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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

ist gerecht, das heißt, die Wirkung entspricht in ihr genau der Ursache. Wäre
dies auch im geistigen Leben des Menschen der Fall, so gäbe es keine Lüge, die
Menschheit wäre vollkommen. Aber für eine vollkommne Menschheit wäre dieses
Erdenleben überflüssig, denn Vollkommenheit schließt jede Entwicklung aus, und
alles, was Leben heißt, ist Entwicklung." "Seine Schönheit übertrug der Vater
auf den göttlichen Sohn. ... Er war der Sohn der Natur, die in ihm das
erstemal den reinen Ausdruck des Gottmenschentums fand, worin sie sich selbst er¬
höhte; denn in ihr ist alles Kampf und Selbsterhaltungstrieb, und in ihm ist alles
Liebe und Selbstentäußerung. . . . Aus seiner Schönheit schöpfen die höchsten
Künstler der nachfolgenden Zeiten den Geist der Schönheit; wenn sie auch von
den edeln Griechen die Form lernten, und wenn auch das völkerverjüngende ger¬
manische Herz in ihnen schlug. Aber in Christus war das Beste aller Völker in
einem dargestellt: es mußte das Beste des Menschentums in ihm dargestellt sein,
denn er war der Gottmensch." "Die Hauptsache sin allen biologischen Theorieuj
ist, daß der Mensch ein Glied der natürlichen Entwicklungsreihe ist, die höchste
Stufe, die die Natur in Ausbildung ihrer Organismen erreicht but, und in welchem
sie die Unzerstörbarkeit der Art zu einer Unzerstörbarkeit des Individuums steigerte.
Denn die Idee einer Entwicklung der Organismen kann im Gegensah zur Schöpfungs¬
lehre doch nichts andres sagen, als daß die Natur die Idee einer niedern Art
bewahrt und unzerstörbar macht, indem sie sie zu einer höhern Art emporbildet.
So sind im höchsten Organismus, im menschlichen, alle Ideen der niedern Arten
bewahrt, wie dies biologisch die Wissenschaft am menschlichen Fötus noch heute
nachweisen will. Wenn sich uun der Mensch auf diesem Planeten von der Monade
an im Laufe von Millionen Jahren emporgebildet hat, so will dies nichts andres
sagen, als daß er die letzte bekannte Wirkung einer ersten unbekannten Ursache
ist. . . . Wer der Entwicklung des Tieres zum Menschen auf sogenanntem wissen¬
schaftlichen Wege nachgehn will, begibt sich in die Irre. Denn wir kennen keine
Ursache, die das Tier zum Menschen erhoben hat, wenn es nicht dieselbe Ursache
ist, die dem Urnebel den ersten Anstoß zur Bewegung gegeben hat, oder die aus
dem anorganischen Stoffe die erste organische Zelle hervorgehn ließ." "Man weiß,
daß die Differenzierung der Menschen desto schärfer wird, je höher die Kulturstufe
ist, die erreicht wurde. Ein bedeutender Naturforscher, Le Bon, sagt, daß die
Zivilisation, weit entfernt, die zwischen den Menschen bestehenden Unterschiede zurück¬
zudrängen, sie vielmehr vergrößere. Gegen den Traum einer künftigen gesellschaft¬
lichen Gleichheit kann vielmehr behauptet werden, daß wir uns in der Richtung
einer sich immer schärfer ausprägenden Ungleichheit bewegen." "Bildung ist Ge¬
stalt des innern Menschen. Wenn uns der Charakter sagt, was einer ist, so sagt
uns die Bildung, wie er ist." "So hat der einfache und ungelehrte Mensch, der
Liebe zu seinen Mitgeschöpfen trägt, in der Bildung seines Wesens mehr Geist
als der Gelehrteste, dem sie fehlt. Und solch eine Liebe hat keinen andern Lohn
weder in dieser noch in einer der andern unzähligen Welten, als ihre eigne Licht¬
natur. Daß aber eine solche sich aus dem dunkeln tiermcnschlichen Grunde heraus¬
entwickelt hat, gibt uns die Überzeugung, daß vor aller Tiernatur eine Lichtnatur
wesenhaft wirklich ist, und gibt uus die Hoffnung, daß die ganze Entwicklung des
Menschengeschlechts in der Richtung der Ursprünglichkeit geht, die jene Lichtnatur
bezeichnet, die der Gottmensch ist."


Botterhexe.

