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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Marokko.

Wo aller Augen seit vielen Monaten mit banger Sorge oder aber
doch mit gespannter Erwartung des zu Befürchtenden oder zu Erhoffenden auf die
Nordwestecke des dunkeln Weltteils gerichtet sind, heißen wir ein Buch*) willkommen,
das gerade zur rechten Zeit erscheint, daß es uns diesen "vordersten," darum aber
um so unbekannten: Orient einmal in knappen aber scharfen Zügen, wie wir sie
eben bei Schanz gewohnt sind, vor Augen rücke. Es ist kein sprühend oder blühend
geschriebnes Büchlein, mit dem uns der bewährte Verfasser diesesmal beglückt; im
Gegenteil, man merkt ihm hier die dem "Weltreisenden" ungewohnte Arbeit an,
einmal tiefgründigen geschichtlichen Boden beackern zu müssen. Etwas mühsam, aber
doch mit bemerkenswerter Gewandtheit arbeitet sich der Verfasser demgemäß durch
den umfangreichen Stoff hindurch: in zehn Kapiteln gibt er zunächst eine General¬
übersicht über die Natur des gesamten Nordafrika, die Geschichte und das Volkstum
seiner Bewohner; in analoger aber erweiterter Form behandelt er darauf das für uns
weit wichtigere Marokko nach seiner Geschichte, seinen Bodenschätzen, den wirtschaftlichen,
den politischen und den religiösen Verhältnissen seiner Bewohner. Den Schluß bildet
eine Skizze der französischen Pläne, wie sie sich unsre Nachbarn vor dem Ein¬
greifen der deutschen Regierung -- Schanz hat sein Buch schon am Beginn des
Jahres abgeschlossen -- ausgemalt und gedacht hatten. Etwas anders dürfte sich
die Entwicklung des "Mghreb el Aksa" in Zukunft doch Wohl gestalten. Der Wert
des gerade in seiner Knappheit guten Buchs wird durch einige Unrichtigkeiten im
Ausdruck (Tunregs statt Tuareg, dann das schreckliche sächsische Rester) nicht ge¬
sch U. Weule mälert.


Vom Neuen Testament.

Allen Gebildeten, die sich über die Ergebnisse
der Bibelkritik in Beziehung auf das Neue Testament unterrichten wollen, sei das kleine
Buch warm empfohlen: Urchristliche Litercitnrgeschichte von Dr. Hermann
Freiherrn von Soden. (Berlin, Alexander Duncker, 1905.) Es beruht auf
gründlicher Gelehrsamkeit und selbständiger Forschung, ist aber nicht in ungenie߬
barer Gelehrtensprache geschrieben, sondern befriedigt Geist und Gemüt durch innige
Religiosität und durch eine Gestaltungskraft, die uns die Personen und die Zustände
der apostolischen und der nachapostolischen Zeit in anmutenden Bildern von über¬
zeugender Lebenswahrheit vorführt. Und dem gläubigen Sinne gewährt es die
tröstliche Gewißheit, daß das gewaltige Werk der neutestamentlichen Kritik, an dein
anderthalb Jahrhunderte gearbeitet habe", der Kirche zum Heile aufgeschlagen ist.
Absolute Gewißheit ist freilich auf diesem Gebiete nicht zu erreichen, aber die an
Gewißheit grenzende Wahrscheinlichkeit, mit der sich der Vernünftige begnügt, muß
man Sodens Ergebnissen zugestehn; begründete abweichende Meinungen sind nur
in Beziehung auf untergeordnete Punkte möglich. Die Hyperkrllik ist überwunden.
Jesus und Paulus für mythische Personen zu halten, wofür sie jetzt Kalthoff wieder
ausgibt.kann keinem nüchternen Kritiker mehr einfallen. Echt sind von den paulimschen
Briefen der erste an die Thessalonicher. die zwei nach Korinth. der an dre Gemeinden
Galatiens. der an die Christen in Rom (Kap. 10 Vers 1 bis 20 ist wahychem ich
ein aus Versehen hineingeratner Brief an die Ephesier). die Briefe an die Kolosser.
an Philemon und an die Philipper. Nach der Zerstörung Jerusalems sind die
drei synoptischen Evangelien geschrieben worden, denen außer mündliche" Über¬
lieferungen zwei schrifliche Quellen zugrunde liegen: die Sammlung von ;esus-
sprüchen. die der Apostel Matthäus veranstaltet, und die Petruspredigt, die Markus
aufgezeichnet hat. Nach der Verfolgung des Domitian hat der Verfasser des dritten
Evangeliums die Apostelgeschichte, die Bruchstücke des Retsetagebuchs des Lukas
enthält, geschrieben, um die Christen vor den römischen Obrigkeiten zu verteidigen,
und sind der Hebräerbrief, der erste Petrnsbrief, der Epheserbrief, die Pastorat-



*) Moritz Schanz. Nordafrika, Marokko. Halle a.S., Gebauer-Schwetschke, 1S05.190 Seiten
Gros-Oktav. 3,60 Mark. (Zugleich et. Serie 6. Heft der Angewandten Geographie, nur für deren
Abonnenten 3 Mark.)
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Marokko.

