werden,
wenn sie die endgiltige Gewißheit haben, daß die Regierung unwiderruflich
entschlossen ist, dem bisherigen finanzpolitischen Zustande unter allen Umständen
ein Ende zu machen. Lasse man also nur den vollen Ernst der Situation heran¬
kommen! Dann wollen wir sehen.




Ungarn
Albin Geyer von(Schluß)

le schon gesagt wurde, ist der Kreis, aus dem sich die Macht¬
haber in Ungarn zusammensetzen, sehr eng begrenzt. Die ur¬
sprünglichen Lenker des Staats, der höhere und der niedre
Adel, vermorscht in seinem politischen und wirtschaftlichen Kern
Zimmer mehr und wird durch die sich an ihm emporrankenden
und zum Teil sehr wenig rücksichtsvollen Elemente der Börse allmählich bei¬
seite geschoben; er kommt zu gewissen Zeiten nur noch als hergebrachte SchauMZ


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[0667] Ungarn spähn, als er in der Etatsdebatte zum zweitenmal das Wort ergriff, an der Negierung Revanche für die Abweisung des Diätenbegehrens nehmen wollte — dem Zentrum ist dies in der Tat eine der bittersten Pillen, die man ihm hätte bieten können —; jedenfalls hat der Wortführer des Zentrums mit aller nur möglichen Schärfe erklärt, daß Ausgaben, für die in den eignen Einnahmen des Reiches keine Deckung zu finden ist, fortan entweder durch Erhöhung der Matrikularbeiträge bestritten werden oder aber, auch wenn sie als notwendig anerkannt worden sind, unterbleiben sollen. Bis auf weiteres ist dies des Zentrums letztes Wort. Die ehemaligen Kartcllparteien, Konservative und Nationalliberale, stehn selbstverständlich, wie schon immer in dieser Finanzreformfrage, auf feiten der Regierung. Aber damit ist wenig geholfen, solange das Zentrum in der starren Negation verharrt. Für die, denen die Ewigkeit und die Unverrück harten dieser Negation über allem Zweifel steht, ist damit die Finanzreform aussichtslos. Wie viele sind es aber, die wirklich mit diesem Glauben be¬ haftet sind? Das Zentrum kann, wenn es sein muß, auch anders, das würde man im vorliegenden Falle nicht zum erstenmal erfahren. Aber es muß ihm nur erst klar geworden sein, daß es in der Tat nicht anders geht. Dazu bedarf es von der Negierung, und zwar von ihrer eindrucks¬ vollsten Stelle aus, einer sehr viel deutlichern Sprache, als sie der ausschlag¬ gebenden Partei gegenüber bisher geführt worden ist. Das Zentrum mit irgendwelchen Konzessionen auf einem andern Gebiete gewinnen zu wollen, würde in dem vorliegenden Falle der unglücklichste Weg sein, den die Re¬ gierung einschlagen könnte. Man wird sie eines solchen Fehlers nicht für fähig halten wollen. Dagegen erscheint die Erwartung keineswegs unbegründet, daß die besonnenen Führer des Zentrums andre Saiten aufziehn werden, wenn sie die endgiltige Gewißheit haben, daß die Regierung unwiderruflich entschlossen ist, dem bisherigen finanzpolitischen Zustande unter allen Umständen ein Ende zu machen. Lasse man also nur den vollen Ernst der Situation heran¬ kommen! Dann wollen wir sehen. Ungarn Albin Geyer von(Schluß) le schon gesagt wurde, ist der Kreis, aus dem sich die Macht¬ haber in Ungarn zusammensetzen, sehr eng begrenzt. Die ur¬ sprünglichen Lenker des Staats, der höhere und der niedre Adel, vermorscht in seinem politischen und wirtschaftlichen Kern Zimmer mehr und wird durch die sich an ihm emporrankenden und zum Teil sehr wenig rücksichtsvollen Elemente der Börse allmählich bei¬ seite geschoben; er kommt zu gewissen Zeiten nur noch als hergebrachte SchauMZ

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/667>, abgerufen am 03.05.2024.