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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

ist man schon bei 13200 Tonnen angelangt, und unsre Werften werden auch noch
größere Schiffe bauen können, ohne den Tiefgang besonders erhöhen zu müssen. Die
Erfahrungen des russisch-japanischen Seekriegs werden für die Seemächte ein An¬
trieb sein, Zahl und Kampfstarke ihrer Linienschiffe zu vermehren. Denn entgegen
den in Laienkreisen vielfach herrschenden Ansichten hat der gegenwärtige Krieg den
Wert der Linienschiffe ins hellste Licht gesetzt. Unter unsern Seeoffizieren herrscht
darüber nur eine Meinung, und im englischen Parlament hat Lord Selborne, der
erste Lord der Admiralität, sich in demselben Sinne ausgesprochen.*) Die Erfolge
der japanischen Torpedoboote und Minenleger waren nur möglich, weil die Liuien-
schiffsflotte ihnen Rückhalt und Schutz gewährte. In der Seeschlacht vom 10. August
haben die Torpedoboote vollständig versagt, durch das Feuer der japanischen Linien¬
schiffe wurde Admiral Uchtomski mit seinen Schiffen nach Port Arthur zurückge¬
trieben. Die Furcht vor den feindlichen Linienschiffen hielt das russische Geschwader
in den Hafen gebannt. Es mag paradox klingen, es ist aber doch so, daß der
Erfolg des Kriegs für Japan hauptsächlich vom Vorhandensein der ihm noch ge-
bliebner vier großen Linienschlachtschiffe abhängt. Gelänge es der baltischen Flotte,
vielleicht verstärkt durch Trümmer des ersten ostasiatischen Geschwaders, den Japanern
die Seeherrschaft abzugewinnen, so wäre die japanische Mandschureiarmee der Ver¬
nichtung preisgegeben.

Trotz aller Agitation des Flottenvereins gebricht es unserm Volke immer noch,
auch in seinen marinefrenndlich gesinnten Teilen, an dem rechten Verständnis dafür,
daß der Nation kein Opfer zu groß sein darf, wenn sie ihre politische und wirt¬
schaftliche Weltstellung behaupten will. Man glaubt mit der Bewilligung der
beiden Flottengesetze auf absehbare Zeit genug getan zu haben. Als das erste
Flottengesetz zur Beratung stand, sagten fortschrittliche und andre Doktrinäre den
finanziellen Zusnmmenbrnch des Reichs voraus. Inzwischen ist auch das zweite
Flottengesetz angenommen worden, und wer lächelte heute nicht über jene Prophezeiung!
Keine Ausgabe verzinst sich einem Volke reichlicher als die für Schaffung einer
starken, unangreifbar machenden Rüstung aufgewandte. Das hat Rußland zu seinem
Schaden erfahren müssen. Eine gut ausgebildete, der japanischen überlegne ost¬
asiatische Flotte hätte es vor einem Kriege bewahrt, der es nun Milliarden von
Rubel, Hunderttausende von Menschenleben und eine noch gar nicht meßbare Ver¬
ringerung seines Ansehens kostet. Wir Deutschen mögen aber beherzigen, daß durch
die jüngst angeordnete Neuverteilung der britischen Seestreitkräfte der Schwerpunkt
der englischen Seemacht aus dem Mittelmeer in die Nordsee verlegt worden ist!


In der zwölften Stunde.

Horch, wie es in dem Turm anfängt zu
rasseln und zu rauschen! Die Räder knarren und ächzen, die Uhr hebt aus. es
will schlagen. Da schlägt es schon an die Glocke der Weltgeschichte; es schlägt
Zwölf. Es ist Mitternacht, und über Europa geht ein neuer Tag an.

Guten Morgen allerseits! Prosit Neujahr!

Wie kommt es, daß sich die Menschen mitten in der Nacht, wenn noch alles
finster ist, schon guten Morgen wünschen? Können sich nicht erwarten? Und wie
geht das zu, daß wir um Mitternacht anfangen von eins bis zwölf zu zählen und
dann am nächsten Tage, wenn die Sonne den höchsten Stand erreicht hat, noch¬
mals von eins bis zwölf zählen und ganz eigentlich die Nacht zum Tage machen?
Ist das nicht recht unnatürlich? Wonach richten wir uns denn? Wie messen wir
die unendliche Zeit, die rastlos weiterfließt und dahinrinnt wie ein Bach?