In der Geschichte, die in Frenssens Jörn Abt Heim Heide-
rieter erzählt, sagt der Bootsmann zu dem schelmischen Mädchen, das neugierig zu
ihm kommt, um seinen langen Bart zu sehen: "Wer hat dich hergeschickt, du
Botterhexe?" Was das bedeuten soll, rät jeder, es ist ein halb scheidender,
halb schmeichelnder Ausdruck; Hexe allein würde dasselbe sagen, es gehört zu den
Wörtern, die, eigentlich Scheit- und Schimpfwörter, in scherzhaftem Gebrauch oft
den Sinn von Liebkosungen annehmen, wie etwa Schelm, Schalk, Kröte u. a.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

ist gerecht, das heißt, die Wirkung entspricht in ihr genau der Ursache. Wäre
dies auch im geistigen Leben des Menschen der Fall, so gäbe es keine Lüge, die
Menschheit wäre vollkommen. Aber für eine vollkommne Menschheit wäre dieses
Erdenleben überflüssig, denn Vollkommenheit schließt jede Entwicklung aus, und
alles, was Leben heißt, ist Entwicklung." „Seine Schönheit übertrug der Vater
auf den göttlichen Sohn. ... Er war der Sohn der Natur, die in ihm das
erstemal den reinen Ausdruck des Gottmenschentums fand, worin sie sich selbst er¬
höhte; denn in ihr ist alles Kampf und Selbsterhaltungstrieb, und in ihm ist alles
Liebe und Selbstentäußerung. . . . Aus seiner Schönheit schöpfen die höchsten
Künstler der nachfolgenden Zeiten den Geist der Schönheit; wenn sie auch von
den edeln Griechen die Form lernten, und wenn auch das völkerverjüngende ger¬
manische Herz in ihnen schlug. Aber in Christus war das Beste aller Völker in
einem dargestellt: es mußte das Beste des Menschentums in ihm dargestellt sein,
denn er war der Gottmensch." „Die Hauptsache sin allen biologischen Theorieuj
ist, daß der Mensch ein Glied der natürlichen Entwicklungsreihe ist, die höchste
Stufe, die die Natur in Ausbildung ihrer Organismen erreicht but, und in welchem
sie die Unzerstörbarkeit der Art zu einer Unzerstörbarkeit des Individuums steigerte.
Denn die Idee einer Entwicklung der Organismen kann im Gegensah zur Schöpfungs¬
lehre doch nichts andres sagen, als daß die Natur die Idee einer niedern Art
bewahrt und unzerstörbar macht, indem sie sie zu einer höhern Art emporbildet.
So sind im höchsten Organismus, im menschlichen, alle Ideen der niedern Arten
bewahrt, wie dies biologisch die Wissenschaft am menschlichen Fötus noch heute
nachweisen will. Wenn sich uun der Mensch auf diesem Planeten von der Monade
an im Laufe von Millionen Jahren emporgebildet hat, so will dies nichts andres
sagen, als daß er die letzte bekannte Wirkung einer ersten unbekannten Ursache
ist. . . . Wer der Entwicklung des Tieres zum Menschen auf sogenanntem wissen¬
schaftlichen Wege nachgehn will, begibt sich in die Irre. Denn wir kennen keine
Ursache, die das Tier zum Menschen erhoben hat, wenn es nicht dieselbe Ursache
ist, die dem Urnebel den ersten Anstoß zur Bewegung gegeben hat, oder die aus
dem anorganischen Stoffe die erste organische Zelle hervorgehn ließ." „Man weiß,
daß die Differenzierung der Menschen desto schärfer wird, je höher die Kulturstufe
ist, die erreicht wurde. Ein bedeutender Naturforscher, Le Bon, sagt, daß die
Zivilisation, weit entfernt, die zwischen den Menschen bestehenden Unterschiede zurück¬
zudrängen, sie vielmehr vergrößere. Gegen den Traum einer künftigen gesellschaft¬
lichen Gleichheit kann vielmehr behauptet werden, daß wir uns in der Richtung
einer sich immer schärfer ausprägenden Ungleichheit bewegen." „Bildung ist Ge¬
stalt des innern Menschen. Wenn uns der Charakter sagt, was einer ist, so sagt
uns die Bildung, wie er ist." „So hat der einfache und ungelehrte Mensch, der
Liebe zu seinen Mitgeschöpfen trägt, in der Bildung seines Wesens mehr Geist
als der Gelehrteste, dem sie fehlt. Und solch eine Liebe hat keinen andern Lohn
weder in dieser noch in einer der andern unzähligen Welten, als ihre eigne Licht¬
natur. Daß aber eine solche sich aus dem dunkeln tiermcnschlichen Grunde heraus¬
entwickelt hat, gibt uns die Überzeugung, daß vor aller Tiernatur eine Lichtnatur
wesenhaft wirklich ist, und gibt uus die Hoffnung, daß die ganze Entwicklung des
Menschengeschlechts in der Richtung der Ursprünglichkeit geht, die jene Lichtnatur
bezeichnet, die der Gottmensch ist."


Botterhexe.

In der Geschichte, die in Frenssens Jörn Abt Heim Heide-
rieter erzählt, sagt der Bootsmann zu dem schelmischen Mädchen, das neugierig zu
ihm kommt, um seinen langen Bart zu sehen: „Wer hat dich hergeschickt, du
Botterhexe?" Was das bedeuten soll, rät jeder, es ist ein halb scheidender,
halb schmeichelnder Ausdruck; Hexe allein würde dasselbe sagen, es gehört zu den
Wörtern, die, eigentlich Scheit- und Schimpfwörter, in scherzhaftem Gebrauch oft
den Sinn von Liebkosungen annehmen, wie etwa Schelm, Schalk, Kröte u. a.