Wo aller Augen seit vielen Monaten mit banger Sorge oder aber
doch mit gespannter Erwartung des zu Befürchtenden oder zu Erhoffenden auf die
Nordwestecke des dunkeln Weltteils gerichtet sind, heißen wir ein Buch*) willkommen,
das gerade zur rechten Zeit erscheint, daß es uns diesen „vordersten," darum aber
um so unbekannten: Orient einmal in knappen aber scharfen Zügen, wie wir sie
eben bei Schanz gewohnt sind, vor Augen rücke. Es ist kein sprühend oder blühend
geschriebnes Büchlein, mit dem uns der bewährte Verfasser diesesmal beglückt; im
Gegenteil, man merkt ihm hier die dem „Weltreisenden" ungewohnte Arbeit an,
einmal tiefgründigen geschichtlichen Boden beackern zu müssen. Etwas mühsam, aber
doch mit bemerkenswerter Gewandtheit arbeitet sich der Verfasser demgemäß durch
den umfangreichen Stoff hindurch: in zehn Kapiteln gibt er zunächst eine General¬
übersicht über die Natur des gesamten Nordafrika, die Geschichte und das Volkstum
seiner Bewohner; in analoger aber erweiterter Form behandelt er darauf das für uns
weit wichtigere Marokko nach seiner Geschichte, seinen Bodenschätzen, den wirtschaftlichen,
den politischen und den religiösen Verhältnissen seiner Bewohner. Den Schluß bildet
eine Skizze der französischen Pläne, wie sie sich unsre Nachbarn vor dem Ein¬
greifen der deutschen Regierung — Schanz hat sein Buch schon am Beginn des
Jahres abgeschlossen — ausgemalt und gedacht hatten. Etwas anders dürfte sich
die Entwicklung des „Mghreb el Aksa" in Zukunft doch Wohl gestalten. Der Wert
des gerade in seiner Knappheit guten Buchs wird durch einige Unrichtigkeiten im
Ausdruck (Tunregs statt Tuareg, dann das schreckliche sächsische Rester) nicht ge¬
sch U. Weule mälert.


Vom Neuen Testament.

Allen Gebildeten, die sich über die Ergebnisse
der Bibelkritik in Beziehung auf das Neue Testament unterrichten wollen, sei das kleine
Buch warm empfohlen: Urchristliche Litercitnrgeschichte von Dr. Hermann
Freiherrn von Soden. (Berlin, Alexander Duncker, 1905.) Es beruht auf
gründlicher Gelehrsamkeit und selbständiger Forschung, ist aber nicht in ungenie߬
barer Gelehrtensprache geschrieben, sondern befriedigt Geist und Gemüt durch innige
Religiosität und durch eine Gestaltungskraft, die uns die Personen und die Zustände
der apostolischen und der nachapostolischen Zeit in anmutenden Bildern von über¬
zeugender Lebenswahrheit vorführt. Und dem gläubigen Sinne gewährt es die
tröstliche Gewißheit, daß das gewaltige Werk der neutestamentlichen Kritik, an dein
anderthalb Jahrhunderte gearbeitet habe», der Kirche zum Heile aufgeschlagen ist.
Absolute Gewißheit ist freilich auf diesem Gebiete nicht zu erreichen, aber die an
Gewißheit grenzende Wahrscheinlichkeit, mit der sich der Vernünftige begnügt, muß
man Sodens Ergebnissen zugestehn; begründete abweichende Meinungen sind nur
in Beziehung auf untergeordnete Punkte möglich. Die Hyperkrllik ist überwunden.
Jesus und Paulus für mythische Personen zu halten, wofür sie jetzt Kalthoff wieder
ausgibt.kann keinem nüchternen Kritiker mehr einfallen. Echt sind von den paulimschen
Briefen der erste an die Thessalonicher. die zwei nach Korinth. der an dre Gemeinden
Galatiens. der an die Christen in Rom (Kap. 10 Vers 1 bis 20 ist wahychem ich
ein aus Versehen hineingeratner Brief an die Ephesier). die Briefe an die Kolosser.
an Philemon und an die Philipper. Nach der Zerstörung Jerusalems sind die
drei synoptischen Evangelien geschrieben worden, denen außer mündliche« Über¬
lieferungen zwei schrifliche Quellen zugrunde liegen: die Sammlung von ;esus-
sprüchen. die der Apostel Matthäus veranstaltet, und die Petruspredigt, die Markus
aufgezeichnet hat. Nach der Verfolgung des Domitian hat der Verfasser des dritten
Evangeliums die Apostelgeschichte, die Bruchstücke des Retsetagebuchs des Lukas
enthält, geschrieben, um die Christen vor den römischen Obrigkeiten zu verteidigen,
und sind der Hebräerbrief, der erste Petrnsbrief, der Epheserbrief, die Pastorat-