Wirklich war im Altertum ein Bächlein identisch mit der Zeit. Als Zeitmaß
für die Dauer einer Rede diente an den athenischen Gerichtshöfen und seit dem
Jahre 52 v. Chr. anch in Rom das Wasser. Nnmlich das Quantum Wasser, das
in einer gewissen Frist aus einem kegelförmigen Durchschlag in ein andres Gefäß



*) Ebenso der neugewählte Präsident Roosevelt in seiner Botschaft an den Kongreß.
Grenzboten IV 1904 104
Maßgebliches und Unmaßgebliches

ist man schon bei 13200 Tonnen angelangt, und unsre Werften werden auch noch
größere Schiffe bauen können, ohne den Tiefgang besonders erhöhen zu müssen. Die
Erfahrungen des russisch-japanischen Seekriegs werden für die Seemächte ein An¬
trieb sein, Zahl und Kampfstarke ihrer Linienschiffe zu vermehren. Denn entgegen
den in Laienkreisen vielfach herrschenden Ansichten hat der gegenwärtige Krieg den
Wert der Linienschiffe ins hellste Licht gesetzt. Unter unsern Seeoffizieren herrscht
darüber nur eine Meinung, und im englischen Parlament hat Lord Selborne, der
erste Lord der Admiralität, sich in demselben Sinne ausgesprochen.*) Die Erfolge
der japanischen Torpedoboote und Minenleger waren nur möglich, weil die Liuien-
schiffsflotte ihnen Rückhalt und Schutz gewährte. In der Seeschlacht vom 10. August
haben die Torpedoboote vollständig versagt, durch das Feuer der japanischen Linien¬
schiffe wurde Admiral Uchtomski mit seinen Schiffen nach Port Arthur zurückge¬
trieben. Die Furcht vor den feindlichen Linienschiffen hielt das russische Geschwader
in den Hafen gebannt. Es mag paradox klingen, es ist aber doch so, daß der
Erfolg des Kriegs für Japan hauptsächlich vom Vorhandensein der ihm noch ge-
bliebner vier großen Linienschlachtschiffe abhängt. Gelänge es der baltischen Flotte,
vielleicht verstärkt durch Trümmer des ersten ostasiatischen Geschwaders, den Japanern
die Seeherrschaft abzugewinnen, so wäre die japanische Mandschureiarmee der Ver¬
nichtung preisgegeben.

Trotz aller Agitation des Flottenvereins gebricht es unserm Volke immer noch,
auch in seinen marinefrenndlich gesinnten Teilen, an dem rechten Verständnis dafür,
daß der Nation kein Opfer zu groß sein darf, wenn sie ihre politische und wirt¬
schaftliche Weltstellung behaupten will. Man glaubt mit der Bewilligung der
beiden Flottengesetze auf absehbare Zeit genug getan zu haben. Als das erste
Flottengesetz zur Beratung stand, sagten fortschrittliche und andre Doktrinäre den
finanziellen Zusnmmenbrnch des Reichs voraus. Inzwischen ist auch das zweite
Flottengesetz angenommen worden, und wer lächelte heute nicht über jene Prophezeiung!
Keine Ausgabe verzinst sich einem Volke reichlicher als die für Schaffung einer
starken, unangreifbar machenden Rüstung aufgewandte. Das hat Rußland zu seinem
Schaden erfahren müssen. Eine gut ausgebildete, der japanischen überlegne ost¬
asiatische Flotte hätte es vor einem Kriege bewahrt, der es nun Milliarden von
Rubel, Hunderttausende von Menschenleben und eine noch gar nicht meßbare Ver¬
ringerung seines Ansehens kostet. Wir Deutschen mögen aber beherzigen, daß durch
die jüngst angeordnete Neuverteilung der britischen Seestreitkräfte der Schwerpunkt
der englischen Seemacht aus dem Mittelmeer in die Nordsee verlegt worden ist!


In der zwölften Stunde.

Horch, wie es in dem Turm anfängt zu
rasseln und zu rauschen! Die Räder knarren und ächzen, die Uhr hebt aus. es
will schlagen. Da schlägt es schon an die Glocke der Weltgeschichte; es schlägt
Zwölf. Es ist Mitternacht, und über Europa geht ein neuer Tag an.

Guten Morgen allerseits! Prosit Neujahr!

Wie kommt es, daß sich die Menschen mitten in der Nacht, wenn noch alles
finster ist, schon guten Morgen wünschen? Können sich nicht erwarten? Und wie
geht das zu, daß wir um Mitternacht anfangen von eins bis zwölf zu zählen und
dann am nächsten Tage, wenn die Sonne den höchsten Stand erreicht hat, noch¬
mals von eins bis zwölf zählen und ganz eigentlich die Nacht zum Tage machen?
Ist das nicht recht unnatürlich? Wonach richten wir uns denn? Wie messen wir
die unendliche Zeit, die rastlos weiterfließt und dahinrinnt wie ein Bach?