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[0781] Maßgebliches und Unmaßgebliches ist gerecht, das heißt, die Wirkung entspricht in ihr genau der Ursache. Wäre dies auch im geistigen Leben des Menschen der Fall, so gäbe es keine Lüge, die Menschheit wäre vollkommen. Aber für eine vollkommne Menschheit wäre dieses Erdenleben überflüssig, denn Vollkommenheit schließt jede Entwicklung aus, und alles, was Leben heißt, ist Entwicklung." „Seine Schönheit übertrug der Vater auf den göttlichen Sohn. ... Er war der Sohn der Natur, die in ihm das erstemal den reinen Ausdruck des Gottmenschentums fand, worin sie sich selbst er¬ höhte; denn in ihr ist alles Kampf und Selbsterhaltungstrieb, und in ihm ist alles Liebe und Selbstentäußerung. . . . Aus seiner Schönheit schöpfen die höchsten Künstler der nachfolgenden Zeiten den Geist der Schönheit; wenn sie auch von den edeln Griechen die Form lernten, und wenn auch das völkerverjüngende ger¬ manische Herz in ihnen schlug. Aber in Christus war das Beste aller Völker in einem dargestellt: es mußte das Beste des Menschentums in ihm dargestellt sein, denn er war der Gottmensch." „Die Hauptsache sin allen biologischen Theorieuj ist, daß der Mensch ein Glied der natürlichen Entwicklungsreihe ist, die höchste Stufe, die die Natur in Ausbildung ihrer Organismen erreicht but, und in welchem sie die Unzerstörbarkeit der Art zu einer Unzerstörbarkeit des Individuums steigerte. Denn die Idee einer Entwicklung der Organismen kann im Gegensah zur Schöpfungs¬ lehre doch nichts andres sagen, als daß die Natur die Idee einer niedern Art bewahrt und unzerstörbar macht, indem sie sie zu einer höhern Art emporbildet. So sind im höchsten Organismus, im menschlichen, alle Ideen der niedern Arten bewahrt, wie dies biologisch die Wissenschaft am menschlichen Fötus noch heute nachweisen will. Wenn sich uun der Mensch auf diesem Planeten von der Monade an im Laufe von Millionen Jahren emporgebildet hat, so will dies nichts andres sagen, als daß er die letzte bekannte Wirkung einer ersten unbekannten Ursache ist. . . . Wer der Entwicklung des Tieres zum Menschen auf sogenanntem wissen¬ schaftlichen Wege nachgehn will, begibt sich in die Irre. Denn wir kennen keine Ursache, die das Tier zum Menschen erhoben hat, wenn es nicht dieselbe Ursache ist, die dem Urnebel den ersten Anstoß zur Bewegung gegeben hat, oder die aus dem anorganischen Stoffe die erste organische Zelle hervorgehn ließ." „Man weiß, daß die Differenzierung der Menschen desto schärfer wird, je höher die Kulturstufe ist, die erreicht wurde. Ein bedeutender Naturforscher, Le Bon, sagt, daß die Zivilisation, weit entfernt, die zwischen den Menschen bestehenden Unterschiede zurück¬ zudrängen, sie vielmehr vergrößere. Gegen den Traum einer künftigen gesellschaft¬ lichen Gleichheit kann vielmehr behauptet werden, daß wir uns in der Richtung einer sich immer schärfer ausprägenden Ungleichheit bewegen." „Bildung ist Ge¬ stalt des innern Menschen. Wenn uns der Charakter sagt, was einer ist, so sagt uns die Bildung, wie er ist." „So hat der einfache und ungelehrte Mensch, der Liebe zu seinen Mitgeschöpfen trägt, in der Bildung seines Wesens mehr Geist als der Gelehrteste, dem sie fehlt. Und solch eine Liebe hat keinen andern Lohn weder in dieser noch in einer der andern unzähligen Welten, als ihre eigne Licht¬ natur. Daß aber eine solche sich aus dem dunkeln tiermcnschlichen Grunde heraus¬ entwickelt hat, gibt uns die Überzeugung, daß vor aller Tiernatur eine Lichtnatur wesenhaft wirklich ist, und gibt uus die Hoffnung, daß die ganze Entwicklung des Menschengeschlechts in der Richtung der Ursprünglichkeit geht, die jene Lichtnatur bezeichnet, die der Gottmensch ist." Botterhexe. In der Geschichte, die in Frenssens Jörn Abt Heim Heide- rieter erzählt, sagt der Bootsmann zu dem schelmischen Mädchen, das neugierig zu ihm kommt, um seinen langen Bart zu sehen: „Wer hat dich hergeschickt, du Botterhexe?" Was das bedeuten soll, rät jeder, es ist ein halb scheidender, halb schmeichelnder Ausdruck; Hexe allein würde dasselbe sagen, es gehört zu den Wörtern, die, eigentlich Scheit- und Schimpfwörter, in scherzhaftem Gebrauch oft den Sinn von Liebkosungen annehmen, wie etwa Schelm, Schalk, Kröte u. a.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/781>, abgerufen am 03.05.2024.