*) Moritz Schanz. Nordafrika, Marokko. Halle a.S., Gebauer-Schwetschke, 1S05.190 Seiten
Gros-Oktav. 3,60 Mark. (Zugleich et. Serie 6. Heft der Angewandten Geographie, nur für deren
Abonnenten 3 Mark.)
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[0119] Maßgebliches und Unmaßgebliches Marokko. Wo aller Augen seit vielen Monaten mit banger Sorge oder aber doch mit gespannter Erwartung des zu Befürchtenden oder zu Erhoffenden auf die Nordwestecke des dunkeln Weltteils gerichtet sind, heißen wir ein Buch*) willkommen, das gerade zur rechten Zeit erscheint, daß es uns diesen „vordersten," darum aber um so unbekannten: Orient einmal in knappen aber scharfen Zügen, wie wir sie eben bei Schanz gewohnt sind, vor Augen rücke. Es ist kein sprühend oder blühend geschriebnes Büchlein, mit dem uns der bewährte Verfasser diesesmal beglückt; im Gegenteil, man merkt ihm hier die dem „Weltreisenden" ungewohnte Arbeit an, einmal tiefgründigen geschichtlichen Boden beackern zu müssen. Etwas mühsam, aber doch mit bemerkenswerter Gewandtheit arbeitet sich der Verfasser demgemäß durch den umfangreichen Stoff hindurch: in zehn Kapiteln gibt er zunächst eine General¬ übersicht über die Natur des gesamten Nordafrika, die Geschichte und das Volkstum seiner Bewohner; in analoger aber erweiterter Form behandelt er darauf das für uns weit wichtigere Marokko nach seiner Geschichte, seinen Bodenschätzen, den wirtschaftlichen, den politischen und den religiösen Verhältnissen seiner Bewohner. Den Schluß bildet eine Skizze der französischen Pläne, wie sie sich unsre Nachbarn vor dem Ein¬ greifen der deutschen Regierung — Schanz hat sein Buch schon am Beginn des Jahres abgeschlossen — ausgemalt und gedacht hatten. Etwas anders dürfte sich die Entwicklung des „Mghreb el Aksa" in Zukunft doch Wohl gestalten. Der Wert des gerade in seiner Knappheit guten Buchs wird durch einige Unrichtigkeiten im Ausdruck (Tunregs statt Tuareg, dann das schreckliche sächsische Rester) nicht ge¬ sch U. Weule mälert. Vom Neuen Testament. Allen Gebildeten, die sich über die Ergebnisse der Bibelkritik in Beziehung auf das Neue Testament unterrichten wollen, sei das kleine Buch warm empfohlen: Urchristliche Litercitnrgeschichte von Dr. Hermann Freiherrn von Soden. (Berlin, Alexander Duncker, 1905.) Es beruht auf gründlicher Gelehrsamkeit und selbständiger Forschung, ist aber nicht in ungenie߬ barer Gelehrtensprache geschrieben, sondern befriedigt Geist und Gemüt durch innige Religiosität und durch eine Gestaltungskraft, die uns die Personen und die Zustände der apostolischen und der nachapostolischen Zeit in anmutenden Bildern von über¬ zeugender Lebenswahrheit vorführt. Und dem gläubigen Sinne gewährt es die tröstliche Gewißheit, daß das gewaltige Werk der neutestamentlichen Kritik, an dein anderthalb Jahrhunderte gearbeitet habe», der Kirche zum Heile aufgeschlagen ist. Absolute Gewißheit ist freilich auf diesem Gebiete nicht zu erreichen, aber die an Gewißheit grenzende Wahrscheinlichkeit, mit der sich der Vernünftige begnügt, muß man Sodens Ergebnissen zugestehn; begründete abweichende Meinungen sind nur in Beziehung auf untergeordnete Punkte möglich. Die Hyperkrllik ist überwunden. Jesus und Paulus für mythische Personen zu halten, wofür sie jetzt Kalthoff wieder ausgibt.kann keinem nüchternen Kritiker mehr einfallen. Echt sind von den paulimschen Briefen der erste an die Thessalonicher. die zwei nach Korinth. der an dre Gemeinden Galatiens. der an die Christen in Rom (Kap. 10 Vers 1 bis 20 ist wahychem ich ein aus Versehen hineingeratner Brief an die Ephesier). die Briefe an die Kolosser. an Philemon und an die Philipper. Nach der Zerstörung Jerusalems sind die drei synoptischen Evangelien geschrieben worden, denen außer mündliche« Über¬ lieferungen zwei schrifliche Quellen zugrunde liegen: die Sammlung von ;esus- sprüchen. die der Apostel Matthäus veranstaltet, und die Petruspredigt, die Markus aufgezeichnet hat. Nach der Verfolgung des Domitian hat der Verfasser des dritten Evangeliums die Apostelgeschichte, die Bruchstücke des Retsetagebuchs des Lukas enthält, geschrieben, um die Christen vor den römischen Obrigkeiten zu verteidigen, und sind der Hebräerbrief, der erste Petrnsbrief, der Epheserbrief, die Pastorat- *) Moritz Schanz. Nordafrika, Marokko. Halle a.S., Gebauer-Schwetschke, 1S05.190 Seiten Gros-Oktav. 3,60 Mark. (Zugleich et. Serie 6. Heft der Angewandten Geographie, nur für deren Abonnenten 3 Mark.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/119>, abgerufen am 08.05.2024.