Wirklich war im Altertum ein Bächlein identisch mit der Zeit. Als Zeitmaß
für die Dauer einer Rede diente an den athenischen Gerichtshöfen und seit dem
Jahre 52 v. Chr. anch in Rom das Wasser. Nnmlich das Quantum Wasser, das
in einer gewissen Frist aus einem kegelförmigen Durchschlag in ein andres Gefäß



*) Ebenso der neugewählte Präsident Roosevelt in seiner Botschaft an den Kongreß.
Grenzboten IV 1904 104
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[0777] Maßgebliches und Unmaßgebliches ist man schon bei 13200 Tonnen angelangt, und unsre Werften werden auch noch größere Schiffe bauen können, ohne den Tiefgang besonders erhöhen zu müssen. Die Erfahrungen des russisch-japanischen Seekriegs werden für die Seemächte ein An¬ trieb sein, Zahl und Kampfstarke ihrer Linienschiffe zu vermehren. Denn entgegen den in Laienkreisen vielfach herrschenden Ansichten hat der gegenwärtige Krieg den Wert der Linienschiffe ins hellste Licht gesetzt. Unter unsern Seeoffizieren herrscht darüber nur eine Meinung, und im englischen Parlament hat Lord Selborne, der erste Lord der Admiralität, sich in demselben Sinne ausgesprochen.*) Die Erfolge der japanischen Torpedoboote und Minenleger waren nur möglich, weil die Liuien- schiffsflotte ihnen Rückhalt und Schutz gewährte. In der Seeschlacht vom 10. August haben die Torpedoboote vollständig versagt, durch das Feuer der japanischen Linien¬ schiffe wurde Admiral Uchtomski mit seinen Schiffen nach Port Arthur zurückge¬ trieben. Die Furcht vor den feindlichen Linienschiffen hielt das russische Geschwader in den Hafen gebannt. Es mag paradox klingen, es ist aber doch so, daß der Erfolg des Kriegs für Japan hauptsächlich vom Vorhandensein der ihm noch ge- bliebner vier großen Linienschlachtschiffe abhängt. Gelänge es der baltischen Flotte, vielleicht verstärkt durch Trümmer des ersten ostasiatischen Geschwaders, den Japanern die Seeherrschaft abzugewinnen, so wäre die japanische Mandschureiarmee der Ver¬ nichtung preisgegeben. Trotz aller Agitation des Flottenvereins gebricht es unserm Volke immer noch, auch in seinen marinefrenndlich gesinnten Teilen, an dem rechten Verständnis dafür, daß der Nation kein Opfer zu groß sein darf, wenn sie ihre politische und wirt¬ schaftliche Weltstellung behaupten will. Man glaubt mit der Bewilligung der beiden Flottengesetze auf absehbare Zeit genug getan zu haben. Als das erste Flottengesetz zur Beratung stand, sagten fortschrittliche und andre Doktrinäre den finanziellen Zusnmmenbrnch des Reichs voraus. Inzwischen ist auch das zweite Flottengesetz angenommen worden, und wer lächelte heute nicht über jene Prophezeiung! Keine Ausgabe verzinst sich einem Volke reichlicher als die für Schaffung einer starken, unangreifbar machenden Rüstung aufgewandte. Das hat Rußland zu seinem Schaden erfahren müssen. Eine gut ausgebildete, der japanischen überlegne ost¬ asiatische Flotte hätte es vor einem Kriege bewahrt, der es nun Milliarden von Rubel, Hunderttausende von Menschenleben und eine noch gar nicht meßbare Ver¬ ringerung seines Ansehens kostet. Wir Deutschen mögen aber beherzigen, daß durch die jüngst angeordnete Neuverteilung der britischen Seestreitkräfte der Schwerpunkt der englischen Seemacht aus dem Mittelmeer in die Nordsee verlegt worden ist! In der zwölften Stunde. Horch, wie es in dem Turm anfängt zu rasseln und zu rauschen! Die Räder knarren und ächzen, die Uhr hebt aus. es will schlagen. Da schlägt es schon an die Glocke der Weltgeschichte; es schlägt Zwölf. Es ist Mitternacht, und über Europa geht ein neuer Tag an. Guten Morgen allerseits! Prosit Neujahr! Wie kommt es, daß sich die Menschen mitten in der Nacht, wenn noch alles finster ist, schon guten Morgen wünschen? Können sich nicht erwarten? Und wie geht das zu, daß wir um Mitternacht anfangen von eins bis zwölf zu zählen und dann am nächsten Tage, wenn die Sonne den höchsten Stand erreicht hat, noch¬ mals von eins bis zwölf zählen und ganz eigentlich die Nacht zum Tage machen? Ist das nicht recht unnatürlich? Wonach richten wir uns denn? Wie messen wir die unendliche Zeit, die rastlos weiterfließt und dahinrinnt wie ein Bach? Wirklich war im Altertum ein Bächlein identisch mit der Zeit. Als Zeitmaß für die Dauer einer Rede diente an den athenischen Gerichtshöfen und seit dem Jahre 52 v. Chr. anch in Rom das Wasser. Nnmlich das Quantum Wasser, das in einer gewissen Frist aus einem kegelförmigen Durchschlag in ein andres Gefäß *) Ebenso der neugewählte Präsident Roosevelt in seiner Botschaft an den Kongreß. Grenzboten IV 1904 104

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/777>, abgerufen am 03.05.2024.